Armin Laschet verrät – ohne es zu bemerken – worum es beim „Kampf gegen rechts“ auch geht

Armin Laschet verrät – ohne es zu bemerken – worum es beim „Kampf gegen rechts“ auch geht

Armin Laschet verrät – ohne es zu bemerken – worum es beim „Kampf gegen rechts“ auch geht

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Es ist schon seltsam. Da rutschen einem Spitzenpolitiker – ohne, dass er es merkt – ehrliche Sätze heraus und niemand merkt es. So geschehen gestern bei „Maischberger“ in der ARD. Dort interviewte die Gastgeberin den ehemaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet zum Thema „AfD-Verbot“. Ein Verbot lehnt Laschet ab, aber er warnte sehr eindringlich vor eine AfD-Regierungsbeteiligung oder gar AfD-Alleinregierung. Die könne dann, so Laschet, „die Demokratie vernichten“, indem sie Justiz, Medien und Exekutive mit ihren Parteigängern besetzt. Das ist richtig. Aber warum bemerkt niemand, dass Laschet hier genau die Praxis beschreibt, mit der heute Parteien wie die CDU diese „unabhängigen Staatsorgane“ in ihrem Sinne lenken? Trotz aller berechtigter Kritik an der AfD – wie demokratisch ist es eigentlich, wenn die CDU Justiz, Medien und Exekutive mit ihren Parteigängern besetzt? Ein Kommentar von Jens Berger.

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Dann ernennt er erst mal Staatsanwälte und Richter. Er hat über die Medienaufsicht Kontrolle. Ist mit dem Innenminister Chef der Polizei. Man hat plötzlich viele Möglichkeiten, das demokratische System zu stabilisieren.“

So beschrieb Armin Laschet gestern bei Maischberger die Gefahr für die „Demokratie“, die seiner Meinung nach von einer AfD-Regierung in einem ostdeutschen Bundesland ausginge – dass er statt „destabilisieren“ „stabilisieren“ sagte, kann man wohl unter der Kategorie „Freud’scher Versprecher“ verbuchen. Ist diese Gefahr real? Selbstverständlich. Und es wären noch zahlreiche Funktionen hinzuzuzählen, die durch die Parteien kontrolliert werden.

Dass die Parteien in unserem politischen System eine zentrale Rolle eingenommen haben, die weit über die „politische Willensbildung des Volkes“ hinausgeht, die ihnen das Grundgesetz zubilligt, ist unstrittig. Schon in den 1980ern und 1990ern gab es eine lebhafte Debatte darüber, ob die Parteien nicht selbst ihre Machtbefugnisse zu Lasten der demokratischen Ideale ausgeweitet haben. Die Kritik verpuffte und die Parteien erweiterten sogar seitdem ihre Machtfülle. Die heutige Bundesrepublik ist ein Parteienstaat. Ämterpatronage ist allgegenwärtig und reicht im Staatswesen von der Besetzung politischer Beamtenstellen bis hin zu den Schulleitern und darüber hinaus auch in den Verbänden und Körperschaften – kein Geschäftsführer einer Sparkasse oder eines kommunalen Unternehmens wird heute ohne das „richtige“ Parteibuch oder zumindest gute Beziehungen zu den „richtigen“ Parteien ernannt. Gerade in den geisteswissenschaftlichen Fächern haben auch direkte und indirekte Parteistiftungen und Think Tanks eine unrühmliche Funktion eingenommen.

Zu diesem Thema wurde viel geschrieben und diskutiert – dabei wurde jedoch meist vergessen, dass die unverhältnismäßige Macht der Parteien auch für unliebsame Parteien wie die AfD ein Einfallstor zur Macht sein kann. Die Kritik daran ist natürlich berechtigt. Sollte die AfD beispielsweise über viele Jahre hinweg in einem Bundesland wie Thüringen auf kommunaler und Landesebene die Macht innehaben, würde sie ihre Parteigänger in nahezu allen Bereichen platzieren können. Dann wären in einigen Jahren die meisten Schulleiter, Leiter der Finanzbehörden, Sparkassenchefs, Medienwächter, Richter, Polizeichefs und viele mehr Parteigänger der AfD und könnten die jeweiligen Systeme nach ihren Vorstellungen umbauen – alles im Rahmen des Gesetzes wohlgemerkt. Dass es so kommen würde, steht für mich außer Zweifel. Auch „neue“ Parteien wie die Grünen (z.B. in Baden-Württemberg und Hessen) und die Linkspartei (z.B. in Brandenburg und Thüringen) haben ihre Parteigänger während ihrer Regierungszeit in den entscheidenden Posten positioniert. Ein Aufschrei blieb aus. Und nun soll das alles anders sein, weil die AfD in Reichweite der Futtertröge ist?

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will die AfD weder verharmlosen noch verteufeln. Aber wer ernsthafte Sorgen um „unsere Demokratie“ hat, der darf nicht nur eine mögliche Ämterpatronage durch die AfD ablehnen, sondern muss die vorhandene Ämterpatronage generell ablehnen! Wer beispielsweise Schulleiter oder Polizeichef wird, darf keine Frage des Parteibuchs sein. Und wer Angst um „die Demokratie“ hat, sollte auch dann Angst haben, wenn „normale“ Parteien ihre Macht erweitern und sich den Staat Untertan machen – denn das ist nicht die Rolle, die das Grundgesetz den Parteien zuschreibt.

Nun darf man sich fragen, was genau Politikern vom Schlage eines Armin Laschet wirklich Angst einjagt. Die AfD? Oder die Sorge davor, dass die Parteigänger der CDU von den Futtertrögen der Macht verdrängt werden? Seien wir doch mal ehrlich – wer geht in eine Partei, um sich für die politische Willensbildung des Volkes zu engagieren, und wer geht in eine Partei, um sich selbst dadurch Karriereperspektiven zu eröffnen? Gerade bei der CDU dürfte zumindest ab der Funktionärsebene Letzteres gar nicht mal so selten vorkommen. Die Möglichkeit, Ämterpatronage zu betreiben, ist ein zentraler Bestandteil der Macht von Parteien und damit auch ein zentrales Motiv für Bürger, einer Partei beizutreten. Dass der ehemalige Parteichef Laschet diese Macht nicht hergeben will, ist verständlich. Demokratisch ist das aber nicht.

Nun hätte man sich natürlich gewünscht, dass Frau Maischberger diesen Widerspruch bemerkt und Laschet darauf angesprochen hätte. Das hat sie aber nicht. Und auch das Publikum applaudierte brav – es ging ja oberflächlich „nur“ gegen die AfD. Solange man gegen die undemokratische AfD ist, verklärt man gerne den hundsmiserablen Zustand unseres demokratischen Systems. Und dass Parteien wie die CDU aus schierer Machtgier das demokratische System entkernt haben und so der AfD auf dem Silbertablett präsentieren – darüber schweigen wir lieber. Kann es vielleicht sogar sein, dass es beim „Kampf gegen rechts“ vor allem um einen Kampf um die Futtertröge geht?

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Titelbild: Screenshot ARD

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