Zum Bild-Artikel “Schrumpf-Rente” und zur weiter Agitation gegen die Rente

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die Agitation geht weiter. Im heute im Bundeskabinett diskutierten Rentenversicherungsbericht, in SPIEGEL ONLINE wie bei BILD. Hierzu die Pressemitteilung der Deutschen Rentenversicherung und vor allem einen sehr guten Leserbrief eines Fachmanns und Nutzers der NachDenkSeiten an die WAZ.

1. Pressemitteilung der Deutschen Rentenversicherung:

„Die Bildzeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe erneut über „schrumpfende Renten“. Die von der Deutschen Rentenversicherung Bund hierzu vorgenommenen Berechnungen ergeben Folgendes:
Im Rentenversicherungsbericht 1995 wurde für das Jahr 2009 eine monatliche Eckrente von 1.510 Euro vorausgesagt. Der Rentenversicherungsbericht 2005 geht von einer Eckrente im Jahr 2009 in Höhe von rund 1.180 Euro aus. Das sind 78 Prozent der vorausgesagten Werte.
In vergleichbarer Weise haben sich auch die Bruttoentgelte der Beschäftigten entwickelt. Der Rentenversicherungsbericht 1995 hat für 2009 ein Bruttoentgelt in Höhe von rund 39.336 Euro vorausgesagt, heute werden für 2009 30.787 Euro erwartet. Das sind auch 78 Prozent der vorausgesagten Werte.
Im Ergebnis entsprechen sich also die Abweichungen sowohl bei der vorhergesagten Bruttorente als auch bei den Bruttoentgelten. Grund für die Entwicklung ist, dass zum Zeitpunkt des Rentenversicherungsberichts 1995 noch von höheren Wachstumsraten bei den Entgelten – und damit automatisch auch bei den Renten – ausgegangen wurde.“

2. Auszug aus einem – nicht veröffentlichten – Leserbrief an die WAZ:

Zu Ihrem Kommentar “Jeder Schritt zählt” am Samstag, d. 4. 2. 2006:

(….)

Zur Sache:

Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 hat mit vielen Faktoren zu tun, nur nicht mit dem einen, den Sie nennen, dass wir immer älter werden, oder, um Sie wörtlich zu zitieren: “Der Alterungsprozess der Gesellschaft ist leider so stark, dass wir wohl nicht die freie Auswahl zwischen verschiedenen Lösungen haben werden…”

Hätten Sie die Muße gefunden, mal kurz ein paar Tabellen im Statistischen Jahrbuch des Bundes aufzuschlagen, wäre Ihnen klar geworden, das Ihr Satz nichts weniger als dummes Zeug ist. Konkret: Knapp 53 Mio. Menschen im erwerbsfähigen Alter stehen gerade 15 Mio. Menschen über 65 gegenüber. Die demographisch-quantitative Relation ist also glänzend. Nur: Von diesen 53 Mio. sind nur noch – bei schleichendem Auszehrungsprozess – 26 Mio. sv-beschäftigt. (Nur zur Erweiterung Ihres Kenntnisstandes: Der eigentliche Alterungsprozess der Bevölkerung beginnt mit dem Jahre 2025 (ist also relativ exakt vorauszusagen), nämlich dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der sechziger Jahre, die jetzt den Arbeitsmarkt im wahrsten Sinne des Wortes belasten, ins Rentenalter kommen, wobei ich hier noch von 65 ausgehe)

Womit wir beim Thema wären:
Die Finanzknappheit der Rentenkassen resultiert aus dem Rückgang an SV-Beschäftigten (allein 372.000 im letzten Jahr), aus der Massenarbeitslosigkeit (wieviel Beitragseinnahmen würden wohl 1,2,3, usw. Mio. Menschen, wieder in Arbeit gebracht, auslösen?), den bewußt installierten 7 Mio. Minijobbern (ein klassische Subventionierung von Schwarzarbeit), dem stagnierenden Lohnniveau, dem Abbau beitragspflichtiger Sonderleistungen, Dummheiten wie der (beitragsfreien) Entgeltumwandlung (Alterseinkünftegesetz), der massiven Frühverrentung von entlassenen Arbeitnehmern und aus der falschen Finanzierung des Beitritts der neuen Länder. “Kleinere” Dummheiten, wie die Verrentung von 400. 000 Polen nach dem deutsch – polnischen Sozialversicherungsabkommen und der zuwandernden älteren Aussiedler nach dem Fremdrentengestz möchte ich aus political-correctness Gründen nur nachschieben und nicht besonders betonen.

All diese Faktoren lassen gar keine andere Lösung zu, als die Rente – so wie es jetzt geschieht – zu zerstören, wenn auch zunächst schrittweise.

Ihre Alternative ist genau das, was uns die private Versicherungswirtschaft seit Jahren einzubleuen versucht: “Die gesetzliche Rente wird auf Sozialhilfeniveau abgesenkt und wir machen mit der Privatvorsorge ein Milliardengeschäft”. Wenn sich die Herrschaften da mal nicht vertun: In einem weitgehend prekarisierten Arbeitsmarkt können die Menschen eine private Vorsorgesäule gar nicht aufbauen, denn Ihr Lohn reicht gerade für die Brötchen des nächsten Tages, wenn überhaupt.

Ich zitiere als letztes den Sachverständigenrat als Zeuge für meine Ausführungen, obwohl dieser durch und durch auf neoliberaler Linie liegt – mit Ausnahme von Herrn Bofinger. Hier heißt es in dem Gutachten von November 2005, das Sie sicherlich aufmerksam gelesen haben:

Der seit Jahren zu beobachtende, nun aber verstärkte Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ergibt sich aus dem gefährlichen Zusammenwirken zweier Faktoren: Zum einen werden die Versicherten in den Sozialen Sicherungssystemen zu einer versteckten Besteuerung herangezogen. Gleichzeitig eröffnet der Staat mit hoch subventionierten Formen flexibler Beschäftigung ein stark nachgefragtes Substitut für reguläre Arbeitsplätze.

Einfacher ausgedrückt. Durch eine dumme Politik zerstört der Staat die Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung und anschließend bleibt ihm keine andere Möglichkeit, als die Rente zu kürzen. Denn nichts anderes als eine Kürzung ist die Rente mit 67.

(….)

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