Betrifft: Rente. Da ist die AfD genauso von den Interessen der Finanzwirtschaft und Denkfehlern irregeleitet wie die Regierungskoalition

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Es gibt auch bei den NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern einige, die sich – übrigens wie viele Menschen damals am Ende der Weimarer Republik von der NSDAP – von der AfD eine soziale Verbesserung erhoffen. Das ist eine große Täuschung. Die Debatte um die Rente im Vorfeld und auf dem Augsburger Parteitag vom Wochenende zeigt, dass die AfD und ihre führenden Personen nicht minder verbohrt und von Interessen geleitet sind als jene, die die Gesetzliche Rente und das Umlagesystem seiner Wirkung beraubt haben und auch im neuen Koalitionsvertrag auf dem falschen Weg weitergehen. Dazu und kurz gefasst „Was zu tun wäre“ und ein Hinweis auf eine einschlägige Veranstaltung des NachDenkSeiten-Gesprächskreises in München. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der AfD-Co-Vorsitzende Meuthen will die Gesetzliche Rente abschaffen, so berichtet der Deutschlandfunk: „Meuthen sprach sich auf dem Bundesparteitag in Augsburg dafür aus, die gesetzliche Rente schrittweise abzuschaffen. Deutschland müsse weg vom umlagefinanzierten Beitragssystem. Stattdessen sollte man die Menschen in eine selbstgewählte, private Form der Altersvorsorge entlassen.“ Meuthen weiter wörtlich: „Mein Misstrauen gegenüber staatlichen Lösungen ist sicherlich und aus vielerlei guten Gründen deutlich höher als das mancher Autoren dieser Arbeitspapiere.”

Gauland pocht auf die Begrenzung des Beitragssatzes auf 20 % und damit auf die Beschränkung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente. Siehe hier.

Der Thüringer Landesvorsitzende Höcke will eine Sonderrente für die Deutschen, eine sogenannte „Staatsbürgerschaftsrente“: „Zeigen wir, dass die AfD die Partei des solidarischen Patriotismus ist”, wirbt er am Rednerpult in Augsburg. “Verknüpfen wir Identität und Solidarität in einem symbolpolitischen Akt.” So hier die „Zeit“:. Europarechtlich würde sich diese Idee sicher nicht verwirklichen lassen.

Übrigens interessant: Im zuvor verlinkten Bericht der „Zeit“ zu diesem Thema wird wieder einmal sichtbar, wie unbefleckt von jedem kritischen Verstand deutsche Journalisten sind: Sie berufen sich auf Raffelhüschen als Experten, sie haben also auch im Jahre 2018 noch nicht gemerkt, dass dieser ein Lobbyist im Gewand eines Professors ist. Das ist eine traurige Leistung.

Was wäre programmatisch nötig, um die Altersvorsorge wieder auf eine gute Grundlage zu stellen:

  1. Konzentration aller Mittel auf die Gesetzliche Rente.
  2. Schluss mit der finanziellen Förderung der privatisierten Altersvorsorgemodelle, von Riester-Rente bis betriebliche Altersvorsorge einschließlich der Entgeltumwandlung.
  3. Ermöglichung freiwilliger Leistungen und Einzahlungen an die gesetzliche Rente zur Erhöhung des Rentenanspruchs (wie die frühere „Höherversicherung“)
  4. Gegebenenfalls Erhöhung des Beitragssatzes
  5. Eine besondere Unterstützung für die Opfer der Niedriglohnpolitik wird nötig sein – zum einen in der Beitragsphase, zum anderen bei der Berechnung der Rente.
  6. Richtig wäre die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe. Damit würde nicht nur die Lohnsumme und damit die Arbeit Basis der Rentenbeiträge sein, sondern auch der Einsatz von Kapital in Maschinen und anderen Anlagen. Dieser Vorschlag wurde schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Herbert Ehrenberg in die Diskussion eingeführt. Leider nie realisiert. Dieser Schritt würde eine wirkliche Entlastung des Faktors Arbeit bringen, die ansonsten immer gefordert wird.

Als heilbringend wird immer wieder die Bürgerversicherung, also die Pflichtversicherung Aller (auch Beamte, Selbständige, Hausfrauen, Studenten usw.) beschworen. Aus Gerechtigkeitsgründen (schließlich werden viele versicherungsfremde Leistungen, die eigentlich aus Steuermitteln zu zahlen wären, aus dem Versicherungstopf entnommen) wäre diese Lösung zu begrüßen. Auch würde sie sicherlich einen kurzfristigen finanziellen Segen bringen, wenn sich die Anzahl der Beitragszahler erhöhen und die Zahl der Leistungsbezieher zunächst relativ gleich bleiben würde. Aber dies wäre keine langfristige Verbesserung der Finanzen der Rentenversicherung. Und außerdem wäre dann die notwendige Reform der Renten mit Konzentration auf die Gesetzliche Rente mit Sicherheit verzögert. Denn die Einführung der Bürgerversicherung würde – zumindest was die Beamten betrifft – einen nicht unerheblichen Systemwechsel bedeuten, der nicht schnell genug durchführbar sein wird. Aber wenn man das meint schaffen zu können, dann kann man diesen Vorschlag weiterhin propagieren.

Noch ein Hinweis für Leserinnen und Leser im Raum München:

Der Gesprächskreis München der NachDenkSeiten veranstaltet in Zusammenarbeit mit Attac, den Verdi-Frauen und Verdi München am 11.07.2018 eine Vortrags- und Diskussionsrunde mit Christoph Butterwegge.

Thema: „Arm. Ärmer. Altersarm. Warum sich die soziale Ungleichheit im reichen Deutschland verschärft“

Zeit: 19:30 Uhr

Ort: DGB-Haus, Großer Saal, Schwanthalerstraße 64 München

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