Das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung des Kinderbuchautors Robert Habeck (Die Grünen) kommt nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Nach Einsatz des Inlandsgeheimdienstes gegen altgediente Mitarbeiter des Ministeriums, weil deren Fachmeinung dem Minister nicht gefiel, sowie aufgedeckter Vetternwirtschaft kam es Ende Dezember zu einem weiteren Schauspiel der Abgehobenheit grüner Spitzenpolitiker. Der Habeck-Vertraute und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold, verweigerte in einem wohl einmaligen Akt der Demokratieverachtung das verfassungsrechtlich verankerte parlamentarische Informations- und Fragerecht der Bundestagsabgeordneten zu Rüstungsexporten. Den NachDenkSeiten liegt der entsprechende Schriftverkehr exklusiv vor. Von Florian Warweg.
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„In Höhe welchen Gesamtwertes wurden im Jahr 2022 bis zum aktuellen Stichtag Einzelgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern erteilt (bitte neben dem Gesamtwert auch die jeweiligen Werte für Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern sowie auch die Werte für die zehn Hauptempfängerländer auflisten) (sofern eine endgültige Auswertung für 2022 noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen angeben), und wie verteilt sich der Gesamtwert von 2022 auf die Gruppe der EU-Länder, NATO- und gleichgestellten Länder, Drittländer sowie Entwicklungsländer (bitte zusätzlich auch getrennt für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter auflisten)?“
Diese Frage stellt Sevim Dağdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Abrüstungspolitik sowie Internationale Politik der Linksfraktion, seit vielen Jahren in identischer Form regelmäßig Mitte Dezember an die Bundesregierung. Die Beantwortung der Frage fällt in den Aufgabenbereich des Bundeswirtschaftsministeriums. Und egal ob der Bundeswirtschaftsminister von der FDP, SPD oder CDU gestellt wurde, das Ministerium antwortete bisher immer fristgerecht und gab auch die entsprechenden Zahlen bekannt. Nicht so, seit das Wirtschaftsministerium unter Kontrolle der Grünen steht.
Versuch der Antwortverweigerung
Die oben aufgeführte Schriftliche Frage wurde am 13. Dezember von der Bundestagsabgeordneten eingereicht. Gemäß der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gilt für die Beantwortung von Schriftlichen Fragen eine 7-Tage-Frist, die Beantwortung hätte also zum 20. Dezember erfolgen müssen. Stattdessen erklärte das Bundeswirtschaftsministerium, dass aufgrund angeblich nötiger „aufwändigerer ressortübergreifender Abstimmungen“ noch keine Antwort erfolgen könne und verwies auf eine nötige Fristverlängerung.
Gegen diese Fristverlängerung legte Dağdelen am 20. Dezember 2022 um 18:08 Uhr in einer E-Mail an das Bundesministerium für Wirtschaft Widerspruch ein. Sie halte die Begründung für nicht nachvollziehbar, da es sich um Fragen handele, die seit Jahren immer wieder von ihr als Schriftliche Fragen eingereicht wurden, ohne dass es bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende Fristverlängerungsbitten wegen vermeintlicher „ressortübergreifender Abstimmungen“ gegeben habe. Daher erwarte sie folglich eine fristgerechte Beantwortung.
Am 22. Dezember, zwei Tage nach der eigentlichen Frist, ging um 11:27 Uhr per Mail die vorgebliche „Antwort“ ein. Doch statt einer mit konkreten Zahlen untermauerten Antwort, wegen der das Ministerium wenige Tage zuvor noch eine Fristverlängerung wegen „nötiger Ressortabstimmungen“ eingefordert hatte, wird der Abgeordneten von Staatssekretär Sven Giegold nun erklärt, sie solle doch bitte einfach so lange warten, bis die Bundesregierung diese Zahlen veröffentlicht. Darüber hinaus würden „Möglichkeiten für die Veröffentlichung der Genehmigungsdaten unter Aufwands- und rechtlichen Gesichtspunkten“ geprüft. Ein veritabler Affront der Exekutive gegenüber der Legislative:
Beschwerdebrief an Habeck
Die Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss wandte sich daraufhin an den Parlamentarischen Geschäftsführer Jan Korte, der umgehend einen vierseitigen Beschwerdebrief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aufsetzte, welcher ebenfalls den NachDenkSeiten vorliegt. Darin stellte er unter anderem fest:
„Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mich an so einen Grad an Dreistigkeit gegenüber dem Parlament in all meinen Jahren als Abgeordneter kaum erinnern kann.“
Des Weiteren führte er aus:
„Aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 GG folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten, dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –, BVerfGE 124, 161, Rn. 123). Grenzen können sich nur aus dem Grundgesetz ergeben. Verweigert die Bundesregierung eine Antwort, so muss sie dies hinreichend begründen. Dem wird die Antwort Ihres Staatssekretärs überhaupt nicht gerecht, denn hier ist nicht erkennbar, auf welchen Verfassungsgrund Sie sich berufen, wenn Sie lediglich darauf verweisen, dass sie die vorläufigen Genehmigungszahlen für das Jahr 2022 im Januar 2023 veröffentlichen werden.“
Die Beschwerde des Parlamentarischen Geschäftsführers beim Bundeswirtschaftsminister zeigte Wirkung. Am 23. Dezember wurde dem Büro von Dağdelen eine „korrigierte Antwort“, diesmal mit den abgefragten Zahlen, zugestellt. Aus diesen geht hervor, dass die Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen Waffenexporte in Höhe von acht Milliarden Euro genehmigte, der zweithöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Selbst nach Abzug der Rüstungslieferungen für 2,24 Milliarden Euro an die Ukraine liegt der Gesamtwert der Einzelausfuhren 2022 mit 6,1 Milliarden Euro höher als der Gesamtwert der 2020 unter Angela Merkel erfolgten Waffenexporte in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Die Ampel-Regierung hatte sich zuvor im Koalitionsvertrag, insbesondere auf Drängen der Grünen, eigentlich dazu verpflichtet, die Rüstungsexporte signifikant zu senken.
„Die von Ihnen erfragte Abfrage (…) führt zu einem erheblichen Mehraufwand“
Doch der eigentlich Clou liegt in einer bei Antworten auf Schriftliche Fragen eigentlich völlig unüblichen, geradezu epischen Vorbemerkung, in welcher vom Habeck-Vertrauten Giegold der Fragestellerin tatsächlich der Vorwurf gemacht wird, dass diese als Obfrau einer Oppositionspartei im Auswärtigen Ausschuss von ihrem im Grundgesetz verbrieften Frage- und Informationsrecht als Bundestagsabgeordnete Gebrauch mache. Also das tut, für das sie gewählt wurde. Der Staatssekretär hält ihr im Wortlaut vor:
„Die von Ihnen erfragte Abfrage (…) führt zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Datenerhebung und -bearbeitung. Dieser Mehraufwand entsteht zu Lasten der anderen dringenden Aufgaben, die das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bei der Bewilligung von Förderanträgen der Kommunen, der Unterstützung der Ukraine mit Rüstungsgütern, den EU-Sanktionen gegen Russland und der Unterstützung von Unternehmen, die unter hohen Energiekosten leiden, derzeit verantwortet.“
Arroganz und Doppelmoral der Grünen
Die hier von dem Grünen-Staatssekretär an den Tag gelegte Arroganz der Macht und Doppelmoral wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass zu Oppositionszeiten der aktuelle Grünen-Vorsitzende und bis 2020 außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Omid Nouripour, ebenfalls regelmäßig die Rüstungsexportzahlen von der Bundesregierung abfragte. Und damit nicht genug, es waren die Grünen, die 2014 bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zogen und das sogenannte „Rüstungsexporturteil“ erstritten, just für das Recht auf Antworten zu Fragen, die sie, kaum sitzen sie mit an der Regierung, anderen Fragestellern im Bundestag verweigern wollen. In dem wegweisenden Urteilsspruch des BVerfGs, auf das Korte auch in seinem Beschwerdeschreiben an Habeck verweist, heißt es:
„Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments.
Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt. Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.“ (BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 2 BvE 5/11 –, BVerfGE 137, 185-273, Rn. 130)
Gegenüber den NachDenkSeiten erklärte Dağdelen mit Blick auf das Agieren des Grünen-Staatssekretärs:
„Offenbar braucht die grüne Führung im Bundeswirtschaftsministerium Nachhilfe in Sachen parlamentarischer Demokratie. Zunächst der dreiste Versuch der Antwortverweigerung und dann der Vorwurf, dass man als Opposition das verfassungsmäßige parlamentarische Informations- und Fragerecht überhaupt nutzt, zeigen, wie abgehoben und demokratieverachtend die Grünen mittlerweile geworden sind.“