Eindrücke zur Friedensdemonstration „Nein zu Kriegen“ in Berlin

Eindrücke zur Friedensdemonstration „Nein zu Kriegen“ in Berlin

Eindrücke zur Friedensdemonstration „Nein zu Kriegen“ in Berlin

Ein Artikel von Ala Goldbrunner

Am 25.11.2023 fand in Berlin eine Friedensdemonstration vor dem Brandenburger Tor statt, zu der ein breites Bündnis aufgerufen hatte. Die diffamierende, mediale „Berichterstattung“, von der die NachDenkSeiten bereits berichtet haben, veranlasst Ala Goldbrunner, ihre persönlichen Eindrücke vor Ort ohne Anspruch auf Vollständigkeit wiederzugeben.

Der Ablauf

Trotz unwirtlichem, naßkaltem Wetter fanden sich am letzten Samstag laut Veranstalter ca. 20.000 Friedensaktivisten vor dem Brandenburger Tor ein, um gegen Militarisierung und Krieg, für Frieden, Diplomatie und Abrüstung zu demonstrieren. Die Polizei sprach am Nachmittag von 10.000 Teilnehmern.
Sehr hörenswert waren die überwiegend eindringlichen und dennoch besonnenen Reden, die am Ende des Textes verlinkt sind. Reiner Braun eröffnete mit einer leidenschaftlichen Begrüßungsrede die Veranstaltung. Sahra Wagenknecht brachte den Wahnsinn des Kriegskurses der Ampelregierung auf den Punkt: Er fördere u.a. soziale und finanzielle Verwerfungen, befeuere die Umweltverschmutzung, das müsse gestoppt werden. Gabriele Krone-Schmalz begründete ihre Teilnahme damit, dass ihr in diesen Zeiten Zurückhaltung so vorkäme, als wolle man sich vor der Verantwortung drücken. Michael von der Schulenburg betonte: „Wir müssen kommunizieren […] in dem Moment, wo wir jemand verstehen, werden wir nicht mehr zur Waffe greifen […] wir müssen Ausgleich finden und das geht nur, indem wir das benutzen, was uns allen Menschen eigen ist: Verstand. Und das kostet kein Geld.“ Diplomatie sei das Gebot der Stunde.

Nach diesen Beiträgen startete der Demonstrationszug für etwa eine Stunde durch die Berliner Innenstadt.

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Die Abschlusskundgebung wurde von Michael Müller eingeleitet, der auf Deutschlands historische Verantwortung nach zwei Weltkriegen im letzten Jahrhundert verwies und an die Fähigkeit der Deutschen erinnerte, Lösungen friedlich zu gestalten, wie die Ostdeutschen dies im Jahr 1989 taten. Ates Gürpınar hielt im Großen und Ganzen eine durchaus vernünftige Rede, er hält jedoch offenbar Sanktionspolitik gegen ‚russische Oligarchen‘ für ein legitimes Mittel, um Druck auszuüben. Dass diese Politik in erster Linie der eigenen Volkswirtschaft schadet, hat er wohl noch nicht begriffen, seine Rede glich daher eher einer Kampfrede im Bundestag als einem parteiübergreifenden Friedensappell. Abschließend traten Iris Hefets und Nadja Samour ans Rednerpult. Sie gaben ein Beispiel dafür, was heute dringender denn je gebraucht wird: Spaltung überwinden, um dem Krieg ein Ende zu setzen.

Die Demonstranten

Im Vergleich zur Veranstaltung von Aufstand-für-Frieden am 25. Februar dieses Jahres waren es deutlich weniger Teilnehmer und Teilnehmerinnen, damals sprachen die Veranstalter von 50.000. Ich frage mich, warum das so ist. Je dringlicher es wird, sich gegen eine vollkommen enthemmte Kriegspolitik der Regierung aufzulehnen, desto mehr scheinen sich viele Menschen immer mehr zurückzuziehen. Ist ihnen nicht bewusst, dass ihre eigene Lebensgrundlage, ihre eigene Zukunft auf dem Spiel steht? Die überwiegende Mehrheit vor dem Brandenburger Tor waren Menschen älteren Semesters, m.E. zu wenige jüngere. Gabriele Krone-Schmalz vermutet:

„Ich hätte ehrlich nie gedacht, dass ausgerechnet in unserem Land die Hardliner und Scharfmacher so viel Gehör finden. Vielleicht liegt ein Grund darin, dass vielen von denen aufgrund ihres Alters oder besser gesagt aufgrund ihrer Jugend die eigene Erfahrung fehlt, was Krieg bedeutet. Das ist keine ‚aseptische‘ Joystick-Operation, die punktgenau militärische Ziele ohne Menschen trifft. Krieg – ganz gleich welcher – ist Barbarei. Krieg ist das Kriegsverbrechen. Ich würde mir wünschen, dass junge Menschen, die mit ihrem Engagement im Kampf gegen den Klimawandel Gesellschaften weltweit aufgerüttelt haben, dass die das Thema ‚Frieden’ entdecken und sich dafür mit der gleichen Kraft einsetzen.“

Ein anderer Grund ist mit Sicherheit die Propaganda, die – über unsere Leitmedien transportiert – wirksam viele Menschen infiltriert. Ich möchte hervorheben: Es waren durchaus auch jüngere Demonstranten da, und zwar mit viel Engagement und Fantasie.

Es überraschte mich, dass es am Samstag im Vergleich zum Februar dieses Jahres unter den Teilnehmern keinerlei Berührungsängste zu geben schien: verschiedene Friedensbündnisse u.a. aus München ‚Macht-Frieden’, Kassel, Osnabrück, Bremen, türkisch-deutschen Gruppierungen, Palästinenser, verschiedene Gewerkschaften, Aktivisten von ‚Free Assange‘ uvm. demonstrieren Seit’ an Seit’. Und vor allem die vielen tausend Einzelaktivisten und -aktivistinnen, die unermüdlich wohl nicht das erste Mal gegen Krieg auf die Straße gingen. Beeindruckend die Energie und Ausdauer, die Fantasie bei der Gestaltung der Schilder:

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Ein Freund berichtete mir, die Gegendemos seien überraschend gering besucht gewesen. ‚Nein zu Kriegen‘ war eine große und unerlässlich wichtige Veranstaltung. Aber es müssten viel, viel mehr werden, um etwas bewegen zu können. Es sei in diesem Zusammenhang nochmals aus der Rede von Gabriele Krone-Schmalz zitiert:

„Michail Gorbatschow hat immer wieder die Rolle der Öffentlichkeit betont: die Stimme der Friedensbewegung gegen Krieg und Atomwaffen war eine starke und diese Stimme wurde gehört. Und dann ist alles zu selbstverständlich geworden. Das Brandenburger Tor hier ist ein guter Ort, um sich der Verantwortung bewusst zu sein oder bewusst zu werden, die man als sogenannt mündiger Bürger in einem demokratisch verfassten Staat hat. Mündige Bürger sind nämlich systemrelevant: Sie müssen so gut wie möglich Bescheid wissen; sie müssen Stellung beziehen, also entscheiden; sie müssen die Konsequenzen ihrer Entscheidung überblicken und dafür dann auch die Verantwortung übernehmen. Das ist eigentlich simpel, aber irgendwie aus dem Blickfeld geraten. Es ist an der Zeit, dass die schweigende Mehrheit sieht, wie wichtig es ist, sich zu Wort zu melden, sich nicht mundtot machen zu lassen und sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, was bislang bei uns selbstverständlich schien: Frieden.“

Die Videomitschnitte der einzelnen Redebeiträge finden sich hier (chronologisch):

Begrüßungsrede von Reiner Braun

Rede von Dr. Sahra Wagenknecht (MdB, BSW)

Rede von Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (Autorin, Publizistin)

Rede von Dr. Michael von der Schulenburg (Diplomat, ehem. Assistant General Secretary des UN-Generalsekretärs)

Rede von Michael Müller (ehem. Staatssekretär im Umweltministerium, MdB a.D., Vorsitzender der NaturFreunde)

Rede von Ates Gürpınar (stellvertr. Vorsitzender DIE LINKE)

Rede von Iris Hefets (Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost) gemeinsam mit Nadija Samour (deutsch-palästinensische Juristin)