In den Kriegstod schicken? Söder fordert von Ukraine Änderung der gelockerten Ausreisebedingungen für junge Männer

In den Kriegstod schicken? Söder fordert von Ukraine Änderung der gelockerten Ausreisebedingungen für junge Männer

In den Kriegstod schicken? Söder fordert von Ukraine Änderung der gelockerten Ausreisebedingungen für junge Männer

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Söder fordert Druck auf Ukraine wegen steigender Flüchtlingszahlen“ – so lautet eine aktuelle Medienüberschrift. Wie dieser Druck auszusehen hat, wird schnell deutlich: Die Ukraine soll ihre gelockerten Ausreisebedingungen für junge Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahre wieder zurücknehmen. Mit anderen Worten: Sollen die jungen Leute, die teilweise noch im Teenageralter sind, eben besser in ihrem Land bleiben und Gefahr laufen, irgendwann an die Front geschickt zu werden. Derzeit gilt für den Krieg zwar ein Rekrutierungsalter von 25 Jahren, aber ob das so bleiben wird? Dafür gibt es keine Garantien. Was das bedeutet, muss auch dem bayerischen Ministerpräsidenten klar sein. Das macht Söders Positionierung so ungeheuerlich. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Wie soll Deutschland mit Kriegsflüchtigen aus der Ukraine umgehen? Das mag eine berechtigte Frage sein, aber es gibt eine Frage, die wichtiger ist: Wann werden deutsche Politiker der Menschenfängerei in der Ukraine entgegentreten? Im Netz gibt es eine kaum noch zu zählende Anzahl an Videos, die dokumentieren: In der Ukraine werden Männer, die im Verdacht stehen, sich vor dem Frontdienst zu drücken, auf der Straße angesprochen, überprüft und teilweise unter Einsatz von massiver körperlicher Gewalt in Autos gezerrt. Zwar können die Videos nicht immer verifiziert werden, aber daran, dass „Rekrutierungen“ dieser Art stattfinden, besteht kein Zweifel. Zwar zurückhaltend, aber immerhin, berichten auch deutschsprachige Mainstreammedien, wie etwa die Tagesschau oder die Neue Zürcher Zeitung, die von „rabiaten Rekrutierungsmethoden spricht. Dieses Video zeigt angeblich, wie ein junger Vater, der noch sein Baby auf dem Arm hält, mit körperlicher Gewalt zu Boden gebracht wird. In einem anderen Video ist zu sehen, wie angeblich eine ukrainische Mutter, die sich gegen die Rekrutierung auf der Straße wehrt, einen Herzinfarkt erleidet.

Auch wenn diese Rekrutierungspraxis offensichtlich durch die Gesetze gedeckt ist: Menschen unter dem Einsatz von Gewalt gegen ihren Willen zu zwingen, in den Krieg zu ziehen, um sich dann töten zu lassen oder andere töten zu müssen, das ist ein Akt der Barbarei.

Hier müssten deutsche Politiker laut ihre Stimme erheben. Doch der Bundestag schweigt. Da die Videos so zahlreich sind und auch deutsche Medien berichten, können Politiker nicht sagen, ihnen seien diese Verhältnisse nicht bekannt. In der Schlussfolgerung heißt das: Das in den Videos zu sehende Vorgehen, das bei gesundem Menschenverstand als Menschenfängerei zu bezeichnen ist, wird gebilligt.

Doch es kommt noch schlimmer. Nicht nur, dass die Bundesregierung verfehlt, die Menschenfängerei anzuprangern, nun meldet sich auch noch Markus Söder zu Wort und fordert etwas, was am langen Ende furchtbar ausgehen würde.

Richtig ist: Es gibt in Deutschland sehr viele ukrainische Flüchtlinge. Richtig ist auch: Das ist – gerade auch im Verbund mit Geflüchteten aus anderen Ländern – ein Problem. Allerdings: Söders Positionierung ist untragbar.

„Wir müssen den sprunghaft ansteigenden Zuzug junger Männer aus der Ukraine steuern und deutlich reduzieren. Deshalb müssen die EU und Berlin auf die Ukraine einwirken, dass die gelockerten Ausreisebestimmungen wieder geändert werden“, zitiert DIE ZEIT Söder.

Und dann heißt es, der CSU-Politiker habe gesagt, es sei „keinem geholfen, wenn immer mehr junge Männer aus der Ukraine nach Deutschland kommen, anstatt ihre eigene Heimat zu verteidigen“. Zwar unterstütze Deutschland die Ukraine humanitär, mit Waffen und Geld, aber „es braucht auch ukrainische Soldaten, die ihr eigenes Land verteidigen“.

Die Aussagen sind klar und deutlich. Das heißt nichts anderes als: Je nach Weiterentwicklung laufen dann auch jene jungen Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren, die seit Ende August wieder ausreisen dürfen, Gefahr, für den Kriegsdienst eingezogen zu werden. Derzeit gilt in der Ukraine zwar ein Mindestalter von 25 Jahren für den Kriegsdienst – aber ob das so bleibt, dafür gibt es keine Garantien. Und: Was der Fronteinsatz in einem Krieg mit sehr hohen Verlustzahlen bedeutet, dürfte jedem klar sein. Am Ende stehen Tod, Verstümmelungen, Traumatisierungen.

Selbst der als Hardliner bekannte ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrii Melnyk, äußerte sich kritisch zu Söders Aussagen. Auf der Plattform X veröffentlichte er den folgenden Tweet:

Christliche Nächstenliebe pur. Populistischer geht’s wirklich nicht. Meine Güte

Es ist eine Schande für die deutsche Presse, dass sie den bayerischen Ministerpräsidenten für seine Aussagen nicht mit der gebotenen journalistischen Professionalität stellt. Vom „zaghaften“ journalistischen Vorgehen im Hinblick auf die Rekrutierungspraxis ganz zu schweigen.

Für Deutschland ist relevant: Wie werden sich deutsche Politiker verhalten, die zu den veranschlagten Rekrutierungsmethoden schweigen oder gar, wohlwissend um die Verhältnisse, ukrainische Teenager zurück in der Ukraine sehen wollen, wenn Deutschland im Krieg wäre?

Titelbild: EUS-Nachrichten/shutterstock.com

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!