Als Kanzlerkandidatin forderte Annalena Baerbock im September 2021 noch sehr explizit und öffentlich „die sofortige Freilassung von Julian Assange“. Doch seit Amtsantritt als Außenministerin am 8. Dezember 2021 hörte man von ihr in der Angelegenheit nicht mehr viel. Die NachDenkSeiten nahmen ihr zweijähriges „Amtsjubiläum“ zum Anlass, auf der BPK nachzufragen, was die oberste deutsche Diplomatin bisher an konkreten Schritten unternommen hat, um ihrer damaligen Forderung gegenüber den Wertepartnern in London und Washington Nachdruck zu verleihen. Auch wollten die NDS wissen, ob der Kanzler Olaf Scholz Julian Assange als politischen Gefangenen betrachtet. Von Florian Warweg.
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„Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention im Umgang mit Julian Assange – allen voran gegen das Verbot von Folter (Art. 3), gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) und gegen das Recht, keine Strafe ohne Gesetz zu erhalten (Art. 7) – schließen wir uns der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer an und fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.“
So lautete die Antwort von Annalena Baerbock in der Hochphase des Wahlkampfs am 14. September 2021 auf dem Portal Abgeordnetenwatch hinsichtlich der Frage, wie sie zum Fall Julian Assange stände:
Knapp drei Monate später, am 8. Dezember 2021, trat Annalena Baerbock ihr Amt als Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland an. Das ist nun genau zwei Jahre her. Ein guter Anlass, um auf der Bundespressekonferenz eine Halbzeitbilanz der bisherigen konkreten Bemühungen zur Umsetzung ihrer damaligen Forderung abzufragen. Die NachDenkSeiten nutzten zudem die Gelegenheit, um zu erfahren, wie Kanzler Olaf Scholz, der sich bisher noch gar nicht zu der Thematik geäußert hat, die Veröffentlichungen von Julian Assange zu US-Kriegsverbrechen und seine mittlerweile über 1.700 Tage andauernde Inhaftierung in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis, in dem er laut UN-Angaben Folter unterliegt, bewertet:
Auszug aus dem Protokoll der Regierungspressekonferenz vom 6. Dezember 2023:
Frage Warweg
Herr Fischer, Frau Baerbock hatte im Wahlkampf 2021 sehr öffentlich und auch sehr explizit die sofortige Freilassung von Julian Assange gefordert. In diesem Monat am 8. Dezember haben wir das zweijährige Jubiläum von Frau Baerbock als Außenministerin. Könnten Sie kurz eine Zwischenbilanz ziehen, welche konkreten Schritte Frau Baerbock in den letzten zwei Jahren unternommen hat, um dieser damaligen Forderung nach der sofortigen Freilassung bei den Partnern in Washington und London entsprechend Nachdruck zu verleihen?
Fischer (AA)
Sie können sich sicher sein, das haben wir hier auch schon gelegentlich gesagt, dass Frau Baerbock das Thema regelmäßig angesprochen hat. Was sie dazu gesagt hat, gilt natürlich weiterhin.
Zusatz Warweg
Meine Frage war ja die Frage nach konkreten Schritten in den letzten zwei Jahren, und ob Sie die kurz aufzählen könnten.
Fischer (AA)
Wir haben das Thema mit unseren Partnerinnen und Partnern in Großbritannien und in den USA regelmäßig auf den verschiedensten Ebenen aufgenommen. Gleichzeitig läuft aber noch ein Gerichtsprozess vor den unabhängigen britischen Gerichten, der sich mit dieser Frage beschäftigt, und die Unabhängigkeit dieser Gerichte müssen wir respektieren.
Wir haben ein anderes Verständnis von Pressefreiheit, als das in den USA definiert würde. Bei uns wären die Dinge, die Herr Assange getan hat, nicht strafbewehrt. Das ist in den USA anders. Damit gehen wir um, auf dieser Grundlage treten wir in das Gespräch mit unseren Partnern ein, und das hat die Außenministerin regelmäßig getan. Dass der Gerichtsprozess noch läuft, müssen wir aber einfach zur Kenntnis nehmen.
Frage Warweg
Herr Hebestreit, nur zum grundsätzlichen Verständnis, was die Perspektive des Kanzlers im Fall von Julian Assange angeht: Sieht er die Veröffentlichung von ihm über US-Kriegsverbrechen als relevant für die Öffentlichkeit an und betrachtet er ihn als politischen Gefangenen?
Regierungssprecher Hebestreit
Dazu hat sich der Bundeskanzler meines Wissens nie eingelassen, und das werde ich von dieser Stelle auch nicht tun. Ich glaube auch nicht, dass es an uns ist, eine solche Einschätzung vorzunehmen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 06.12.2023