Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Rückkehr zur Drachme ist keine Lösung
  2. Griechisches Wirtschaftswachstum: Weitere Kuriositäten aus dem Kabinett deutscher Medien
  3. Griechenland
  4. Erschlagen von der schwarzen Null
  5. Romani Prodi: Lassen wir Deutschland das europäische Projekt nicht grundlegend verändern
  6. Paul Krugman: Rumgestümper an Pekings Aktienmärkten
  7. EU-Statistikbehörde stellt EU-Kommission, EZB und Bundesregierung schlechtes Zeugnis aus
  8. Verhandlungen zu Freihandelsabkommen: Brüssel verteidigt schärfere Geheimhaltung bei TTIP
  9. Publikationshinweis: Länderbezogene Berichtspflichten im Bankensektor decken systematische Gewinnverschiebung auf
  10. Zeitverträge: Folgt den Boomjahren ein Nachlassen des Befristungswahns?
  11. Gratisarbeit? Gerne!
  12. Pkw-Maut: EU-Verfahren könnte zur Belastung aller Autofahrer führen
  13. Flüchtlinge
  14. Bundeswehr rein? Nein! Bundeswehr raus aus Mali!
  15. Amerikas Politiker – Aus Prinzip verantwortungslos
  16. Altmaier versucht Vertuschungstricks der Bundesregierung zu rechtfertigen
  17. Cortana und Bing telefonieren nach Hause
  18. Rezensionen und Interviews zu Jens Bergers Buch „Der Kick der Geldes“
  19. Zu guter Letzt: Geldgeber

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Rückkehr zur Drachme ist keine Lösung
    Ein Austritt aus dem Euro mag radikal erscheinen, weil er Protest gegen die Machthaber in der EU zum Ausdruck bringt. Eine Lösung der Probleme der griechischen Bevölkerung bedeutet er nicht. Ein Beitrag zur linken Euro-Debatte
    Die griechische Regierung hat den Grexit, das Ausscheiden aus der Euro-Zone, mit Mühe verhindern können, indem sie sich am Euro-Gipfel in der Nacht auf den 13. Juli mit den anderen Euro-Staaten auf Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm geeinigt hat.
    Die Empörung innerhalb der bundesdeutschen und europäischen Linken über die beinharte neoliberale Sanierungskonzeption und den erpresserischen Druck auf die griechische Linksregierung ist groß. Die Einigung vom Euro-Gipfel ist auf der Basis von Erpressung zustande gekommen. Alexis Tsipras hat dies mehrfach betont. Sie setzt die neoliberale Austeritätspolitik fort und beschneidet die Souveränität der griechischen Regierung und die Rechte des griechischen Parlaments.
    Zu Recht macht Tsipras seine inhaltliche Distanz zu dem erreichten Ergebnis deutlich: »Ich übernehme die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterzeichnet habe, um ein Desaster für das Land zu vermeiden«. Es sei ein »schmerzhafter Kompromiss, sowohl auf der wirtschaftlichen als auch auf der politischen Ebene. Kompromisse sind Teil der politischen Realität und revolutionären Taktik.« Und: »Wir sahen uns mit einem Dilemma unter Gewaltandrohung konfrontiert.« Die Zustimmung zur der Vereinbarung vom 13. Juli beruhte auf der Einschätzung, dass die Alternative zur Zustimmung der Grexit – noch schlimmer und verheerender wäre als das Diktat vom 13. Juli.
    Quelle: neues deutschland
  2. Griechisches Wirtschaftswachstum: Weitere Kuriositäten aus dem Kabinett deutscher Medien
    Wenn die griechischen Wachstumszahlen für etwas gut sind, dann, um den Wirtschaftsjournalismus in den deutschen “Qualitäts-Medien” einmal mehr vorzuführen. Ein Kuriositätenkabinett.
    Den größten Vogel hat vielleicht wieder einmal “Die Welt” abgeschossen. “Griechische Wirtschaft wächst stärker als deutsche”, hat Tobias Kaiser seinen Artikel überschrieben. Als Wirtschaftsredakteur. Im Untertitel heißt es zwar immerhin vielversprechend: “Selbst Griechenland wächst deutlich – doch für diesen Sprung gibt es eine ganz andere Erklärung als in Spanien oder Irland.” Würde Kaiser also tatsächlich erkannt haben, dass die positive Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal – und nicht nur im zweiten Quartal – lediglich fallenden Preisen (Deflation) geschuldet ist, das nominale Wachstum also negativ war (siehe hierzu zuletzt hier)? Weit gefehlt! Wie Yannis Koutsomitis, der nicht nur für “Die Zeit” schreibt, sondern sogar als “Wirtschaftsexperte” gilt und sich selbst als “Eurozonen-Analyst” einstuft (siehe dazu hier), nimmt Kaiser das reale Wirtschaftswachstum tatsächlich für bare Münze. Auch diese Münze aber verliert mit der Deflation ihren Wert, in diesem Fall ihre Aussagekraft. Völlig zurecht entgegnet der spanische Wirtschaftswissenschaftler José Carlos Díez auf den tweet von Koutsomitis: “…in deflation nominal variables are key…”
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  3. Griechenland
    1. Schuldenkolonie Griechenland – ein bleibender Auftrag für die plurale Linke
      In dem seit längerem anhaltenden und zuletzt zugespitzten Konflikt der EU mit Griechenland geht es nicht nur um Kredite, sanierte öffentliche Haushalte oder um vermeintliche Insolvenzverschleppung, sondern im Zentrum steht die Frage nach der demokratischen Kultur in Europa. Vordergründig wurde erbittert darum gerungen, ob die griechische Linksregierung ein vernünftiges und realistisches Reformprogramm in die Praxis umsetzt. Im Grunde ging es den Gläubigern im Kern um die Unterordnung unter eine längst gescheiterte wirtschafts- und gesellschaftspolitische Konzeption, die Festigung der konservativen Dominanz und Hegemonie auch um den Preis der Aushebelung von demokratischen Entscheidungen und Handlungsspielräumen.
      Im vorliegenden Denkanstoß analysieren die Autor_innen diese Zusammenhänge und werfen die Frage auf, welche politischen Konsequenzen sich für die plurale Linke in Deutschland und Europa aus den jüngsten Ereignissen ergeben.
      Quelle: Marco Bülow, Lisa Paus, Axel Troost auf Institut Solidarische Moderne
    2. Griechenland: Memorandum of Understanding für ein dreijähriges ESM-Programm
      Interne Arbeitsübersetzung
      Quelle: Sprachendienst BMF [PDF – 197 KB]

      Siehe dazu auch die Schuldentragfähigkeitsanalyse
      (erstellt von den europäischen Institutionen)
      Quelle: Interne Arbeitsübersetzung [PDF – 127 KB]

    3. Eurokrise in der Schule: Kinder, die Griechen sind selbst schuld
      In Schulbüchern kommt die Eurokrise kaum vor. Umso umtriebiger versuchen private Initiativen ihr Unterrichtsmaterial in die Klassen zu bekommen. Eine Auswertung zeigt nun: Die darin vermittelte ökonomische Sichtweise ist extrem einseitig. (…)
      Was zur Krise geführt hat, ist für die Autoren recht eindeutig: Es waren unter anderem die hohen Gehälter in Südeuropa. “In Deutschland etwa fielen die Lohnerhöhungen in den vergangenen Jahren relativ bescheiden aus, Griechen und Spanier konnten sich dagegen über ordentliche Verdienstanstiege freuen”, heißt es in der Unterrichtshilfe.
      Es steht dort wie die einzig wahre und unumstößliche Interpretation, dabei diskutieren Ökonomen durchaus kontrovers über das Thema. Für manche liegt die Krisenursache nicht in Südeuropa, sondern eher in Deutschland: Hätten Arbeitnehmer auch hierzulande in den vergangenen Jahren mehr Lohn bekommen, stünden Spanien und Griechenland heute vielleicht besser da, weil Deutschlands Wettbewerbsvorteil geringer wäre. Doch von solchen Argumenten erfahren Schüler und Lehrer nichts. Kein Wunder: Herausgegeben wird das Material vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
      Der Sozialökonom Till van Treeck von der Uni Duisburg-Essen und sein Mitautor Philipp Kortendiek haben Unterrichtshilfen zur Eurokrise ausgewertet und kommen zu einem ernüchternden Fazit: Die Krise wird in vielen Fällen einseitig dargestellt, schreiben sie in einer Expertise, die SPIEGEL ONLINE vorab vorliegt. Dem IW-Material attestieren die Autoren “eine klare neoklassische Ausrichtung” – also eine Schlagseite zugunsten marktfreundlicher und unternehmensnaher Lösungsansätze. Als ähnlich einseitig empfanden die Duisburger auch eine Broschüre des Schulbuchverlages Schroedel zur Eurokrise und Materialien aus der Reihe “Handelsblatt macht Schule”, die von der Wirtschaftszeitung herausgegeben wird.
      Quelle: Spiegel Online
    4. Das dritte Memorandum: reiner neoliberaler Wahnsinn?
      Die griechische Linksregierung in Griechenland hat sich mit den »Institutionen« – der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) – sowie dem Euro-Rettungsschirm ESM auf eine Grundsatzeinigung über ein drittes Finanzpaket verständigt.
      Griechenland hatte von internationalen Geldgebern bereits zwei Hilfskredite erhalten. Das erste Programm wurde im Mai 2010 aufgelegt und belief sich auf 110 Mrd. Euro. Im März 2012 schnürten die Gläubiger ein zweites Hilfspaket über 165 Mrd. Euro. Das dritte Memorandum sieht neue Kredite im Volumen von bis zu 86 Mrd. Euro vor und wird eine Laufzeit von drei Jahren haben.
      Der größte Teil der neuen Kredite (rund 50 Mrd. Euro) geht für die Umschuldung drauf, das bedeutet mit neuen Krediten werden fällige Schulden getilgt. Außerdem müssen die angeschlagenen griechischen Banken vermutlich mit ca. 25 Mrd. Euro stabilisiert werden. Im Gegenzug zu den neuen Geldern verpflichtet sich Athen zu weiteren Kürzungen im öffentlichen Sektor und Strukturreformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit.
      Bevor Griechenland neue Kredite erhält, müssen etliche politische Hürden überwunden werden. Zunächst muss das griechische Parlament über das dritte Memorandum und die geforderten Reformmaßnahmen abstimmen. Das Hilfspaket muss zudem von den Finanzministern der übrigen 18 Euroländer abgesegnet werden.
      Quelle: Sozialismus aktuell
    5. Schockstarre in Euroland
      Absolute Dominanz: Vier Wochen nach dem Krisengipfel zu Griechenland wagt es in Brüssel niemand mehr, Berlin zu widersprechen.
      Es gibt Ereignisse, die sind so einschneidend, dass man sie lange nicht verarbeiten kann. Der Euro-Gipfel vom 12. und 13. Juli war so ein Ereignis. In einer bedrückenden, fiebrigen Nachtsitzung drückten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht nur Griechenland, sondern der ganzen Eurozone ihren Stempel auf.
      Mit der Drohung, Athen „zeitweise“ aus dem Euro auszuschließen, setzten sie die härtesten Bedingungen durch, die es in der an Pressionen und Diktaten reichen Geschichte der Eurokrise je gegeben hat.
      Seitdem hat sich nicht nur Griechenland erschreckend verändert – von einem stolzen Land, das ein trotziges „Ochi“ wagte, zu einer willenlosen Kolonie der wiederauferstandenen Troika. Ganz Europa wirkt wie gelähmt.
      Die 19 Euroländer haben einem Deal zugestimmt, an denen sie selbst nicht glauben. Der Internationale Währungsfonds ist Teil einer „Rettung“ geworden, die er längst zum Scheitern verurteilt weiß. Doch niemand traut sich noch, Nein zu sagen. Europa steht unter Schock, eine bleierne Starre hat Euroland erfasst.
      Quelle: Eric Bonse in der taz
    6. Mit Tsipras lassen sich soziale Grausamkeiten besser umsetzen
      Wie manche konservative Kommentatoren und Ökonomen den griechischen Ministerpräsidenten lieben lernten
      Der griechische Ministerpräsident Tsipras verliert zumindest in seiner Syriza-Partei an Unterstützung. Dafür findet er neue Anhänger, ausgerechnet in der konservativen FAZ.
      Ja, Griechenland kann es schaffen. Vorbei ist die Zeit des schillernden Giannis Varoufakis mit viel Show und noch mehr Bluff. Die neue Mannschaft von Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich offenkundig ernsthaft an die Arbeit gemacht; ein Lichtblick ist vor allem Finanzminister Euklid Tsakalotos. Mittlerweile hebt sich die Regierung sogar wohltuend von der Anfang 2015 abgewählten Regierung Samaras ab, die gegen Ende ihrer Amtszeit kraftlos war und nichts mehr anpackte.
      Plötzlich wird der Ministerpräsident, der noch vor Wochen als linksradikaler Populist und Gegner Deutschlands galt, zum Hoffnungsträger der FAZ, der sogar die in dem Blatt so umsorgten griechischen Konservativen in den Schatten stellt. Der Grund dafür ist nicht schwer zu finden und wird vom FAZ-Autor auch offen dargestellt: “Die Leute glauben an ihn, und das bietet die Chance, dass selbst harte Einschnitte akzeptiert werden.”
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung JK: Es ist immer das gleiche elende Spiel, vorgebliche linke Parteien werden zu den beflissensten Exekutoren der neoliberalen „Reformen“. Sei es aus ideologischer Verblendung und Opfer massiver Pressekampagnen wie die Agenda-SPD eines Gerhard Schröder oder durch brutale Erpressung wie im Falle der Syriza. Dass Tsipras nun widerspruchslos Maßnahmen umsetzt, die über das hinausgehen, was die korrupten Vorgängerregierungen der PASOK und ND je umgesetzt haben, ist sicher der größte Triumph der Neoliberalen in Brüssel und Berlin. Als Bonbon gibt es noch die Spaltung der Syriza und damit die Schwächung der linken Kräfte mit dazu. Die Schnelligkeit der Wandlung eines Tsipras zu einem Komplizen des Neoliberalismus überrascht allerdings. Leider ist zu befürchten, dass die Situation in Griechenland nicht ohne Folgen gerade für die Podemos bei den im Herbst anstehenden Parlamentswahlen in Spanien bleiben wird.

      Ergänzende Anmerkung JB: Fragt sich allerdings, ob Podemos Rückenwind bekommen hätte, wenn Syriza keine Kompromisse eingegangen und Griechenland von Schäuble und Co. in den unkontrollierten Grexit getrieben worden wäre? Die Schwächung der europäischen Linken ist schließlich eines der, und wenn nicht sogar das, Hauptziel der deutschen Krisenpolitik.

  4. Erschlagen von der schwarzen Null
    Es ist stimmt natürlich, dass die griechischen Regierungen, die bis 2010 an der Macht waren, das Land schlecht regiert haben, dass sie Haushaltsdefizite und Schuldenstände falsch dargestellt haben und dass Griechenland unter falschen Vorzeichen in den Euro gekommen ist. Niemand bestreitet dies. Aber bedenken sie auch: Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die europäischen Gläubiger haben Griechenland ein Reform- und Sparprogramm diktiert, das von der Doktrin des ausgeglichenen Staatshaushalts und Schuldenabbaus geprägt war. Der IWF und die Europäer verlangten (a) tiefe Einschnitte im öffentlichen Sektor, also Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen, (b) eine starke Reduzierung der Renten, (c) eine Senkung des Mindestlohns und die Abschaffung grundlegender Arbeitnehmerrechte, (d) gewaltige Steuererhöhungen und (e) die Privatisierung von Staatsvermögen, was einem Notverkauf gleichkam.
    Zu behaupten, dass dieses Programm Griechenland Wachstum und Wohlstand bringen würde, war durch und durch verlogen. Der IWF ignorierte alle Zweifel, die Experten weltweit geäußert hatten, und sagte voraus, dass die griechische Wirtschaftsleistung durch die Auflagen lediglich um knapp fünf Prozent sinken würde; nach ein oder zwei Jahren sei die Rezession vorbei, spätestens 2012 ginge es wieder aufwärts. Tatsächlich aber brach die griechische Wirtschaft unter den Strapazen zusammen; das Bruttoinlandsprodukt ging um mehr als 25 Prozent zurück, die Wirtschaft erholte sich in fünf Jahren kein bisschen – auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird…
    Die europäischen Gläubiger und der IWF begegneten den griechischen Vorschlägen mit Feindseligkeit, Widerstand und Verweigerung. Die Regierungen von Finnland, den baltischen Staaten und der Slowakei wiesen die griechischen Forderungen aus ideologischen Gründen zurück. Diejenigen aus Spanien, Portugal und Irland lehnten sie aus Angst vor den Auswirkungen auf ihre eigene Politik ab. Italien, Frankreich und die Europäische Kommission zeigten zwar Sympathie für die Wünsche aus Athen, taten aber wenig. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kam schließlich zum Schluss, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder hält sich Griechenland an die vereinbarten Reformen und Sparauflagen, und zwar ausnahmslos an alle, oder das Land muss den Euro aufgeben und vielleicht sogar die Europäische Union verlassen.
    Von Anfang an wurde diese Position von Drohungen begleitet…
    Quelle: James Galbraith in der Süddeutschen Zeitung
  5. Romani Prodi: Lassen wir Deutschland das europäische Projekt nicht grundlegend verändern
    Die griechische Krise kehrt mit dem Beschluss über einen dritten Hilfsplan in unser Bewusstsein zurück. Deutschland aber sträubt sich weiter und bietet den Beobachtern das Bild eines Europas, gespalten darüber, was man tun sollte.
    Nach dem Kompromiss zwischen Griechenland und seinen Partnern der Eurozone vom 13. Juli, freute man sich darüber, dass das Schlimmste vermieden worden war. Leider geht die Unsicherheit weiter. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble soll nämlich bei einer Sitzung der Eurogruppe vorgeschlagen haben, die Machtbefugnisse der Europäischen Kommission zu verringern und die wesentlichen Entscheidungen der Wirtschaftspolitik einer unabhängigen Einrichtung zu übertragen.
    Jean-Claude Juncker hat auf diesen Vorschlag nur zaghaft reagiert. Als ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission empfinde ich es als meine politische und moralische Verpflichtung Position gegen diesen Vorschlag zu beziehen.
    Quelle: Le Monde v. 14. August (nicht im Netz) Übersetzung von Christoph Habermann [PDF – 33 KB]
  6. Paul Krugman: Rumgestümper an Pekings Aktienmärkten
    China wird von einer Partei regiert, die sich zwar kommunistisch nennt, deren wirtschaftliche Realität jedoch eher die einer gierigen Vetternwirtschaft ist. Und alle Welt hat angenommen, dass die führenden Politiker des Landes das natürlich wissen und nicht so töricht sind, ihre gelegentliche sozialistische Rethorik ernst zu nehmen.
    Doch ihre Zickzack-Politik der letzten Monate ist beunruhigend. Kann es sein, dass Peking nach all den Jahren immer noch nicht weiß, wie dieses “Märkte“- Ding funktioniert?
    Zum Hintergrund: Chinas Wirtschaft ist extrem unausgewogen und verwendet einen äußerst geringen Teil des Bruttoinlandsproduktes für den Konsum und einen sehr großen für Investitionen. Das war tragbar, solange das Land sein extrem schnelles Wachstum beibehalten konnte; Dieses Wachstum aber verlangsamt sich zwangsläufig, weil Chinas Überschuss an Arbeitskräften sinkt. Also sinken auch die Investitionserträge schnell.
    Der Ausweg liegt in geringeren Investitionen und höherem Konsum. Doch um das zu
    schaffen, braucht man Reformen, die die Früchte des Wachstums breiter verteilen und den Familien mehr Sicherheit bieten. Und obwohl China schon einige Schritte in diese Richtung unternommen hat, bleibt da noch viel zu tun.
    Quelle: New York Times
  7. EU-Statistikbehörde stellt EU-Kommission, EZB und Bundesregierung schlechtes Zeugnis aus
    Wann werden die Verantwortlichen, die an den entscheidenden politischen Schalthebeln sitzen, wenigstens ihrer eigenen Statistikbehörde die gebotene Aufmerksamkeit schenken und die richtigen wirtschafts und sozialpolitischen Schlussfolgerungen daraus ziehen? Diese Frage legt zumindest ein Blick auf die aktuellsten Pressemitteilungen von Eurostat nahe.
    Die jährliche Inflationsrate zeigt: die Europäische Währungsunion (EWU) bewegt sich am Rand zur Deflation. Die vierteljährliche Wachstumsrate zeigt: die EWU bewegt sich am Rand zur Rezession. Die jährliche Wachstumsrate zeigt: Das Wachstum in den USA liegt fast doppelt so hoch wie in der EWU. Die Industrieproduktion ist gefallen, die Einzelhandelsumsätze sind gefallen. Das Schlimmste aber: die Arbeitslosigkeit liegt seit Jahren schon auf einem erschreckend hohen Niveau. Die Arbeitslosenquote in der EWU liegt mehr als doppelt so hoch wie in den USA. Dass dies kein Zufall ist, sondern Ergebnis unterschiedlicher, ja, entgegengesetzter Wirtschaftspolitiken, belegen wir seit langem in unseren ausführlichen Analysen.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  8. Verhandlungen zu Freihandelsabkommen: Brüssel verteidigt schärfere Geheimhaltung bei TTIP
    Wer WikiLeaks Geheimdokumente aus den Verhandlungen zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP zuspielt, kann dafür künftig auch Geld bekommen. Die Enthüllungsplattform startete in der vergangenen Woche extra eine Crowdfundingkampagne. Doch auch ohne die Belohnung sind zuvor immer wieder vertrauliche Informationen durchgesickert. Sehr zum Ärger der Verhandlungspartner.
    Denen reicht es nun offenbar: Die EU-Kommission verschärft die Geheimhaltung zu den Verhandlungen. So wurde der vertrauliche Bericht über die zehnte Gesprächsrunde mit den Amerikanern nicht mehr an die EU-Mitgliedstaaten verschickt, sondern ist für Beamte und Politiker nur in einem sicheren Leseraum in Brüssel einsehbar. Die Entscheidung der schwedischen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wird von Verbraucherschützern und Politikern kritisiert.
    Quelle: Spiegel Online

    Dazu: TTIP-Geheimhaltung empört Abgeordnete
    Eines der Hauptprobleme beim EU-US-Freihandelsabkommen TTIP ist, dass niemand so genau weiß, worüber derzeit im Detail verhandelt wird. Die Gespräche sind geheim. Es ist diese Verschlossenheit, der Mangel an Informationen, der viele Kritiker auf die Palme bringt. Deutsche Politiker sind nun ebenfalls verärgert, da die EU-Kommission die Geheimhaltung der Dokumente erneut verschärft hat.
    Der Handelsausschuss der EU, in dem auch ein deutscher Vertreter sitzt, hatte von der EU-Kommission die Mitteilung bekommen, der Bericht der zehnten Runde werde nicht mehr an die Mitgliedsstaaten verschickt. Wollen Beamte oder Politiker wissen, worüber die EU mit den USA Mitte Juli gesprochen hat, müssen sie nach Brüssel fahren und in den Leseraum gehen. Nur Papier und Bleistift sind erlaubt, keine elektronischen Geräte.
    Das Recherchebüro Correctiv veröffentlichte Auszüge aus dem Bericht des deutschen Ausschussmitglieds. Darin ist als Begründung für die Anweisung von EU-Kommissarin Cecilia Malmström zu lesen: “Die Verantwortung hierfür trügen die MS, in denen die ‘Leaks’ entstanden seien. So gäbe es MS (gemeint offensichtlich DEU), bei denen die Verhandlungsdokumente an Datenbanken ihrer nationalen Parlamente übermittelt würden. Damit hätten Hunderte von Personen faktisch unkontrollierbaren Zugang zu diesen Dokumenten. Es sei offensichtlich, dass hierdurch die Gefahr von ‘Leaks’ beträchtlich erhöht werde.” Mit MS werden Mitgliedsstaaten abgekürzt, mit DEU ist Deutschland gemeint.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung unseres Lesers S.L.: Damit hätten Hunderte von Personen faktisch unkontrollierbaren Zugang zu diesen Dokumenten. Ja, immer noch viel zu wenige, denn es betrifft uns alle. Unglaublich, was da passiert. Informationssperren, Verschärfungen etc.- und natürlich: kein Widerstand von CDU und SPD!. Beschämend, einfach beschämend. Das stellt sogar das alte DDR-System in den Schatten -lach- … Nein, es ist nicht mehr lustig. Der Grund dürfte klar sein. Wenn doch das TTIP so gut für uns ist, müßten wir uns dann nicht freuen?

  9. Publikationshinweis: Länderbezogene Berichtspflichten im Bankensektor decken systematische Gewinnverschiebung auf
    Während zivilgesellschaftliche Organisationen weiterhin für die Einführung von öffentlich zugänglichen länderbezogenen Berichtspflichten (Country-by-country-reporting) für Unternehmen in allen Branchen kämpfen, liegen solche Daten seit kurzem für den europäischen Bankensektor vor. Die Capital Requirements Directive (CRD, zu Deutsch: Kapitaladäquanzrichtlinie) IV, die als Reaktion auf die weltweite Finanzkrise verabschiedet wurde, verpflichtet europäische Banken dazu, Angaben u.a. zu Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter, Gewinn oder Verlust vor Steuern, Steuern auf Gewinn oder Verlust und erhaltene staatliche Beihilfen zu machen – aufgeschlüsselt nach Ländern, in denen diese Banken Niederlassungen unterhalten.
    Aufbauend auf diesen Daten hat Tax Research UK nun eine Studie veröffentlicht, die die Steuerpraktiken der wichtigsten Banken der EU analysiert. Wenig überraschend findet der Autor, Richard Murphy, deutliche Hinweise für systematische Gewinnverschiebung durch die untersuchten Banken. Dabei werden Gewinne in Niedrigsteuerländern tendenziell zu hoch ausgewiesen, während in den Ländern, in denen die eigentlichen Umsätze erzielt werden, Gewinne eher zu niedrig angesetzt sind. (…)
    Nichtsdestotrotz bleibt die Grundbotschaft bestehen: Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer findet im europäischen Bankensektor systematisch statt. Länderbezogene Berichtspflichten erweisen sich dabei als wirksame Maßnahme um die aggressive Steuerplanung von Unternehmen aufzudecken.
    Quelle: blog steuergerechtigkeit
  10. Zeitverträge: Folgt den Boomjahren ein Nachlassen des Befristungswahns?
    In der vorletzten Woche hatte Süddeutsche.de gute Nachrichten für alle prekär Beschäftigten: laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes soll der Anteil der befristeten Stellen in den letzten Jahren zurückgegangen sein. Tatsächlich gibt es erste Anzeichen für ein Nachlassen des Befristungswahns. Die angeführte Statistik aber ist irreführend und wird der Problematik nicht gerecht.
    Befristete Beschäftigung hat seit Mitte der 1990er Jahre und besonders seit dem Jahr 2004 einen regelrechten Boom erlebt. Nach Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf Basis des IAB-Betriebspanels 2013 ist die Zahl der befristeten Arbeitsverträge zwischen den Jahren 1996 und 2012 von etwa 1,3 auf über 2,7 Millionen gestiegen. Von 2003 bis 2012 stieg der Anteil befristet Beschäftigter an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 6,2 auf 9,5 Prozent. Gemessen an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung stieg ihr Anteil von 5,0 auf 7,6 Prozent.
    Seitdem aber soll sich alles zum Besseren gewendet haben. Nach den kürzlich vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Zahlen geht der Anteil der befristet Beschäftigten an allen 25 Jahre und älteren abhängig Beschäftigten bereits seit 2011 zurück. Gemäß den der Nachricht zugrunde liegenden Berechnungen aus der Arbeitskräfteerhebung sank die Befristungsquote von 8,9 Prozent im Jahr 2011 kontinuierlich auf 8,1 Prozent in 2014.
    Quelle: Markus Krüsemann auf annotazioni
  11. Gratisarbeit? Gerne!
    Dienstreisen buchen, Möbel aufbauen, Pakete abholen, Bankgeschäfte erledigen: Warum wir bereitwillig immer mehr unbezahlte Jobs übernehmen und es noch nicht einmal merken.
    Wie gut er die Menschen durchschaut, hat Mark Twain immer wieder bewiesen, auch im Roman “Die Abenteuer des Tom Sawyer”. Tom wird zum Weißeln des Gartenzauns verdonnert, an einem heißen Samstagnachmittag. Widerwillig legt er los. Die Nachbarskinder sind auf dem Weg zum Baden und machen sich über seine Strafarbeit lustig. Da dreht Tom den Spieß um. Er erklärt ihnen, was für ein Privileg das Zaunstreichen ist, wie viel Verantwortung und Kunstfertigkeit darin stecken. Am Ende weißeln die Nachbarskindern den Zaun, einige geben ihm dafür sogar Geld, und Tom schreitet zufrieden zum See. Er hat erreicht, was er wollte, indem er “Arbeit” neu definierte: Weißeln ist keine Pflicht mehr, sondern eine Spaßaktion. Aus Arbeiten macht er Spielen, also genau das, was die Kinder im Sinn hatten.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  12. Pkw-Maut: EU-Verfahren könnte zur Belastung aller Autofahrer führen
    Ist die geplante Pkw-Maut doch EU-rechtskonform? Am 13. August 2015 wird die Bundesregierung eine erste Chance erhalten, die Argumente der Kommission zu entkräften. Diese hatte nach einjähriger Diskussion mit dem Bundesverkehrsministerium am 17. Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Viele haben von Anfang an bezweifelt, dass die Pkw-Maut konform zum EU-Recht ist. Der Grund: Inländer sollen die Maut-Abgabe über eine niedrigere Kfz-Steuer erstattet bekommen, sodass das Vorhaben unterm Strich nur ausländische Fahrer belastet. Sollte es die Bundesregierung auch in einem zweiten Anlauf nicht schaffen, die Vorwürfe zu widerlegen, könnte ein anschließender Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Pkw-Maut in der aktuell vorgesehenen Form stoppen. (…)
    Vieles spricht für einen Stopp der Pkw-Maut-Regelungen: Selbst ein Auftragsgutachten des Bundesverkehrsministeriums konnte nicht hinreichend widerlegen, dass eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegen könnte. Eine solche mittelbare Diskriminierung wäre ein Verstoß gegen zentrale Prinzipien der EU. Wenn der EuGH aber die Pkw- Maut aufhalten sollte, bleibt die Frage, was genau untersagt wird. Naheliegend ist, dass der EuGH letztlich nur die Absenkung der Kfz-Steuer zur Entlastung der deutschen Autofahrer als europarechtswidrig ansieht. Logische Konsequenz wäre, dass die Infrastrukturabgabe von allen – auch von Inländern – per Saldo zu zahlen wäre. Dies würde eine weitere Belastung von Wirtschaft und Verbrauchern in Höhe von drei Milliarden Euro bedeuten. Der DIHK fordert die Politik auf, Wort zu halten und eine solche Folge auf jeden Fall zu vermeiden. Spannend ist auch das Timing des EuGH-Prozesses: Wenn das Urteil noch vor der nächsten Bundestagswahl kommt,
    würde die Diskussion über die drohende Zusatzbelastung in den Wahlkampf 2017 fallen.
    Quelle: DIHK

    Anmerkung JB: Die alte Taktik: Die Bundesregierung will die Bürger belasten, aber dafür nicht selbst die Verantwortung übernehmen. Darum konstruiert man ein Gesetz, dass über Brüssel laufen muss. Und am Ende kann man die EU verantwortlich machen. Wen wundert es da noch, dass die Deutschen mit der EU nur negative Sachen verbinden?

  13. Flüchtlinge
    1. Breite Opposition gegen de Maizière
      Die Überlegungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Leistungen von Asylbewerbern möglicherweise zu kürzen, sind auf Widerspruch von Linken und Grünen, aber auch des Koalitionspartners SPD gestoßen. „Das kommt für uns überhaupt nicht infrage“, sagte der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, der Frankfurter Rundschau. „Denn das läuft nach dem Motto der CSU, die Abschreckung möglichst hoch zu schrauben in der Erwartung, dass dadurch weniger Flüchtlinge zu uns kommen.“ Er fügte hinzu: „Das hat mit Willkommenskultur nichts zu tun.“ (…)
      Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, teilte mit, er halte es „nicht für richtig, Menschen zu drangsalieren, in der Hoffnung, dass sie dann erst gar nicht mehr den Weg nach Deutschland suchen.“ Entscheidend sei, die Bearbeitungszeiten von Asylanträgen deutlich zu beschleunigen. (…)
      Früher erhielten Flüchtlinge überwiegend Sachleistungen, an deren Stelle in den letzten Jahren zunehmend Geldleistungen getreten sind. Würde sich de Maizière durchsetzen, käme dies einer abermaligen Kehrtwende gleich.
      Dabei steht er im Kabinett nicht allein. Eine Sprecherin von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte, dass es Gespräche über die Korrektur von Leistungen gebe. Zwar hätten Geldleistungen Vorrang. Das Bundesverfassungsgericht habe die Frage des Vorrangs gleichwohl juristisch offen gelassen.
      Quelle: Frankfurter Rundschau

      Dazu: Harsche Kritik an de Maizière
      Einschnitte bei den Leistungen für Flüchtlinge lehnt die Opposition ab. Sie kritisiert den Vorstoß von Bundesinnenminister de Maizière, Flüchtlingen mehr Sachleistungen statt Bargeld zu geben. Auch die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Özoguz, kritisiert den Vorschlag als eine “Scheinlösung”.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung C.R.: Weiß die linke Hand der SPD eigentlich noch, was ihre rechte Hand unternimmt? Es kann der Eindruck entstehen, dass die SPD beim Thema Flüchtlinge ohne Konzept ist – wie bei vielen anderen Themen auch. Dabei erhebt gerade diese Partei den Anspruch, Programmpartei zu sein.

    2. Einsatz im Mittelmeer: Bundeswehr erstellt Profile von Flüchtlingen
      Mehr als 2000 Menschen sind in diesem Jahr bereits im Mittelmeer gestorben. Die Bundeswehr beteiligt sich an einer EU-Mission, für die sie nach Informationen des SPIEGEL Daten der Flüchtlinge sammelt. Auch der BND ist beteiligt.
      Die Bundeswehr erstellt umfangreiche Personenprofile von Flüchtlingen, die sie im Mittelmeer aufgreift. Dazu wurden nach Informationen des SPIEGEL vier Soldaten der Feldnachrichtentruppe zur EU-Krisenoperation “European Union Naval Force – Mediterranean” (EUNAVFOR MED) abkommandiert, an der die Deutsche Marine beteiligt ist. Die Soldaten befragten “grundsätzlich alle” Flüchtlinge nach Namen, Alter, Wohnort, Beruf und Passdaten, außerdem sollen auch die letzten Aufenthaltsorte und Transitwege in Erfahrung gebracht werden, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. (…)
      Die Angaben der Flüchtlinge werden in einer Datenbank gespeichert und könnten in einer späteren Phase der Militäroperation im Mittelmeer von großer Bedeutung sein: Die EU-Mitgliedstaaten erwägen, Schlepperboote in nordafrikanischen Häfen zu zerstören und eventuell sogar Bodentruppen zu entsenden. Auch der Bundesnachrichtendienst ist in die Militäroperation eingebunden: Er habe ein “Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen bereitgestellt”, heißt es.
      Weitere Einzelheiten will die Regierung unter Verweis auf das “Staatswohl” nicht offen mitteilen. Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko reagiert skeptisch: “Der Einsatz von Militär und Geheimdiensten ist geeignet, die europäische Migrationspolitik weiter zu eskalieren.” Es wäre besser, die zivile Seenotrettung zu fördern.
      Quelle: Spiegel Online
    3. Regierung erklärt Krise für beendet
      Seit Tagen sorgt der Versorgungsnotstand von Flüchtlingen in Trier für Schlagzeilen – doch jetzt hat die Landesregierung die Krise für beendet erklärt: Für jeden Flüchtling stehe im Land ein Bett bereit, heißt es.
      Binnen einer Woche habe das Land mehr als 1.000 zusätzliche Plätze in Hermeskeil, Hahn und Ingelheim geschaffen, erklärte Staatssekretärin Margit Gottstein (Grüne) am Freitag. Am Donnerstag seien 166 Flüchtlinge von Trier nach Hermeskeil (Kreis Trier-Saarburg) gebracht worden, wo sie in Großzelten unterkamen.
      In den vergangenen Tagen hatten etliche Flüchtlinge keinen Platz mehr in der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) gefunden. Sie mussten daraufhin zum Teil in einem nahegelegenen Park übernachten. Am Donnerstagabend warteten draußen vor der AfA immer noch dutzende Flüchtlinge mit Matratzen. Viele wirkten verunsichert, wussten nicht, wo und wie sie untergebracht werden sollen und wie es für sie dort weitergeht mit dem Asylverfahren. Freiwillige Helfer versuchten, Fragen zu beantworten. Sie kritisierten, dass dafür kein Personal der Aufnahmeeinrichtung da sei.
      Gegen 21.00 Uhr fuhren zwei Reisebusse mit rund hundert Flüchtlingen nach Hermeskeil zu den neuen Großraumzelten. Als es gegen Mitternacht zu regnen begann, verbrachten trotzdem noch einige Flüchtlinge die Nacht vor der Trierer Aufnahmeeinrichtung im Freien, mit Planen geschützt oder unter Gebäudevorsprüngen.
      Quelle: SWR

      Anmerkung C.R.: Es ist zu hoffen, dass diese Aussagen der Landesregierung keine leeren Versprechungen und nicht dem Umstand des bevorstehenden Wahlkampfes geschuldet sind.

  14. Bundeswehr rein? Nein! Bundeswehr raus aus Mali!
    Die Bundesregierung plant, noch mehr Bundeswehrsoldaten in das krisengeschüttelte westafrikanische Mali zu entsenden. Im Rahmen einer Aufstockung der bisher noch recht kleinen deutschen Beteiligung am UN-Einsatz MINUSMA will man nun auch ins Kampfgebiet im Norden des Landes. Damit droht Deutschland, nach Afghanistan in einen weiteren Kriegseinsatz zu gehen, dessen Konsequenzen katastrophal sein könnten.
    Bisher hat sich Deutschland fast ausschließlich auf nicht ganz so gefährliche Einsätze im recht friedlichen Süden des Landes oder auf Auftankhilfe für französische Militärjets in der Luft beschränkt. Anfang August hat Deutschland die Führung der europäischen Ausbildungs- und Trainingsmission EUTM übernommen. Darüber hinaus führt Deutschland die europäische Polizeiausbildungsmission in der Region (EUCAP Sahel). Die Bundesregierung spricht bei all diesen Einsätzen von einem „Schwerpunkt deutschen Engagements in Afrika im Rahmen des vernetzten Ansatzes“.
    Die Bundesregierung fährt einen gefährlichen Geisterkurs in Mali, der endlich gestoppt werden muss. Die Strategie, die Krise mit militärischen Mitteln zu lösen, hatte nie Aussichten auf Erfolg und ist gescheitert.
    Quelle: Die Freiheitsliebe
  15. Amerikas Politiker – Aus Prinzip verantwortungslos
    Amerikas kompromittierte Politiker haben nichts zu befürchten: In Washington genießen Menschen wie Paul Wolfowitz, der politische Architekt des Irakkriegs, ein entspanntes Privatleben. Ihre Fehler muss die Welt ausbaden…
    Ohne meinen Mitschwimmer Wolfowitz also ins Gespräch zu ziehen, kam mir doch ein pikanter Gedanke: Wie wäre es, wenn dieser Mann nicht das Privileg der amerikanischen Staatsbürgerschaft genießen würde? Was wäre, wenn er stattdessen zum Beispiel Serbe wäre? Unter solchen Vorzeichen könnte er wohl in keinem öffentlichen Schwimmbad der zivilisierten Welt das Privileg für sich in Anspruch nehmen zu baden. Denn wäre Wolfowitz Serbe, hätte er wohl heutzutage eine Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen sich laufen. So, wie es im Fall von Milosević und anderen der Fall ist. Die Vereinigten Staaten haben aber bekanntermaßen die Konvention zur Einrichtung des Strafgerichtshofs nicht unterzeichnet, um ihre Amtsträger just vor solchen Zugriffen zu schützen.
    Paul Wolfowitz selbst stellt gar nicht das eigentliche Problem dar, er ist vielmehr ein Symptom dafür. Warum ist es bei allem Gerede in den Vereinigten Staaten über die Unentbehrlichkeit von Eigenverantwortung als gesellschaftlichem Organisationsprinzip zugleich so, dass wir unseren Staatsbürgern Straflosigkeit zugestehen, wenn es um das Wirken im öffentlichen Raum geht? Der Anwendungsbereich für diese sonderbare amerikanische Doktrin reicht dabei weit über Fragen des Krieg-vom-Zaune-Brechens hinaus. Bedenken wir nur die folgenden sechs Tatbestände…
    Einerseits reicht der lange Arm des amerikanischen Gesetzes glücklicherweise so weit, dass weltweit Fifa-Funktionäre, gleich welcher Herkunftsnation, vor den amerikanischen Kadi gebracht werden können. Andererseits können Wolfowitz, Cheney oder Rumsfeld, die vergleichsweise weit mehr Dreck am Stecken haben, weiterhin frei herumtollen.
    Quelle: Stephan G. Richter in FAZ.Net
  16. Altmaier versucht Vertuschungstricks der Bundesregierung zu rechtfertigen
    “Es ist schon erstaunlich, welche sprachlichen Verrenkungen die Bundesregierung unternehmen muss, um ihre Vertuschungstaktik zu rechtfertigen. So spricht Kanzleramtsminister Peter Altmaier davon, dass der NSA-Untersuchungsausschuss die Vertrauensperson eingesetzt habe. Dies stimmt so aber gar nicht. Die Bundesregierung selbst hat Herrn Dr. Graulich beauftragt, wie dieser selbst mehrfach deutlich gemacht hat. Die Obleute der großen Koalition im Ausschuss haben ihren entsprechenden Benennungsvorschlag deshalb auch kosmetisch so behandelt, dass sie sich (lediglich) vorbehalten, im Anschluss an die Arbeit von Herrn Dr. Graulich vielleicht noch weitere Maßnahmen ergreifen zu wollen. Es wird sich zeigen, was dies dann sein soll”, erklärt Martina Renner, Obfrau der Fraktion DIE LINKE, zu entsprechenden Äußerungen von Kanzleramtsminister Peter Altmaier gegenüber Spiegel Online. Renner weiter:
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  17. Cortana und Bing telefonieren nach Hause
    Erst vor wenigen Tagen hatte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Microsoft 10 als regelrechte „Abhöranlage“ bezeichnet. Viele der Schnüffelfunktionen kann der Nutzer zwar in den Datenschutzeinstellungen abschalten, doch offenbar spioniert das Betriebssystem auch dann einfach weiter.
    Gerade einmal zwei Jahre ist es her, da sorgte Microsoft für große Empörung. Damals brandmarkten Datenschützer die Spielkonsole Xbox One aufgrund der mitgelieferten Kamera “Kinect” als ausgewachsenes Überwachungsgerät. Ja, es war sogar die Rede von einem Wiedergänger des “Telescreens” aus George Orwells dystopischen Überwachungsroman “1984”.
    Windows 10 schnüffelt munter weiter
    Offenbar hat der Softwaregigant aus Redmond aus der damaligen Kritik nichts gelernt: Windows 10 steht schon seit Tagen in der Kritik, da das Betriebssystem als besonders datenhungrig gilt. Und um die Schnüffelei einzudämmen, muss sich der Nutzer erst einmal ausgiebig mit den Datenschutzeinstellungen beschäftigen. Doch sogar, wenn er genau das tut, telefoniert Windows trotzdem nach Hause, das hat das Techblog Ars Technica herausgefunden.
    Quelle: BR

    Anmerkung C.R.: Die NachDenkSeiten haben auf die Gefahren, die von Windows 10 offenbar ausgehen, hingewiesen: Verbraucherzentrale RP warnt vor Windows 10 – Computer wird zur Datenschutzfalle.

    Ergänzende Anmerkung JB: Es sind natürlich nicht nur Microsoft-Produkte, die „nach Hause telefonieren“. Wenn Sie auf Ihrem iPhone oder Android-Smartphone die Spracherkennung nutzen, werden Ihre Worte „natürlich“ auch in die Rechenzentren von Apple und Google geschickt. Vereinfacht kann man sagen, dass jede Software, die eine aktive Internetverbindung benötigt, um zu funktionieren, auch „nach Hause telefoniert“. Der Umkehrschluss, dass Software, die keine permanente Internetverbindung benötigt, nicht „nach Hause telefoniert“, ist übrigens nicht gestattet. Wenn Sie einen traditionellen Rechner nutzen, haben Sie übrigens über eine Software-Firewall eine – wenn auch nie perfekte – Kontrolle darüber, welche Software über offene Schnittstellen mit dem Netz kommuniziert. Mac-OS-Nutzern kann ich da das österreichische Produkt „Little Snitch“ empfehlen. Aber sicher gibt es auch für Windows ordentliche Alternativen. Wenn Sie vom Fach sind, schreiben Sie uns doch bitte und wir werden in den kommenden Hinweisen eine kleine Softwareliste zusammenstellen.

  18. Rezensionen und Interviews zu Jens Bergers Buch „Der Kick der Geldes“
    1. Der Fan kann sich die Ticketpreise kaum noch leisten
      Jens Berger im Gespräch mit Dieter Kassel
      Quelle: Deutschlandradio Kultur
    2. Jens Berger zu Gast bei SWR1 Leute
      Quelle: SWR
    3. Alle zahlen für das Geschäft mit dem Ball
      Profifußball ist ein gnadenloses Milliardengeschäft. Dabei verdienen wenige – und fast alle halten es am Laufen. Ob sie wollen oder nicht. [..,]
      Für viele Probleme bietet Berger Vorschläge, wie einzelne Missstände zu beheben sind, der »gute Fußball im Schlechten« zu stärken wäre. Allerdings kann auch er in der Hauptsache nur den Blick auf die vielen Fehlentwicklungen lenken, denn bis jetzt boomt der Profifußball weiter – und wird nicht nur von den Fans, sondern von allen bezahlt.
      Quelle: Neues Deutschland
    4. Fußball – Riesengeschäft auf Kosten der Fans
      Die Fußball-Bundesliga startet in die neue Saison. Zum Saisoneröffnungsspiel erwartet der deutsche Rekordmeister FC Bayern München den Hamburger SV. Vor 30 Jahren war das eine Begegnung zweier Topclubs auf Augenhöhe, heute ist es ein ungleiches Duell: Hier die absoluten Giganten aus München, dort ein abstiegsbedrohter Traditionsclub. Die Begegnung ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im deutschen Fußball. […]
      Berger schreibt in seinem Buch nicht nur über den deutschen Fußball. Er blickt auch ins europäische Ausland und in die Verbandsstrukturen von FIFA und UEFA. Er scheut dabei in seinem Schreibstil nicht vor Polemik und vor gelegentlichen Plattitüden zurück. Inhaltlich aber ist sein Buch absolut Champions-League-würdig – empfehlenswert nicht nur für Fußballfans, sondern auch für Sportjournalisten!
      Quelle: NDR
  19. Zu guter Letzt: Geldgeber
    Geben ist eine einseitige Handlung, sie erwartet keine Gegenleistung, zumindest keine materielle. Nicht umsonst steht in der Apostelgeschichte der Bibel: „Geben ist seliger denn Nehmen.“ Alles, was der Geber erhält, ist die Freude daran, einem anderen geholfen zu haben. Der oder die G. jedoch geben sich mit dieser Freude nicht zufrieden. Sie geben ihr Geld nur an arme Regierungen her, wenn sie anschließend dafür noch mehr Geld von ihnen zurückbekommen – als Zinsen. Sie geben das Geld also nicht, sie verleihen es in Form von Krediten. G. ist ein Euphemismus, eine Beschönigung, die andeuten soll, dass hier jemand beschenkt wird. Dabei bekommt der bereits heftig verschuldete Nehmer in dieser Beziehung nur neue Schulden. Der Ausdruck wird sicher oft aus Gedankenlosigkeit verwendet – weil ein Synonym für „Bank“ gesucht ist oder ein Sammelbegriff für all die Organisationen und Gruppen, die an den Problemen in Griechenland beteiligt sind. Doch damit entsteht eine hinterhältige Verschleierung. Sie verbirgt nicht nur die Kredite, sondern auch die Namen derjenigen, die von diesen Krediten profitieren. Das lässt sich sogar noch steigern. Kapitalgeber entfernt sich mit dem Synonym für Vermögen noch ein Stück weiter von der wahren Handlung und der Tatsache, dass es hier ums Geldverdienen geht.
    Quelle: Neusprech

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!