Rally bei den Rüstungsaktien – droht am Ende gar die Verstaatlichung?

Rally bei den Rüstungsaktien – droht am Ende gar die Verstaatlichung?

Rally bei den Rüstungsaktien – droht am Ende gar die Verstaatlichung?

Ein Artikel von Thomas Trares

Die Aktienmärkte eilen von Rekord zu Rekord. Während aber in den USA Tech- und KI-Titel die Börsen antreiben, sind es hierzulande vor allem die Rüstungsaktien, die für Schlagzeilen sorgen. Angefeuert werden diese von den immer stärker steigenden Militärausgaben. Bereits in diesem Jahr wird Deutschland erstmals nach drei Jahrzehnten das NATO-Ziel erreichen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Von Thomas Trares.

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Einer der Profiteure dieser Entwicklung ist der Rüstungszulieferer Renk, der Anfang Februar sein Börsendebüt feierte. Es war der erste Börsengang an der Frankfurter Börse in diesem Jahr überhaupt. Ausgegeben wurden die Aktien zu je 15 Euro, zum Handelsstart waren sie bereits 17,50 Euro wert, inzwischen haben sie schon an der 30-Euro-Marke gekratzt, ein Plus von mehr als 60 Prozent seit Erstnotiz. Damit wird das Augsburger Unternehmen an der Börse bereits mit knapp drei Milliarden Euro bewertet.

Wie alle Rüstungsfirmen kann auch Renk sich derzeit vor Aufträgen kaum retten. So kamen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 Bestellungen über 911 Millionen Euro rein, 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Auftragsbestand erreichte mit 1,7 Milliarden Euro einen neuen Rekordstand. Die Zahlen für das Gesamtjahr legt Renk zwar erst Ende März vor, die Vorstandsvorsitzende Susanne Wiegand stellte aber bereits einen Umsatz von einer Milliarde Euro in Aussicht, nach knapp 850 Millionen Euro 2022. Rund 70 Prozent der Konzernerlöse entfallen auf Rüstungsgüter, insbesondere auf Getriebe für Panzer und Marineschiffe. Im zivilen Bereich stellt Renk vor allem Getriebe für Kompressoren her.

Renk mit erstem Börsengang des Jahres

Ursprünglich wollte das Augsburger Unternehmen schon im Herbst an die Börse gehen, wegen des seinerzeit widrigen Marktumfelds wurde das Vorhaben jedoch abgeblasen. Dass der Börsengang nun doch gelungen ist, liegt auch daran, dass Renk vorab zwei Investoren gefunden hat, die einen beträchtlichen Teil der Aktien aufkauften. Dies waren die vor allem in Rüstungswerte engagierte US-Fondsgesellschaft Wellington Management, die mit 50 Millionen Euro eingestiegen ist, sowie der deutsch-französische Panzerhersteller KNDS, ein Großkunde von Renk, der 100 Millionen Euro investiert hat. Der Erlös aus dem Börsengang von 450 Millionen Euro ging allerdings nicht an Renk, sondern an den britischen Finanzinvestor Triton. Dieser hatte Renk vor gut drei Jahren dem Volkswagen-Konzern abgekauft und nun an die Börse gebracht.

Bei Rheinmetall geht es Schlag auf Schlag

Ein weiterer Profiteur der aktuellen Rüstungsaktienrally ist Rheinmetall. Der Kurs des größten deutschen Rüstungskonzerns hat sich seit der im Februar 2022 ausgerufenen „Zeitenwende“ fast vervierfacht. Mit einem Plus von 54 Prozent war die Aktie im vergangenen Jahr sogar der Top-Performer im Dax. Auch Rheinmetall wird mit Aufträgen geradezu überschüttet. So lag der Auftragsbestand nach den ersten neun Monaten 2023 bei 36,5 Milliarden Euro, dies ist rund das Fünffache des gesamten Jahresumsatzes – ein extrem hoher Wert, der auf eine rasant wachsende Nachfrage hindeutet. Entsprechend hat Rheinmetall bereits für 2026 Erlöse von 13 Milliarden bis 14 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. 2023 sollen es rund 7,5 Milliarden Euro gewesen sein (offizielle Zahlen liegen noch nicht vor).

Dass es bei Rheinmetall gerade Schlag auf Schlag geht, zeigen drei Beispiele aus den vergangenen Wochen. So ist Mitte Februar – begleitet von einem enormen Medienrummel und im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius – der Spatenstich für die neue Munitionsfabrik im niedersächsischen Unterlüß erfolgt. Insgesamt 200.000 Schuss Artilleriemunition will Rheinmetall dort im Jahr herstellen. Darüber hinaus hat Rheinmetall Anfang dieses Monats eine Mehrheitsbeteiligung an dem rumänischen Fahrzeugbauer Automecanica Medias erworben, einem Produzenten von Spezialfahrzeugen, Lkw-Aufbauten und Anhängern, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Und nicht zuletzt ist Ende Januar der Startschuss für das Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz (LVS NNbS) gefallen, an dessen Entwicklung Rheinmetall ebenfalls beteiligt ist. Der Auftrag hat ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro, rund die Hälfte davon entfällt auf den Düsseldorfer Konzern.

Bei dem Projekt ist außerdem noch der Rüstungselektronikkonzern Hensoldt mit 284 Millionen Euro dabei. In das Vorhaben bringt das Unternehmen aus dem bayerischen Taufkirchen „seine Expertise und einsatzerprobte Produkte wie Radare zur Luftraumüberwachung und zur Identifizierung von Militärgerät ein“, wie es hieß. Auch Hensoldt ist klar auf Expansionskurs. So sind die Bayern gerade dabei, den kleineren Konkurrenten ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH mit Sitz in München zu übernehmen. Das Bundeskartellamt hat den Deal Anfang Februar genehmigt. Hensoldt kam 2023 auf einen Umsatz von 1,85 Milliarden Euro, bei ESG waren es 330 Millionen Euro. Auch die Hensoldt-Aktie ist zuletzt durch die Decke gegangen. Allein seit Jahresbeginn gab es ein Plus von mehr als 30 Prozent.

Rüstungsindustrie verstaatlichen?

Rosige Zeiten also für die Rüstungsindustrie, könnte man meinen. Doch dem ist womöglich gar nicht so. Denn offenbar sind im Ukraine-Krieg derart massive Probleme mit westlichen Rüstungsgütern samt ihrer Produktion zutage getreten, dass die Börsen-Zeitung nun ihre Leser bzw. die Aktionäre von Rüstungskonzernen mehr oder weniger offen vor einer Verstaatlichung der Rüstungsindustrie gewarnt hat. Sollte sich der Ukraine-Krieg doch noch ausweiten und eine direkte Konfrontation zwischen russischen und NATO-Streitkräften drohen, würden „die Regierungen kaum eine andere Wahl haben, als die deutsche und europäische Rüstungsindustrie unter staatlicher Führung neu zu strukturieren. Aktionäre von Rüstungskonzernen wie Rheinmetall sollten die Nachrichtenlage im Blick behalten“, war in dem Finanzblatt zu lesen.

Die Probleme fingen bereits bei den Preisen an, so die Börsen-Zeitung weiter. Demnach koste ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A7 rund 19 Millionen Euro, der wichtigste russische Kampfpanzer T-90M3 dagegen nur zwischen 2,5 Millionen und 3,5 Millionen Dollar. Zudem habe dieser im Ukrainekrieg eine deutlich bessere Performance gezeigt als der „veraltete, zu schwere und gegen die tödlichen russischen Drohnen nur unzureichend geschützte Leopard“. Auch sei die deutsche Rüstungsindustrie nur in der Lage, rund 40 Panzer pro Jahr zu bauen. In Russland dagegen seien 2023 rund 2.000 Kampf- und Schützenpanzer hergestellt worden.

Technologische Führerschaft verloren

Ähnliches gilt auch für die Artilleriemunition, wie die Börsen-Zeitung weiter schreibt. Hier habe die EU im März 2023 der Ukraine eine Million Granaten versprochen, aber bis Mitte November nur rund 300.000 liefern können. Die russische Produktion von Artilleriemunition werde dagegen auf mindestens zwei Millionen Stück pro Jahr geschätzt. Und nicht zuletzt habe die westliche Rüstungsindustrie auf sehr vielen Gebieten die technologische Führerschaft an die russische und chinesische Industrie verloren, etwa bei den hyperschallschnellen ballistischen Raketen, Kampfflugzeugen und Bombern, Panzern, elektronischen Störsystemen, Luftverteidigungssystemen, U-Booten, nuklearen ballistischen Raketen, Drohnen und Loitering Ammunition, Artillerie und vielem mehr.

Inwieweit die Analysen der Börsen-Zeitung zutreffend sind oder nicht, sei einmal dahingestellt. Denn das eigentlich Bedenkliche an der ganzen Entwicklung ist noch nicht einmal die vermeintliche oder tatsächliche Rückständigkeit der hiesigen Rüstungsindustrie, sondern die Tatsache, dass all diese Analysen, Artikel, Berichte und Kommentare auch zeigen, auf welch schiefer Bahn sich die Diskussion inzwischen befindet. So hat das Denken in militärischen Kategorien schon eine Eigenlogik, ja eine Eigendynamik angenommen, von Friedenslösungen oder Friedensverhandlungen ist schon gar keine Rede mehr.

Titelbild: CeltStudio/shutterstock.com

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