Der gemeinsame Nenner von etablierten Medien und Politik: Gedankenlosigkeit. Sichtbar bei der Digitalisierung in den Schulen

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Als am 21. Februar der Vermittlungsausschuss den Digitalpakt verabschiedete, gab es bei Politikern wie Medien nur freudig strahlende Gesichter. Typisch für die Stimmung war bei Spiegel Online zu lesen: „Endlich raus aus dem Schlafmodus.“ Obwohl Vertreter der Hirnforschung seit Jahren vor dem gedankenlosen Einsatz digitaler Medien bei Kindern warnen, tun Medien und Politik mehrheitlich so, als gäbe es diese Bedenken nicht. Die NachDenkSeiten haben mehrmals auf die Problematik hingewiesen. Kinder und Jugendliche brauchen (auch) anderes als den Umgang mit digitalen Medien. Bewegung, Spiel, personale Kommunikation zum Beispiel. Albrecht Müller.

Offensichtlich ist solche Nachdenklichkeit heute nicht gefragt und wird von Politik und Medien auch nicht geboten. Das vordergründig Wichtige und Moderne wird begrüßt, gefordert und umgesetzt. Mich erinnert das an einen ähnlichen Vorgang zwischen 1978 und 1984. Damals stand die Frage an, ob der Bund einige 100 Millionen in die Verkabelung von elf deutschen Städten stecken sollte, um die Übertragung von viel mehr Fernsehprogrammen möglich zu machen. Dieser Schritt wäre zugleich der Schritt in die Kommerzialisierung der Fernseh- und Hörfunkprogramme gewesen. So war zu erwarten.

Der damalige Bundeskanzler Schmidt hat diese Millionen verweigert und in einem großen Essay in der Wochenzeitung Die Zeit begründet, warum er diese Entwicklung in die totale Fernsehwelt für falsch, jedenfalls für fragwürdig hält. Dabei spielten Überlegungen zur Aufteilung der Kommunikation in personale und elektronische Kommunikation eine Rolle, die Spitze der Bundesregierung machte sich Gedanken darüber, welche Folgen 30 Fernsehprogramme für die Kommunikation in unseren Familien haben werden; und selbstverständlich auch darüber, was die Kommerzialisierung für die politische Kommunikation und für die Demokratie bedeutet. Eine Mehrheit der Deutschen hat diese Gedanken geteilt und eine Regierung gestützt, die sich von der Gedankenlosigkeit verabschiedet hatte.

Dann kam im September 1982 der politische Wechsel zu Helmut Kohl. Sein Postminister Schwarz-Schilling und er selbst betrieben sofort die angeblich so fortschrittliche Verlegung von Fernsehverteil-Netzen und anderen technischen Möglichkeiten. 1984 startete Deutschland in die schöne neue deutsche Fernsehwelt, polemisch könnte man anmerken: Raus aus dem Schlafmodus. Zehn Jahre später jammerten dann die Täter über das, was sie angerichtet hatten. So z.B. Bernhard Vogel, der für die Medienpolitik zuständige CDU-Politiker.

So wird es auch jetzt verlaufen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wenn wir merken, was wir unseren Kindern mit der massiven Förderung der Digitalisierung an den Schulen angetan haben, dann wird auch hierzulande möglicherweise gejammert. Oder man steckt den Kopf in den Sand und will nichts gewusst haben und nicht verantwortlich sein.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Es ist schon wichtig, dass Jugendliche lernen, mit digitalen Medien umzugehen. Die Frage ist jedoch, welchen Raum das eine und das andere im Leben unserer Kinder und Jugendlichen haben sollte.

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