Medien als Kriegssprachrohr

Ein Artikel von:
Jeffrey Bachman

Obwohl zahlreiche Staaten weiterhin von US-amerikanischen Drohnen bombardiert werden, hört man nur selten davon. Der Drohnen-Krieg der Vereinigten Staaten, laut Noam Chomsky die „mörderischste Terror-Kampagne der Gegenwart“, findet seit mittlerweile fast fünfzehn Jahren im Schatten der medialen Öffentlichkeit statt. Meist, wenn überhaupt, werden Drohnen-Angriffe nur in den Randmeldungen der Gazetten erwähnt. Die Opfer werden dabei stets als „angebliche Militante“ oder „mutmaßliche Terroristen“ entmenschlicht. Im vergangenen Jahr machte Jeffrey Bachman[*], Dozent an der School of International Service in Washington, anhand einer Studie deutlich, dass sowohl die New York Times als auch die Washington Post, die Flaggschiffe der US-amerikanischen Medienlandschaft, in ihrer Drohnen-Berichterstattung versagt haben. Während in den untersuchten Fällen etwa deutlich wurde, dass durch Drohnen-Angriffe in Pakistan oder im Jemen Zivilisten getötet wurden, bestanden die beiden Zeitungen weiterhin auf die offiziellen Narrative der US-Regierung – und tun dies auch weiterhin. Emran Feroz sprach mit Bachman über die kritikwürdige Berichterstattung.

Viele Menschen betrachten sowohl die New York Times als auch die Washington Post als die bekanntesten Zeitungen der Welt. Doch laut einer Studie von Ihnen haben beide Medien in ihrer Berichterstattung über zivile Drohnen-Opfer versagt. Wie ist es Ihrer Meinung nach dazu gekommen?

Ich denke, es gibt einige Gründe, warum dies geschah. Einerseits ist es klar, dass die Obama-Administration nicht genau weiß, wen sie tötet – selbst nachdem eine gewisse Zeit nach dem jeweiligen Angriff vergangen ist. Dennoch berichten die New York Times und die Washington Post so, als ob sie sich der Fakten bewusst wären und wissen würden, wen die Drohnen töten. Beide Zeitungen berichten lediglich, wer angeblich getötet wurde, weil sie die sichere Faktenlage nicht kennen. Andererseits greifen die beiden Medien regelmäßig auf anonyme Quellen für die Informationen bezüglich Drohnen-Angriffe zurück. Hier wird ein eindeutiger Interessenskonflikt deutlich. Es liegt im Interesse der Regierung, dass Quellen einen möglichst großen Erfolg der Drohnen-Angriffe angeben. Zum gleichen Zeitpunkt sollen die Fehler des Programms heruntergespielt werden.

Dies bedeutet auch folgendes: Sobald man Regierungsquellen heranzieht, um darüber zu berichten, wer nach einem bestimmten Angriff getötet wurde, übernimmt man indirekt auch jene Methode der Obama-Administration, die zwischen „Kollateralschaden“ und „gerechtfertigten Zielen“ unterscheidet. Die US-Regierung betrachtet etwa das Töten von „Männern im wehrfähigen Alter“ als legitim. Ich habe im Laufe meiner Forschung Mitarbeiter von beiden Zeitungen interviewt. Bei beiden gab es ein eindeutiges Desinteresse, was die Frage anging, ob die veröffentlichten Opferzahlen korrigiert werden sollten, falls sich herausstellt, dass ihre Berichterstattung nicht korrekt gewesen ist – und das, obwohl die Zeitungen immer wieder auf Angriffe, die „Ziele von hohem Wert“ („high-value targets“) betrafen, zurückkamen.

Es scheint so, als ob es ein generelles Defizit gibt in der Berichterstattung zum Drohnen-Krieg. Entspricht diese Wahrnehmung der Realität oder erscheint das übertrieben?

Wenn man den exponentiellen Anstieg der Drohnen-Angriffe unter Präsident Obama, die vorsätzliche Art der Angriffe, die Gesamtanzahl der Todesopfer und die potentielle Anzahl jener getöteten Personen, die Zivilisten gewesen sind oder einen ungeklärten Status hatten, in Betracht zieht, kann man sehr wohl behaupten, dass dem Thema nicht jene Berichterstattung widerfährt, die es verdient – dies ist sowohl in der Quantität als auch in der Substanz der Fall. Das Drohnen-Programm der Obama-Administration ist Teil einer außergerichtlichen Tötungspolitik. Dennoch wird es immer wieder als moralisch überlegen im Vergleich zum konventionellen Krieg dargestellt. So gewinnt man den Eindruck, dass es nur diese zwei Optionen gäbe.

Nach nahezu jedem Drohnen-Angriff berichten Medien von „verdächtigten Militanten“ oder „angeblichen Terroristen“, die getötet wurden. Ist die Entmenschlichung von Afghanen, Jemeniten oder Somaliern etwas Normales in unserer Medienlandschaft geworden?

Absolut. Wir erleben das auch in anderer Art und Weise, etwa wenn ein Bombenanschlag in den besagten oder auch anderen Staaten stattfindet und wir keine Solidaritätsaufrufe für die Opfer oder Flaggen auf Halbmast – etwas, was wir immer tun, wenn eine solcher Angriff im Westen stattfindet – sehen. In vielen Berichten, die ich für meine Studie analysiert habe, bezeichnen die Zeitungen die Opfer nicht einmal als „verdächtigt“ oder „angeblich“. Wenn manche Medien die Opfer derartig bezeichnen, meinen sie, damit das Richtige zu tun. Es ist allerdings offensichtlich, dass für viele Medienkonsumenten „verdächtigte Militante“ eben „Militante“ sind“. Des Weiteren ist es ohnehin problematisch, derartige Begriffe ohne jeglichen Kontext in den Raum zu werfen. Wer sind diese verdächtigten Militanten? Wen bekämpfen sie? Warum kämpfen sie? Diese Fragen werden weder gestellt noch beantwortet.

Sind viele Medien, auch führende wie die New York Times, mittlerweile nur noch zum Sprachrohr von Regierungen geworden, deren „offizielle Versionen“ sie ohnehin unterstützen?

Das sind sie, allerdings ist das nicht etwas Neues, was nur den Drohnen-Krieg betrifft. Im Allgemeinen hat die US-amerikanische Außenpolitik viele mediale Cheerleader. Viele Medien wollen nicht als unpatriotisch betrachtet werden. Das wäre nämlich schlecht für den Profit. Es ist außerdem klar, dass viele Mainstream-Medien sich als Teil der „amerikanischen Einzigartigkeit“ („American Exceptionalism“) betrachten. Demnach ist jedwede Aktion der USA gerechtfertigt, sei sie nun ein aggressiver Krieg oder eine Politik des außergerichtlichen Tötens für die „eigene Sicherheit“.

Mit welchen Mitteln kann man die Berichterstattung auf einen ausgeglicheneren Weg zurückführen?

Im Falle der Mainstream-Medien, vor allem jener, die von kommerziellen und gewinnorientierten Firmen betrieben werden, bin ich mir nicht sicher, ob und inwiefern das überhaupt möglich ist. Was diese Medien jedoch tun könnten, ist, damit aufzuhören, Anonymität in Fällen zu gewähren, in denen es ungerechtfertigt ist. Außerhalb des Umfeldes dieser Medien ist es wichtig, dass unabhängige Organisationen weiterhin recherchieren und analysieren, um mit ihren Berichten die Angaben der Obama-Administration in Frage stellen. Unabhängige und Soziale Medien spielen in diesem Kontext weiterhin eine wichtige Rolle und müssen dies auch weiterhin tun.


[«*] Jeffrey Bachman ist professoral Dozent in Menschenrechte an der School of International Service in Washington. Er ist Co-Direktor des Studienprogramms für Ethik, Frieden und globale Angelegenheiten. Bachman forscht und lehrt primär zur US-amerikanischen Außenpolitik sowie zu Menschenrechten. Ein weiterer Fokus seiner Arbeit legt sich auf die Rolle von Medien in Konflikten sowie menschenrechtsspezifischen Themen.

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