Fridays for Future – was bleibt nach den Schlagzeilen?

Fridays for Future – was bleibt nach den Schlagzeilen?

Fridays for Future – was bleibt nach den Schlagzeilen?

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Das Jahr 2019 stand im Zeichen der Klimaproteste. Doch wer meint, dass die Fridays for Future tatsächlich zu maßgeblichen Änderungen unseres Verhaltens geführt haben, muss sich leider angesichts der jüngsten Statistiken eines Besseren belehren lassen. Noch nie flogen die Deutschen so viel wie im Jahr 2019. Noch nie rollten auf unseren Straßen so viele Geländewagen und noch nie verkauften sich PS-starke Autos besser als im letzten Jahr. Milliardengewinne mit SUVs, Nischengeschäfte mit Elektromobilen, die wohl eher unter der Kostenstelle „Public Relations“ laufen. Und auch politisch blieb es bei homöopathischen Maßnahmen. Viel Lärm um Nichts? Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Was war im letzten Jahr nicht alles von Flug- oder gar Dieselscham die Rede. Wer nur die aufgeregte Berichterstattung von Medien wie dem SPIEGEL oder gar der taz verfolgt hat, könnte glatt denken, dass sich das Bewusstsein einer ganzen Nation im letzten Jahr aufgrund der Schülerproteste fundamental geändert hat, der moderne Deutsche nun auf verbrauchsarme oder gar elektrisch angetriebene Autos umsteigt und für Urlaubs- und Geschäftsreisen lieber in die Bahn als in den Flieger steigt. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Schaut man sich die Zulassungsstatistik des letzten Jahres an, stellt man vielmehr verblüfft fest, dass die durchschnittliche Leistung der 3,61 Millionen neu zugelassenen Autos zum zehnten Mal in Folge gestiegen ist – um fünf PS auf im Durchschnitt kaum vorstellbare 158 PS. Verantwortlich für diesen Trend sind, so Ferdinand Dudenhöfer von der Universität Duisburg-Essen, zum einen die „schweren SUV“ und zum anderen ausgerechnet die Plug-in-Hybrid-Antriebe. SUVs, die rund 33 Prozent aller Neuzulassungen ausmachen, haben im Schnitt 172 PS, die Hybrid-Autos im Schnitt sogar 194 PS. Diese Fahrzeuge sind zudem besonders schwer, da sie neben einem normalen Verbrennungsmotor noch über einen kleinen Elektromotor verfügen, der jedoch in der Praxis nur selten zum Einsatz kommt und oft zu geringeren Einsparungen führt.

Die immer wieder von den Medien als größtes Problem dargestellten SUVs konnten im letzten Jahr ein Plus von 21,0% bei den Zulassungen verzeichnen und waren damit im gesamten PKW-Markt das Segment mit den größten absoluten und relativen Zugewinnen. Diese Sparte ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Was in den Zulassungsstatistiken unter SUV firmiert, gehört nämlich eigentlich mehrheitlich eher in die Kategorie „höhergelegter Kompaktwagen für das ältere Publikum“. Die „Panzer auf vier Rädern“ mit exorbitantem Verbrauch und CO2-Ausstoß, also all die Audi Q, BMW X, Porsche Cayennes und VW Touaregs, gelten offiziell nicht als SUV, sondern als Geländewagen, und ausgerechnet diese Sparte war es dann auch, die im letzten Jahr mit einem Plus von 20,3% bei der Zulassungsstatistik gleich hinter den SUVs den zweiten Platz bei den Jahresgewinnern ausmachte. Diese Modelle waren es übrigens, die dem deutschen Branchenprimus VW einmal mehr einen Rekordgewinn in die Bücher spülten. Der Wolfsburger Konzern erzielte im letzten Jahr einen operativen Gewinn von 19,3 Milliarden Euro, wovon nach Sondereffekten und Abschreibungen immerhin noch 13,3 Milliarden Euro Gesamtgewinn übrigblieben – „dank der SUVs“, wie es in den Pressemitteilungen hieß. So gesehen sind die gigantisch klingenden 44 Milliarden Euro, die VW in einem Fünfjahreszeitraum in die Elektromobilität investieren will, gar nicht mehr so gigantisch und entsprechen noch nicht einmal den Gewinnmargen, die der Konzern in diesem Zeitraum erzielen dürfte.

Und die Elektroautos? Hat Fridays for Future nicht wenigstens dazu geführt, dass der Marktanteil für Elektroautos signifikant steigt? Ja und nein. In der Tat legten die Elektroautos als Gesamtsegment im letzten Jahr um 64,3% zu … aber halt auf einem extrem geringen Niveau. Genauer betrachtet ist die Quote von 0,2% (83.175) auf 0,3% (136.617) gestiegen.
Damit gibt es auf deutschen Straßen dreimal so viele zugelassene Oldtimer wie Elektroautos. VW verkaufte im vergangenen Jahr weltweit 140.000 Elektroautos, darunter fallen hier jedoch statistisch auch die meist aus klima- und umweltpolitischer Sicht wenig sinnvollen schweren doppelmotorisierten Hybridfahrzeuge. Und angesichts der Gesamtverkäufe von fast 11 Millionen Fahrzeugen stellen diese 140.000 Exemplare auch nicht wirklich eine Zeitenwende dar.

Deutschland mag viel über die Elektromobilität diskutieren. In konkreten Zahlen lässt sich das vermeintlich durch die Klimaproteste gestiegene Interesse aber nicht ausdrücken. Und damit ist der Straßenverkehr nicht alleine.

Ein weiterer – gemessen an der Debatte eigentlich unerwarteter – Sieger des Friday-for-Future-Jahres 2019 war der Flugverkehr. Noch nie flogen von deutschen Flughäfen so viele Menschen wie im letzten Jahr. 124,4 Millionen, das ist 1,5% mehr als 2018, als 122,6 Millionen Fluggäste von deutschen Flughäfen starteten. Seit 2009 ist diese Zahl übrigens durchgängig gestiegen – insgesamt um 37 Prozent in zehn Jahren. Die vielzitierte „Flugscham“ ist also wahrscheinlich ein ganz besonderer Effekt, der kaum über die Köpfe der Medienschaffenden in Berlin Mitte hinausgeht. Einen messbaren Effekt hatten die Klimaproteste unserer Kinder auf unser Reiseverhalten jedenfalls nicht. In diesem Jahr dürfte sich der Trend erstmals wieder umkehren. Aber nicht wegen protestierender Schüler, sondern wegen des Coronavirus.

Und wie sieht es auf dem Energiesektor aus? Hier gibt es zumindest dezent Positives zu berichten. Im vergangenen Jahr hat die Nettostromerzeugung aus regenerativen Energien erstmals die fossile Energieerzeugung überholt. Das ist freilich nicht den Klimaprotesten, sondern der schon lange laufenden Energiewende zu verdanken. Und selbst wenn dieser kleine Erfolg durchaus mal gefeiert werden kann, muss man leider auch konstatieren, dass das Tempo der Energiewende auch im Klimaprotestjahr 2019 immer noch weit hinter den nötigen Zielen hinterherhängt. Die im Protestjahr 2019 verabschiedeten Novellen waren allesamt unterambitioniert und reichen in der Summe keinesfalls aus, um den Klimawandel auch nur um ein Jota zu verlangsamen. Wir reden viel und handeln wenig.

Und dies ließe sich durchaus auf andere Bereiche ausweiten. Wie viel weniger Fleisch verspeisen die Deutschen? Heizen sie nun weniger und klimafreundlicher? Wobei diese Frage sich angesichts des Winterausfalls kaum stellen dürfte. Greifen wir nun häufiger zu regionalen Produkten und verschmähen die globalisierten Lieferketten?

Bleibt zu hoffen, dass das wiedererwachte Interesse für Umwelt- und Klimathemen zumindest abseits der „harten Zahlen“ zu einem Umdenken in unseren Köpfen geführt hat und vielleicht ein langfristiger Prozess in Gang gesetzt wurde, der irgendwann doch einmal zu messbaren Ergebnissen führt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Titelbild: hedgehog94/shutterstock.com

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