Handlanger der Konservativen

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An der simplen Frage, ob die gegen den hessischen Ministerpräsidenten Koch im Wahlkampf angetretene Andrea Ypsilanti im neu gewählten Landtag als Ministerpräsidentin kandidieren soll oder darf, entzünden sich seit der Hessenwahl immer heftigere Attacken der Schröderianer in der SPD gegen die Linke und gegen Kurt Beck. Diese Angriffe werden unterstützt, ja sogar inszeniert durch eine beispiellose Medienkampagne.
Der durch diese Kanonade erzeugte Pulverdampf versperrt die Sicht auf die tatsächlichen Kampflinien: Es geht um den geradezu hysterischen Kampf für die Fortsetzung einer von einer größer werdenden Mehrheit abgelehnten Politik. Wolfgang Lieb

Da wird aus allen Rohren das Feuer auf den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck eröffnet, nur weil dieser in einem vertraulichen Hintergrundgespräch, um Druck auf die FDP für eine Koalition mit rot-grün auszuüben, vage angedeutet hat, dass die SPD nicht bloß zusehen könne, wie der CDU-Amtsinhaber Roland Koch einfach weiterregiert. Dafür wird er in den konservativen, die veröffentlichte Meinung dominierenden Medien zum Abschuss freigegeben.

Vornedran wie immer, wenn es um die Verteidigung des konservativen Machtkartells geht, die BILD-Zeitung:

„Beck soll weg“ hieß es schon am Hamburger Wahlsonntag in Bild am Sonntag

Am Tag nach der Wahl in Hamburg, am 25. Februar, wo es die Linke zum dritten Mal innerhalb von kurzer Zeit in ein Länderparlament geschafft hatte, erklärt BILD zunächst Oskar Lafontaine zum „Staatsfeind“:
„Macht Lafo Deutschland unregierbar?“ stand in Balkenlettern unter einem zur teuflischen Mephisto-Fratze verfremdeten Porträt.

Schon einen Tag später änderte man bei Springer die Strategie, weil man offenbar erkannte, dass linke Regierungsmehrheiten nur dadurch verhindert werden können, dass die SPD davon ja bloß keinen Gebrauch macht. Also wurde die SPD und ihr Vorsitzender ins Visier genommen:

  • „SPD beschließt Wortbruch“, hieß es unter einem Foto, auf dem nun Kurt Beck ziemlich unsympathisch abgelichtet war.

Und so ging es Tag für Tag weiter:

  • „Nach Wortbruch. Aufstand der SPD gegen Beck!“ (27. Februar)
  • „Die SPD darf mit der Linken gar nichts machen!“ (28. Februar), taucht der zwischenzeitlich von der Bildfläche verschwundene Klaus von Dohnannyi wieder auf.
  • „Abrechnung mit Kurt Beck“ (29. Februar), wird seitenlang aus einem sicherlich nicht zufällig der Presse zugespielten Fax des Schröderianers Michael Naumann zitiert, indem dieser sein eigenes Versagen Kurt Beck in die Schuhe zu schieben versucht.
  • Unter der Überschrift „Wie lange hält Beck noch durch?“ wird am 1. März über Becks Nachfolger spekuliert.
  • „SPD plant Putsch gegen Beck“ heißt es in Bild am Sonntag vom 2. März. Steinbrück, Platzeck und Müntefering, wollten laut „Spiegel“ Steinmeier als Kanzlerkandidat ins Rennen schicken.

BILD spielt allerdings nur den „Stürmer“ in dieser Hatz. „Hat Kurt Beck der SPD geschadet?“ mit dieser wichtigsten Frage der Wahlsendungen von ARD und ZDF gab der öffentlich-rechtliche Fernsehjournalismus schon am Hamburger Wahlabend den Ton vor. Auch die anderen Springer-Zeitungen, der Spiegel, Focus oder die Zeitungen der WAZ-Gruppe (des Clement-Spezis Bodo Hombach) und des DuMont-Verlages (v.a. der Kölner Stadt-Anzeiger) reihten sich als Treiber in dieser Treibjagd ein – und die meisten anderen Medien agierten ähnlich oder plapperten wie üblich nach.

Selbst die alten „Kanalarbeiter“ Hans Apel, Herrmann Rappe oder Friedhelm Farthmann wurden als Stichwortgeber gegen Kurt Beck aus der Versenkung geholt. Der rechte „Seeheimer Kreis“ der SPD, der jeden Rechtsschwenk der SPD und jeden Wortbruch von Schröder gegenüber seinen Wahlversprechen verteidigte, wurde gerade zu zum Fähnlein der Aufrechten innerhalb der Sozialdemokratie erhoben. Und der niedersächsische Landeschef Garrelt Duin, der gegen den Vorstandsbeschluss gestimmt hatte, wurde wohl noch nie so oft interviewt, wie in den letzten Tagen. Wie er sich die Wahlniederlage seiner SPD in Niedersachsen erklärt, wurde er dabei selbstverständlich nicht mehr gefragt.

Dass gerade Wolfgang Clement, der schon vor der Hessenwahl Andrea Ypsilanti und der SPD in den Rücken gefallen war, in seiner Kolumne in der Welt am Sonntag Beck „Vertrauensbruch“ vorwirft, ist nur ein typischer Beleg für die Scheinheiligkeit in dieser Debatte.

Der Spiegel, die FAZ sowieso, aber auch die Frankfurter Rundschau boten sich willig an, der SPD-Rechten Plattformen für Ihre Kritik an Beck und für die Ausgrenzung der Linken zu schaffen.

Und wenn das immer noch nicht reicht, lässt man sich die eigene Stimmungsmache noch durch Umfrageergebnisse bestätigen, die einen Ansehensverlust für Beck messen.

Obwohl er den Vorstandsbeschluss selbst mit beschlossen hatte, wonach es den Landesverbänden – wie in der Vergangenheit – freigestellt bleiben sollte, mit wem sie koalieren oder kooperieren möchten, durfte Steinbrück in der FR kundtun, dass dieser Beschluss „keine abschließende Antwort auf den Umgang mit der Linkspartei“ sei und dass er es für falsch hält „sich in Hessen von der Linkspartei auch nur dulden zu lassen.“ Obwohl er sich noch wenige Tage zuvor im Wortsinne an die Seite des Vorsitzenden stellte, trat er nun gegen Kurt Beck nach und kritisierte dass „eine solche Entwicklung intern besser kommuniziert und vorbereitet werden“ müsse.
Quelle: Spiegel

Wer aus dem rechten Lager der SPD nicht offen gegen jede Form der Kooperation mit der Linken und damit gegen die Option einer linken Mehrheit einzutreten wagte, konnte zumindest seinen Mütchen am angeblich falschen Zeitpunkt für eine solche Diskussion kühlen. Dafür hat Kurt Beck schon am Wahlabend Abbitte tun müssen und an dieser Kritik ist immerhin soviel dran, dass wenn Kurt Beck tatsächlich für Hessen an die Option der Wahrnehmung einer linken Parlamentsmehrheit gedacht hätte, er dieses ehrlicherweise hätte schon andeuten müssen, als erkennbar war, dass die Linke in den Hessischen Landtag kommen würde und die SPD nicht stärkste Partei werden konnte. Dass er das sehenden Auges nicht vorher getan hat und erst nach dem Wahlausgang ins Spiel brachte, ist ein ziemlich klarer Beweis dafür, dass er nur einen aussichtslosen Erpressungsversuch gegenüber der FDP inszenieren wollte, um die Gelben zu einer Ampel-Koalition mit rot-grün zu animieren.

Das wissen natürlich alle Maulhelden auch, die jetzt über Beck herfallen, er strebe eine Öffnung der SPD gegenüber der Linken an oder er wolle gar einen Linksruck bei den Sozialdemokraten hin zu den Kommunisten einleiten. Siehe dazu das Titelblatt des neuesten Spiegel:

Dass sie Kurt Beck für etwas niedermachen, was er – vielleicht taktisch ungeschickt – gerade verhindern wollte, zeigt, wie die konservativen Kampfblätter erst mit jemand umspringen würden, der ernsthaft eine solche Option ins Gespräch brächte. Insofern wird hier auch ein massives Drohpotential gegen Andrea Ypsilanti aufgebaut, falls sie je daran denken sollte, als Ministerpräsidentin zu kandidieren. Sie wird als zaghafte Hoffnungsträgerin eines sozialeren und kritischeren Kurses gegen den Agenda-Kurs der Schröderianer von ihren eigenen Parteigenossen gleich mit erledigt.

Wie vorgeschoben diese Kampagne gegen Beck von Seiten der Medien und der SPD-Rechten ist, wird auch daran erkennbar, dass bei einer wie auch immer gearteten Kooperation mit der hessischen Linken nahezu alle über einen „Vertrauensbruch“ lamentieren. Über den „Wortbruch“ gegenüber den Wählern, die sich für eine Mehrheit links der Mitte entschieden haben, wird jedoch kein Wort verloren. Dass die hessische SPD in einer Koalition mit der FDP nahezu alle ihre Wahlversprechen brechen müsste, verursacht offenbar genauso wenig Skrupel wie umgekehrt ein Wortbruch der FDP bei einer Koalition mit rot-grün.
Nicht der Rede wert ist, dass wenn keine der Parteien einen „Wortbruch“ beginge, es in Hessen ein Dauerpatt zwischen schwarz-gelb und rot-grün und es bis zu neuen Wahlen weiter einen, zwar abgewählten, aber immerhin noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten Koch gäbe.

Es geht der SPD-Rechten und ihren Helfershelfern in den Medien gar nicht um Kurt Beck, sondern es geht um das Durchhalten der Agenda-Politik, wie auch immer die Wahlen ausgehen, sei es nun in einer Großen Koalition oder sei es in einer Koalition mit der FDP. Und ganz nebenbei geht es um die Ablenkung von einer zusätzlichen Machterhaltungsoption der Union, nämlich einer Koalition mit den Grünen. Von Wortbrüchen ist dabei natürlich nicht die Rede, man spricht in diesem Falle dann von staatspolitischer Verantwortung und ehemalige K-Grüppler stören da auch nicht.

Dass in der SPD die Stellvertreter ihren wehrlos das Krankenbett hütenden Vorsitzenden nicht etwa vertreten, sondern wie Steinbrück in der FR den Dolch in den Rücken stoßen, belegt, welch einen Fehler Kurt Beck machte, als er dem Hamburger Parteitag die Hofschranzen des abgesetzten Königs Schröder als stellvertretende Parteivorsitzende vorschlug. Ihm hätte doch von Anfang an klar sein müssen, dass er sich mit Leuten umgibt, die befangen und gefangen im Agenda-Dogma sind und rücksichtslos ihr vorausgegangenes Tun verteidigen.

Die Hinterhältigkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der hier die Rechte gegen ihren Vorsitzenden und vor allem gegen die eigene Partei intrigiert, und die Art und Weise, wie sie sich hemmungslos von den konservativen Medien instrumentalisieren lässt, war immer schon typisch für die Skrupellosigkeit dieses Parteiflügels. Was derzeit in der SPD passiert, erinnert – ohne die beiden Vorsitzenden gleichsetzen zu wollen – an das Intrigenspiel von Helmut Schmidt und Herbert Wehner beim Sturz von Willy Brandt. Auch die Medien machten damals diese Ranküne mit.

Besonders lächerlich ist es, wenn etwa gerade Clement um die „Regierungsfähigkeit“ der SPD bangt und Steinbrück über „gestaltungsfähige Mehrheiten“ für die SPD schwadroniert. Da reden also zwei über Mehrheiten, die als Ministerpräsidenten im SPD-Stammland NRW mit 37,1 Prozent das schlechteste Wahlergebnis seit 50 Jahren eingefahren haben und dann von Gerhard Schröder als Verlierer nach Berlin gehievt worden ist.

Steinbrück und Clement tun gerade so, als hätten nicht gerade auch sie zusammen mit dem Schröder-Clan dazu beigetragen, dass die Union derzeit die Bundeskanzlerin, den Bundesratspräsidenten, auch den Präsidenten des Deutschen Bundestages stellt, dass in 11 von 16 Bundesländern Christdemokraten die Ministerpräsidenten stellen und selbst der Präsident des Bundesverfassungsgerichts auf Vorschlag von CDU/CSU gewählt worden ist.

Steinbrück behauptet, er vertrete mit seiner Position den „weit überwiegenden Teil der SPD-Mitglieder“, und wischt damit beiseite, dass die SPD in den letzten Jahren 400.000 Mitglieder verloren hat und inzwischen im Hinbick auf die Mitgliederzahl sogar von der CDU überholt worden ist.

Da reden Leute von „Mehrheiten“, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass die SPD bei der Wählergunst unter die 30-Prozent Marke gefallen ist und in manchen Teilen Deutschlands längst den Charakter einer Volksparatei verloren hat. Es sind die gleichen Leute also, die die SPD schwach gemacht und die Linken damit gestärkt und somit dazu beigetragen haben, dass sich diese Partei als fünfte Kraft in den Parlamenten etablieren konnte.

Steinbrück, Steinmeier oder Platzeck beschädigen oder opfern einen Parteivorsitzenden, weil sie befürchten, er könne zum Sicherheitsrisiko für ihren politischen Kurs werden. Angesichts des Ausgangs der letzten Dutzend Wahlen kann es Ihnen, sofern sie noch bei Sinnen sind, nicht um Mehrheiten gehen. Jedenfalls nicht um solche Mehrheiten, die die Wahlversprechen der SPD in Politik umsetzen könnten; sie wollen nur noch den von ihnen – gegen eine überrumpelte SPD – durchgesetzten Agenda-Kurs stabilisieren. Ihnen geht es nicht um „Regierungsfähigkeit“ sondern um Regierungsämter, sei es in einer Großen Koalition oder, wenn das nicht geht, wenigstens ein Bündnis mit der FDP.
(Wenn ihnen da nicht schwarz-grüne Allianzen plötzlich einen Strich durch die Rechnung machen.)

Steinbrück, Steinmeier und Platzeck sind nur noch Getriebene ihrer verfehlten Politik und machen sich selbst und degradieren darüber hinaus die gesamte SPD zum Handlanger der Konservativen.

„Nein ich will von denen (den Linken) nicht mitregiert werden. Weder mit Blick auf Deutschlands Verantwortung in der Welt noch mit Blick auf Wirtschafts-, Finanz- oder Haushaltspolitik und auch nicht mit Blick auf den Sozialstaat, der in den Augen der Linkspartei doch vor allem ein bodenlos alimentierender Staat ist“, sagt Steinbrück in der FR. Man habe „mit keiner Partei so wenig Berührungspunkte“ wie mit der Linken, meint der neue Arbeitsminister Olaf Scholz im Deutschlandfunk.

Der Sozialstaat vor der Agenda war für Steinbrück also ein „bodenlos alimentierender“?
Man mag das ja kritisieren, aber die Linke fordert in ihrer Programmatik doch im Wesentlichen nur das, was die SPD bis zur Regierungsübernahme, ja sogar noch bis zur Ausrufung der Agenda 2010 für weitgehend richtig hielt. Und mit dieser Politik darf und soll es keine „Berührungspunkte“ mehr geben? „Sind das Kommunisten?“ fragt Hans-Ulrich Jörges im stern höhnisch.

Immerhin hat die SPD 1998 mit einem Programm des damaligen SPD-Parteivorsitzenden Lafontaine, das dieser nun als Vorsitzender der Linken den heutigen Sozialdemokraten permanent unter die Nase reibt, knapp 44 Prozent der Stimmen erhalten. Konnten Schröder und seine Getreuen wirklich davon ausgehen, dass die Wähler Kohl abgewählt haben, um sich Lambsdorff pur einzuhandeln?

Wenn eine Partei sich in so kurzer Zeit soweit von ihrem Programm entfernt hat und wenn noch dazu kommt, dass der neu angeschlagene Kurs der eigenen Wählergruppen nur Opfer abverlangt oder allenfalls den Reichtum anderer Interessengruppen explodieren lässt, dann braucht sich eigentlich niemand zu wundern, dass trotz aller Ausgrenzungsstrategien nach einer neuesten Emnid-Umfrage für Bild am Sonntag der Linken bei der kommenden Wahl im Saarland jetzt schon 19 Prozent, in Thüringen 25, in Branenburg 26 und selbst in Bayern aus dem Stand 4 Prozent zugemessen werden.

Emnid-Chef Schöppner: „Der Trend zu linken Parteien ist auf eine zunehmende Frustration in der Bevölkerung zurückzuführen. Immer mehr Bürger haben das Gefühl: Die Wirtschaft ist nicht für die Menschen da – und wenn ich Union oder FDP wähle, geht es den Unternehmen gut, aber nicht mir persönlich.“

Schöppner hätte allerdings die SPD noch einbeziehen müssen. Aber bis Steinbrück, Steinmeier und Platzeck merken, was die Bürger von dieser Politik halten, sind sie in Rente, die SPD eine Splitterpartei und von der Linken überholt.

Um diese Entwicklung aufzuhalten, hat Kurt Beck nur noch eine Chance: Er muss einen Sonderparteitag einberufen.

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