Seit dem 29. April ist bekannt, wer der Nachfolger von Regierungssprecher Steffen Hebestreit wird: Stefan Kornelius, der bisherige Leiter des Politikressorts der Süddeutschen Zeitung (SZ). Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, was Hebestreit seinem Amtsnachfolger mit auf den Weg geben wird, ob er am Drehtüreffekt zwischen Journalismus und Politik auch problematische Seiten sieht und inwieweit die Mitgliedschaft in diversen transatlantischen Lobbygruppen (wie Atlantik-Brücke und DGAP) sowie längere Auslandsaufenthalte in Washington D.C. Grundvoraussetzung sind, um Regierungssprecher in der Bundesrepublik zu werden. Ebenso kam die Frage auf, welche „Anschlussverwendung“ für Hebestreit ansteht, sein Vorgänger und Vornamensvetter Steffen Seibert wurde auf eigenen Wunsch hin Botschafter in Israel. Von Florian Warweg.
Hintergrund: Stefan Kornelius und seine transatlantischen Netzwerke
Am 29. April gab die SZ in der Rubrik „In eigener Sache“ bekannt, dass der Politik-Chef der Zeitung ab Mai der neue Regierungssprecher von Friedrich Merz wird:

„Stefan Kornelius, langjähriger Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung, wird Sprecher der Bundesregierung. Kornelius war seit 1991 bei der SZ, zuerst als Korrespondent in Bonn, während der Präsidentschaft von Bill Clinton in Washington und anschließend als stellvertretender Büroleiter in Berlin. Im Jahr 2000 übernahm Kornelius die Leitung des Ressorts Außenpolitik, seit 2021 war er Ressortleiter Politik. Besonders im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik prägte er die Berichterstattung und den Meinungsjournalismus der SZ.“
Was die Kollegen in dem Artikel nicht erwähnen – sind die zahlreichen und langjährigen Mitgliedschaften des SZ-Politikchefs und jetzt designierten Regierungssprechers in diversen transatlantischen Lobbygruppen und Denkfabriken. So ist er beispielsweise seit Jahrzehnten aktives Mitglied der Atlantik-Brücke sowie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und moderierte in dieser Funktion auch regelmäßig Veranstaltungen dieser Lobbygruppen.
Zudem gehörte er über viele Jahre dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) an, welcher die Bundesregierung zu außenpolitischen Themen berät. Da stellt sich schon ganz grundsätzlich die Frage, was ein leitender Journalist in einer führenden deutschen Tageszeitung im Sinne der „Vierten Gewalt“ in solcher Art von tendenziösen Lobbyorganisationen und Beratungsgremien der Bundesregierung zu suchen hat. Die entsprechenden Verbindungen von Kornelius hatte bereits „Die Anstalt“ in ihrer Sendung am 29. April 2014 kritisch thematisiert (im Video ab Minute 37:45).
Washington D.C., die Regierungssprecher und die Drehtür …
Schaut man sich die Vita der bisherigen und auch des zukünftigen Regierungssprechers an, fällt zudem ins Auge, dass fast alle von ihnen auf einen längeren Auslandsaufenthalt in Washington D.C. verweisen können. So war Kornelius beispielsweise von 1996 bis 1999 für die SZ Korrespondent in Washington D.C. Sein Vorgänger Hebestreit verbrachte dort sein Auslandssemester, bevor es dann für ihn anschließend ins Volontariat bei der Frankfurter Rundschau ging. Merkels Regierungssprecher in ihrer ersten und zweiten Amtszeit, Ulrich Wilhelm, verbrachte ebenfalls zehn Monate seiner Referendar-Zeit in Washington D.C. als „Congressional Fellow“ im US-Kongress.
Letzterer ist wohl auch eines der eklatantesten Beispiele für den besagten Drehtüreffekt zwischen Politik und Journalismus. Wilhelm wurde nach seiner Tätigkeit als Regierungssprecher für Angela Merkel und damit Chef des Bundespresseamtes direkt Intendant des Bayerischen Rundfunks und fungierte in dieser Funktion auch vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019 als Vorsitzender der ARD. Honi soit …
Doch auch beim scheidenden Regierungssprecher Hebestreit ist der Drehtüreffekt bemerkenswert. Bevor er im Januar 2014 zur SPD als Sprecher der damaligen Generalsekretärin Yasmin Fahimi wechselte und im weiteren Verlauf Sprecher von Olaf Scholz in dessen Funktion als Finanzminister und dann später unter ihm Regierungssprecher wurde, war er von 2011 bis 2014 im Vorstand der Bundespressekonferenz tätig.
Vor diesem Hintergrund wird es interessant sein zu beobachten, wie es für Hebestreit und in weiterer Folge auch für Kornelius nach ihrer respektiven Tätigkeit als Regierungssprecher beruflich weitergehen wird. Einen Botschafterposten als „Anschlussverwendung“ wie sein Vorgänger Seibert hat Hebestreit zumindest schon ausgeschlossen.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 30. April 2025
Frage Warweg
Herr Hebestreit, seit gestern wissen wir, wer Ihr Nachfolger wird, der bisherige Leiter des Politikressorts der „Süddeutschen Zeitung“, Stefan Kornelius. Was ist die zentrale „lesson learned“ aus der Bundespressekonferenz, die Sie Ihrem Nachfolger mitgeben wollen?
Regierungssprecher Hebestreit
Neugierig zu bleiben.
Zusatzfrage Warweg
Herr Kornelius ist langjähriges Mitglied diverser transatlantischer Lobbygruppen wie der Atlantik-Brücke und der DGAP. Er berät die Bundesregierung seit über zehn Jahren in Fragen der Außenpolitik als Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und war auch länger in Washington D. C. tätig. So entre nous und kurz vor Amtsübergabe kann man ja vielleicht ein bisschen mehr ausplaudern. Ist diese Einbindung in transatlantische Netzwerke und ein längerer Aufenthalt in Washington D. C., wie es bei Ihnen der Fall war, auch beim Merkelsprecher Ulrich Wilhelm und jetzt bei Kornelius, eigentlich eine Grundvoraussetzung, um Regierungssprecher in dieser Republik zu werden?
Hebestreit
Ich denke, um das Amt des Regierungssprechers ausfüllen zu können, ist ein großes außenpolitisches Wissen eher von Vorteil. Dann kann man Dinge einordnen und fällt nicht so sehr auf Narrative fremder Nationen herein.
Frage Jessen
Zukünftig wird es nicht nur den Sprecher geben, sondern auch stellvertretende Sprecherinnen und Sprecher. Das wird nach Lage der Dinge mindestens eine Person aus der SPD oder einer SPD-nahen Reihe sein. Darf man davon ausgehen, dass Sie gefragt wurden, wen Sie sich vorstellen könnten? Welche Empfehlungen haben Sie gegeben?
Hebestreit
Für eine Sekunde dachte ich, Sie würden mich fragen, ob ich gefragt worden sei. Da bin ich kurz zurückgezuckt.
Zusatz Jessen
Das wollte ich Ihnen nicht zumuten.
Hebestreit
Herr Jessen, ich würde mich zu dieser Frage nicht äußern. Eine Aufstellung im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung obliegt der künftigen Bundesregierung. Wenn man mich um meine Meinung gefragt hätte, dann hätte ich sie auch mitgeteilt. Aber selbst hätte ich sie mitgeteilt, würde ich das Ihnen vorenthalten.
Frage Jessen
Aber hätte – der Konjunktiv – bedeutet ja, man hat sie nicht gefragt. Oder?
Hebestreit
Da gibt es jetzt grammatikalisch zwei Möglichkeiten. Das ist die eine. Die andere ist der Konjunktiv, in dem Sie mich gefragt haben.
Aber ich möchte so weit gehen, Herr Jessen, ich habe Sie nicht vorgeschlagen.
Zusatz Jessen
Das beruhigt mich, danke.
Frage Warweg
Eine grundsätzliche Verständnisfrage: Wir sehen auch hier in der Bundespresskonferenz regelmäßig diesen Drehtüreffekt, vom Journalismus auf die andere Seite und zurück. Jüngstes Beispiel ist Ihr Nachfolger. Da würde mich grundsätzlich interessieren: Wie bewerten Sie das mit Blick auf die letzten vier Jahre? Sehen Sie eher Vorteile darin, dass es diese Drehtür gibt? Oder würden Sie im Nachhinein sagen: Es ist eher problematisch, mit welcher Leichtigkeit Journalisten auf die andere Seite der Macht zur Exekutive wechseln?
Hebestreit
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich Ihrer These der Drehtür so folgen würde. Ich glaube, das Amt des Regierungssprechers ist häufig von Journalistinnen und Journalisten übernommen worden, was auch ein bisschen damit zu tun hat, dass man dann weiß: Man ist ein Bindeglied zwischen Journalismus und Politik.
Dass man einerseits die Politik kennt, ist, glaube ich, von Vorteil. Dass man andererseits aber auch den Journalismus kennt und weiß, wie der Journalismus funktioniert, welche Gesetzmäßigkeiten es gibt, worauf man achten muss, ist auch von Vorteil. Das muss aber jeder für sich selber entscheiden.
Ich würde auch immer sagen, das sind unterschiedliche Berufe. Ich habe das einmal so gesagt: Wenn ich Fliesenleger war und hinterher Heizungsbauer werde, dann hilft mir auch, dass ich viele Dinge schon mitbringe, was das Reden auf der Baustelle angeht. Aber trotzdem mache ich einen ganz anderen Job mache und habe eine ganz andere Aufgabe. Das ist beim Regierungssprecher auch so. Insofern würde ich sagen: Es hilft, um die Zusammenhänge, die Anforderungen, die an einen gestellt werden, zu verstehen, aber es ist nicht unabdingbar. Man kann das auch anders angehen. Meine journalistische Phase war ja länger her, bevor ich diesen Job gemacht habe.
Mein Vorgänger, Steffen Seibert, ist direkt aus dem Journalismus in die Politik gewechselt und hat das auch hervorragend hinbekommen. Insoweit gibt es da keinen Masterplan, sondern es ist immer sehr unterschiedlich. Aber es sind unterschiedliche Aufgaben. Der Journalismus ist für viele sicherlich eine Berufung, aber er ist auch ein Beruf. Den muss man lernen, und den muss man verstehen. Wenn man dann Regierungssprecher ist, ist man nicht mehr Journalist, sondern dann ist man Regierungssprecher, und dann hilft einem die journalistische Grundausbildung, aber das ist ein anderer Job.
Zusatzfrage Warweg
Ihr Vornamensvetter – Sie hatten ihn schon erwähnt – ist dann Botschafter in Israel geworden. Die Frage liegt, glaube ich, in der Luft: Ist bei Ihnen schon der weitere Werdegang klar? Können Sie uns da ein bisschen mitnehmen, was Herr Steffen Hebestreit ab dem Juni so macht?
Hebestreit
Ich habe gesagt, dass ich im Augenblick keinerlei Anschlussverwendung vor Augen habe. Ich mache Urlaub und freue mich, nach vielen Jahren der Arbeit in der Bundesregierung und vorher auch an anderer Stelle erst einmal etwas zu entspannen, und dann schauen wir einmal. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich werde nicht Botschafter.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 30.04.2025
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