Regierungssprecher Hebestreit: „Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber…“

Regierungssprecher Hebestreit: „Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber…“

Regierungssprecher Hebestreit: „Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber…“

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 11. März kam es, gerade durch die Nichtanwesenheit der NachDenkSeiten, zu einer bemerkenswerten Intervention von Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ein Deutsche-Welle-Journalist fragte nach der Finanzierung der „ausländischen Legion“ (die Fremdenlegion der Ukraine, korrekt „Internationale Legion“) durch die Bundesregierung. Darauf erklärte Hebestreit, man sei zwar gerade unter sich, „aber ab und an sind auch noch andere hier im Raum“. Da solche Fragen immer Berichterstattung nach sich zögen, rief er die anwesenden Journalisten mit Verweis auf „russische Desinformationserfahrungen“ dazu auf, ihre Fragen doch bitte zukünftig „sehr vorsichtig zu formulieren“. Ein eklatanter Versuch der Einflussnahme auf das Frageverhalten von Journalisten in der BPK. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. März 2024

Frage Jolkver (Deutsche Welle-Journalist)
Noch einmal zu Ausländern, die in der Ukraine kämpfen:

Beteiligt sich die Bundesregierung in welcher Form auch immer an der Finanzierung der ausländischen Legion – ich meine, so heißt sie – in der Ukraine?

Regierungssprecher Hebestreit
Ich weiß nicht, wen Sie ansprechen. Mir sind solche Zahlen nicht bekannt. Ich wäre auch vorsichtig, solche Behauptungen in den Raum zu stellen.

Zusatz Jolkver
Ich behaupte nicht. Ich frage.

Hebestreit
Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber ab und an sind auch noch andere hier im Raum. Solche Fragen ziehen auch immer Berichterstattung nach sich. Insofern wäre ich immer vorsichtig, solche Behauptungen hier ungeprüft und ungeschützt zu äußern.

Zusatzfrage Jolkver
Meinerseits?

Hebestreit
Insgesamt.

Zusatz Jolkver
Interessant!

Vorsitzender Szent-Iványi
Herr Jolkver hat gefragt.

Zusatz Jolkver
Ich habe – – –

Hebestreit
Genau! Wir können nur – – – Ich wollte das gar nicht weiter – – – Wir haben große russische Desinformationserfahrungen, und ich würde jeden aufrufen, wenn man fragt – – – Man kann Dinge sehr unterschiedlich formulieren. Sie können das machen, wie Sie wollen. Ich rate nur dazu, sehr vorsichtig zu formulieren, um nicht Dinge in den Raum zu stellen, die so nicht stimmen.

Hintergrund zur „Internationalen Legion“

Die Gründung und Aufstellung der sogenannten „Internationalen Legion“ erfolgte durch eine offizielle Erklärung des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba am 27. Februar 2022. Der Verband wird von zwei verschiedenen Kommandostellen geleitet. Ein Teil des Verbandes wird von der ukrainischen Armee geführt, der andere Teil vom ukrainischen Militärgeheimdienst HUR.

Für mediale und politische Aufmerksamkeit sorgte die ukrainische Fremdenlegion, als Ende Mai 2023 russische Neonazis des „Russischen Freiwilligenbataillons“ zusammen mit der Legion „Freiheit Russlands“, die offiziell Teil der Internationalen Legion sind, Ortschaften im russischen Grenzgebiet der Region Belgorod erstürmten. Zuvor waren dortige Wohnsiedlungen massiv mit Artilleriefeuer eingedeckt worden. Sowohl US-amerikanische Regierungsvertreter als auch Medien wie Washington Post und DER SPIEGEL räumten ein, dass dabei an die Ukraine gelieferte NATO-Waffen zum Einsatz kamen. DER SPIEGEL interviewte in diesem Zusammenhang den britischen Militär-Experten Mark Galeotti, Leiter der staatlichen Denkfabrik „Zentrum für Europäische Sicherheit am Institut für Internationale Beziehungen“, und befragte ihn zur Rolle des ukrainischen Staates in Bezug auf die Neonazi-Miliz „Russisches Freiwilligenbataillon“ und allgemein die „Internationale Legion“. Seine Antwort war unmissverständlich:

Sie werden von den Ukrainern und insbesondere vom ukrainischen Militärgeheimdienst aufgestellt, bewaffnet, ausgerüstet, bezahlt und unterstützt.“

Angesichts der massiven Finanzhilfen durch die Bundesregierung und die EU, bei der Deutschland ebenfalls der mit Abstand größte Geber ist, an die Ukraine und deren militärischen Institutionen ist zumindest eine indirekte Finanzierung der ukrainischen Fremdenlegion durch bundesdeutsche Steuergelder sehr wahrscheinlich. Doch zurück zum eigentlichen Skandal, dem Agieren des Regierungssprechers.

Hebestreits fragwürdiges Verständnis von Pressefreiheit

Auf eine vor dem skizzierten Hintergrund völlig legitime Frage eines Journalisten, zudem eines für den staatlich finanzierten Auslandssender Deutsche Welle tätigen, reagiert der Kanzlersprecher mit der vielsagenden Bemerkung:

„Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber ab und an sind auch noch andere hier im Raum. Solche Fragen ziehen auch immer Berichterstattung nach sich.“

Zunächst ist die Darstellung „unter uns“ ziemlich albern, da ja, das weiß auch ein Herr Hebestreit, die gesamte Regierungspressekonferenz in der BPK per Livestream übertragen und später auch ein Wortprotokoll der Pressekonferenz veröffentlicht wird. Doch von solchen Details abgesehen, spricht das Verhalten von Hebestreit vor allem deswegen Bände, weil er hier völlig unverschleiert versucht, massiv Einfluss auf das Frageverhalten der Journalisten in der BPK zu nehmen mit Verweis auf angebliche „russische Desinformation und nicht nur unterschwelligen Drohungen à la ‚Ich wäre vorsichtig mit solchen Behauptungen‘. Ganz dem erprobten Ansatz folgend: Alles was der Bundesregierung an Fragen nicht genehm erscheint, und stammen die auch vom eigenen steuergeldfinanzierten Auslandssender, wird zu „russischer Desinformation“ erklärt. Problem erledigt …

In der Satzung der BPK heißt es allerdings unmissverständlich zum Zweck der BPK:

„Zweck des Vereins ist es, Pressekonferenzen zu veranstalten und seinen Mitgliedern Möglichkeiten einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Pressekonferenzen der Bundespressekonferenz dienen einer sachlichen, an Tatsachen orientierten und fairen Vermittlung von politischen Informationen, Aussagen und Positionen. Die Bundespressekonferenz trägt damit zu einem freiheitlichen, kritischen und unabhängigen Diskurs in der demokratischen Öffentlichkeit bei. Soweit es dazu erforderlich erscheint, vertritt der Verein auch die Interessen seiner Mitglieder.“

Der vorliegende Fall erfüllt wohl die Kriterien, dass der BPK-Vorstand den Regierungssprecher mal auf den Boden der Tatsachen holt und ihm erklärt, welchen Zweck der Verein erfüllen soll und welche Rolle, nämlich die als Gast, dem Regierungssprecher in der BPK zukommt.

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Symbolbild, Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz vom 28. Febraur 2024