„Putin will uns spalten“ – der neue Lieblingssatz der eigentlichen Spalter

„Putin will uns spalten“ – der neue Lieblingssatz der eigentlichen Spalter

„Putin will uns spalten“ – der neue Lieblingssatz der eigentlichen Spalter

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Wer die Bundesregierung kritisiert und die Mehrheitsmeinung der Berliner Blase hinterfragt, hat es nicht einfach. Wer widerspricht, wird gerne je nach Themengebiet als „Querdenker“, „Putin-Versteher“, „rechtsoffen“ oder sogar „Antisemit“ tituliert. Früher waren die Hüter der Wahrheit ein wenig origineller. Da hieß es dann, „geh’ doch drüben, wenn es Dir hier nicht passt“. Aber ein „Drüben“ gibt es ja nicht mehr. Dafür beklagt man heute die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Schuld daran ist natürlich nicht eine Politik, die dazu führte, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich, die Kluft zwischen Abgehängten und Privilegierten seit vielen Jahren immer größer wird. Schuld daran ist natürlich auch nicht ein gesellschaftliches Klima, das den Korridor des Erlaubten immer weiter verengt und Kritik an Themen wie der Rüstungs- und Kriegspolitik, der Coronapolitik, der Migrationspolitik oder identitätspolitischen Fragen reflexartig in „die rechte Ecke“ verschiebt. Schuld daran ist, wer auch sonst, Putin. Er wolle „uns spalten“. Das sagen zumindest diejenigen, die auf politischer oder medialer Ebene die tatsächliche Spaltung der Gesellschaft forcieren. Ein Kommentar von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als die Kollegen von Multipolar die „RKI-Files“ veröffentlicht hatten, dauerte es nicht lange, bis die „üblichen Verdächtigen“ in den Phrasendrescher-Modus schalteten. Für Janosch Dahmen, seines Zeichens gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, war das alles „Desinformation“, deren Ziel es sei, „uns zu spalten“. Dann raunte er noch was von „solcher Einflussnahme ausländischer Nachrichtendienste“. Sein Kollege Karl Lauterbach sah in der Veröffentlichung der Protokolle eine „Einmischung fremder Regierungen“. Spannend. Arbeitet der Kollege Paul Schreyer nun etwa für den FSB? Hat gar nicht Multipolar, sondern Russland die Veröffentlichung der RKI-Protokolle vor Gericht erfolgreich eingeklagt? Offenbar haben die „Schwurbler“ Dahmen und Lauterbach ein von „Verschwörungserzählungen“ geprägtes Weltbild. So was soll es ja geben.

Interessanter als ihr konspiratives Geraune von ausländischer Einflussnahme ist jedoch ihre These, bei der Veröffentlichung der RKI-Files ginge es darum, „uns zu spalten“. Wer ist „uns“? Und warum sollte „uns“ die Veröffentlichung von Protokollen der RKI-Sitzungen während der Coronakrise eigentlich „spalten“? Sowohl Dahmen als auch Lauterbach gehörten der Fraktion an, die von den Medien gerne verniedlichend als „Team Vorsicht“ beschrieben wurde. Auch das ist eine merkwürdige Wortwahl. Was hat es mit „Vorsicht“ zu tun, wenn man nicht nur die Risikogruppe, sondern die gesamte Bevölkerung mit einem experimentellen Pharmazeutikum gegen ein Virus immunisieren will, das für den Großteil der Bevölkerung gar nicht so gefährlich ist?

Diese Fraktion hat sich – auch dank massiver medialer Unterstützung – durchgesetzt und die Coronapolitik bestimmt. Diese Politik hat das Volk gespalten und nicht die Kritik an ihr – und schon gar nicht die sich bestenfalls im Anfangsstadium befindliche Aufarbeitung dieser Politik. Und nebenbei – mit „Putin“ hat das Ganze überhaupt nichts zu tun, dessen Coronapolitik war inkl. Impfungen, Lockdowns und Kontaktsperren genauso autoritär und fehlgeleitet wie die Lauterbachs. Die Kritik an einer Politik, die die Gesellschaft gespalten hat, kann aber per se nicht spaltend sein und der Vorwurf, eine Aufarbeitung dieser spaltenden Politik diene seinerseits der Spaltung, ist eine infame Verdrehung.

Doch diese Methode der Verdrehung ist ja zurzeit sehr populär. Als der russische Auslandssender RT ein abgehörtes Gespräch von vier hochrangigen Stabsoffizieren der deutschen Luftwaffe über die mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine veröffentlicht hat, hieß es seitens Politik und Medien auch, die Veröffentlichung diene dazu, Deutschland zu spalten. Auch hier ist der Vorwurf der „Spaltung“ grotesk.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der „Taurus Leaks“ war die klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper – nur bei Anhängern der Grünen gab es damals eine klare Mehrheit für die Lieferung. Die Gesellschaft ist also in dieser Frage in der Tat gespalten. Und wer ist für die Spaltung verantwortlich? Putin? Die Taurus Leaks? Wohl kaum. Verantwortlich sind vor allem diejenigen, die diese Option überhaupt ins Spiel bringen. Und hier wird es interessant. Befürwortet wird die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper von der CDU und zahlreichen Politikern aus den Reihen von Grünen und FDP sowie der großen Mehrheit der Leitartikler. Sie sind es, die die Gesellschaft in dieser Frage spalten und nicht etwa die Veröffentlichung eines abgehörten internen Gesprächs von Luftwaffenoffizieren.

Die Erzählung – Neudeutsch „Narrativ“ – einer angeblichen Spaltung der Gesellschaft durch Kritik an der Position, die Teile der Politik und die Mehrheit der Leitartikler vertreten, ist ebenso infam wie durchschaubar. Der manipulative Trick ist es, es so darzustellen, dass die eigene Position die einzig vernünftige und auf das Gemeinwohl gerichtete Position ist. Und da das Volk offenbar zu dumm ist, dies zu erkennen, ist es anscheinend die Aufgabe der politischen und medialen Eliten, eine Mehrheit für diese Position zu gewinnen, das Volk also hinter der „richtigen“ Position zu vereinen. So gesehen trägt natürlich jede Kritik an dieser Position zur Spaltung bei. So kann man durchaus argumentieren. Nur eins: Demokratisch ist daran so gut wie gar nichts. Demokratisch wäre hingegen ein offener Austausch der Argumente, bei dem am Ende die besseren Argumente obsiegen. Doch wer will schon das Risiko eingehen, am Ende zu verlieren?

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Titelbild: Andrii Yalanskyi/shutterstock.com

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