Die Befürworter von S 21 starten ihre Kampagne – Schlichter geht’s nimmer

Ein Artikel von Hermann Zoller

Von dem sonst so gepriesenen mündigen Bürger scheinen die Befürworter von Stuttgart 21 keine hohe Meinung zu haben, sie entmündigen ihn geradezu. Zumindest ihre erste Plakatserie ist schlicht – schlichter geht`s nimmer. Der Verein „ProStuttgart21 e.V.“ startet seine „Kommunikationskampagne“ mit Plakaten, die von der Agenturgruppe fischerAppelt AG entwickelt wurden. Zehntausendfach sollen die gelben Plakate die Straßenränder zieren. Von Hermann Zoller

Plakate müssen die Botschaft auf den Punkt bringen und entsprechend einfach formuliert sein. Dass erste Plakat schafft das: „Für Stuttgart 21 heißt: NEIN beim Volksentscheid.“ Das ist eine klare Position. Der Bürger weiß Bescheid. – Allerdings erfährt er nicht, wer diesen Appell an ihn richtet: Ist das eine neutrale Institution oder ein Interessenverband? Nur ganz klein oben rechts und unten links, kaum sichtbar, taucht „ProStuttgart 21“ auf. Lesen soll man das auch nicht können, es genügt, wenn Wählerin und Wähler der Aufforderung folgen.

Richtig ärgerlich sind die beiden nächsten Plakate. Auf dem einen steht „Weiter ärgern oder fertig bauen?“ zu lesen. Das ist in der hohen Schule der Werbestrategen entwickelt, aber dennoch abgrundtief doof. Diese Frage ist mit keinem Buchstaben kommunikativ angelegt – sie will nur die Menschen, die sich um das ganze Projekt S 21 noch nie Gedanken gemacht haben, denen Diskussion, Widerspruch und erst recht Demonstrationen ohnehin zuwider sind, mobilisieren. Dieses Plakat appelliert also eher an unpolitische, ja sogar undemokratische Gefühlslagen.

Argumentativ kommt das nächste Plakat daher. „1,5 Milliarden für den Ausstieg verschwenden?“ werden wir gefragt. Natürlich will kein Mensch etwas verschwenden, 1,5 Milliarden schon gar nicht. Das ist eines der „schlagkräftigsten“ Argumente der Befürworter von S 21. Die Ausstiegskosten in dieser Höhe sind ist zwar noch keineswegs bewiesen, aber sie werden als unumstößliches Faktum in die politische Landschaft gesetzt. Informierte Bürgerinnen und Bürger werden sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie wissen, dass selbst dann, wenn der Ausstieg so teuer käme, damit ein mehrfach höherer Betrag – irgendwo zwischen 4 und 8 Milliarden – eingespart werden könnte. Hinzu kommt: die Ausstiegskosten, die möglicherweise durch das unsinnige Projekt S 21 verursacht worden sind, haben nicht seine Kritiker, sondern seine Befürworter zu verantworten. Also umgekehrt wird ein Schuh daraus.

In den Wochen bis zum 27. November werden noch viele propagandistische Tiefflieger unterwegs sein. Das ist bedauerlich und gefährlich, weil so Demokratie nicht gelebt, sondern beschädigt wird. Zehntausende Menschen haben sich mit dem Pro und Contra auseinandergesetzt und zahllose Fachleute haben Vorschläge für eine bessere Lösung der Verkehrsprobleme im Land ausgearbeitet – die Reaktion der Befürworter von S 21 ist dagegen nur von Ignoranz und Sturheit geprägt. Die Kampagne von „ProStuttgart 21“ markiert einen weiteren Tiefpunkt in dieser Auseinandersetzung. Sie macht deutlich, dass das Volk beim Volksentscheid von ihren Finanziers nicht ernst genommen wird. Statt die Bürger mündig zu machen entmündigt sie die Menschen.

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