Baerbock-Dämmerung

Baerbock-Dämmerung

Baerbock-Dämmerung

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Die Zustimmungswerte für die Grünen und ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sind im freien Fall. Überraschend ist das nicht. Es überrascht vielmehr, dass die Grünen davon überrascht sind. Denn außerhalb der grünen Blase war wohl den meisten klar, dass Baerbock keine gute Kandidatin ist. Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Die tragikomische Nominierung Baerbocks ist typisch für eine Partei, die es nicht schafft, über die engen Grenzen ihrer Filterblase hinauszuschauen und auch die Interessen derer im Blick zu haben, die nicht ohnehin zur festen Wählerschaft gehören. So kann man keine Wahlen gewinnen. Ein Kommentar von Jens Berger.

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Die Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel hat einmal gesagt: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist“. Kabel starb 2010 und konnte noch nicht ahnen, dass elf Jahre später die Emanzipation nach ihrer Definition tatsächlich vollendet sein würde.

Bei den Grünen gibt es ein Statut, das besagt, dass, wenn es zwei Bewerber unterschiedlichen Geschlechts auf einen Posten gibt, die Frau das erste Zugriffsrecht haben muss. Nun muss man sicher kein Fan von Robert Habeck sein, um zumindest einzugestehen, dass er aus rein wahlkampfstrategischen Motiven zweifelsohne die bessere Wahl gewesen wäre. Die Grünen wollten aber unbedingt eine Frau als Spitzenkandidatin und die haben sie nun. Da ich weder Mitglied noch Sympathisant dieser Partei bin, steht es mir nicht zu, dies zu kritisieren. Andererseits steht es den Grünen aber auch nicht zu, zu kritisieren, dass ihre untalentierte Kandidatin außerhalb der eigenen Blase nicht ankommt. So steht die Nominierung Baerbocks für genau den Selbstbetrug, der die Grünen schon lange charakterisiert.

Neben der FDP gibt es wohl keine andere Partei, die derart fokussiert die Interessen der eigenen Klientel vertritt – der Unterschied ist lediglich der, dass die FDP daraus keinen Hehl macht, während die Grünen sich, in Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit badend, als Avantgarde für die gesamte Bevölkerung sehen; wobei jedoch Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Eine andere ehemals schlaue Frau, Jutta Ditfurth, sagte einst: „Alle Parteien machen ihren Wählern was vor, aber es gibt keine Partei, die eine so grandiose Differenz zwischen ihrem Image und ihrer Realität hat, wie die Grünen“. Dem ist nichts hinzuzufügen und so gesehen ist Annalena Baerbock sogar die ideale Kandidatin für diese Partei – selbstgerecht und mit einem ebenso überbordenden wie unbegründeten Selbstbewusstsein ausgestattet. Solche Menschen neigen dazu, zu scheitern.

Nun wittern die Grünen eine Kampagne gegen ihre Kandidatin. Und dafür ist ausnahmsweise mal nicht Putin, sondern der politische Gegner samt dessem publizistischen Arm verantwortlich. Ach was? Dachten die Grünen etwa ernsthaft, man würde auf ihre offenbar einzige Wahlkampfstrategie „Wer Annalena kritisiert, ist ein alter weißer sexistischer Mann“ hereinfallen? So etwas mag ja in der grünen Filterblase auf Twitter funktionieren. Die reale Welt funktioniert jedoch ein wenig anders.

Dennoch mutet die Form der Kritik natürlich seltsam an. Nach der Debatte um Baerbocks „aufgesexten“ Lebenslauf stürzen sich die Kritiker nun auf ihr grauenhaftes Buch und finden – oh Wunder – Passagen, die die Autorin offenbar eins zu eins aus anderen Quellen übernommen hat.

Lesen Sie dazu auf den NachDenkSeiten die Rezension „Gewogen und für zu leicht befunden.

Das ist freilich wohlfeil. Wirklich überraschend wäre es vielmehr, wenn man in diesem Buch, das zu 80 Prozent aus Worthülsen und Textfragmenten aus Sonntagsreden besteht, keine solchen Doubletten finden würde. Ist nicht jeder inhaltsleere Satz schon mindestens einmal gesagt und geschrieben worden? Unverständlich ist vielmehr, warum Baerbock dieses unambitionierte und überflüssige Buch überhaupt geschrieben und dann auch noch pünktlich zum Wahlkampfauftakt veröffentlicht hat. Auf solche Ideen kann man nur kommen, wenn man geistig in einem Safe Place haust – einer Blase, die einen vor sämtlicher Kritik abschirmt; so wie ein untalentiertes Kind, dessen kakophonisches Flötenspiel von allen Erwachsenen aus falsch verstandener Rücksicht über den grünen Klee gelobt wird. Das kann man ja machen. Aber wenn die Eltern dieses unmusikalische Kind dann vor ein größeres Publikum schleifen, müssen sie auch damit rechnen, dass es Kritik geben könnte.

Anders die Grünen. Deren Selbsttäuschung geht so weit, dass sie nicht einmal erkennen, dass ihre Kanzlerkandidatin nur aus reiner – politisch korrekter – Höflichkeit in der eigenen Blase nicht kritisiert wird. Wird man dann im Wahlkampf und später an den Urnen mit dieser Selbsttäuschung konfrontiert, ist dies natürlich eine harte Lektion.

Dass die Grünen aus dieser Lektion lernen werden, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Stattdessen sieht man sich lieber als Opfer sinisterer Kampagnen und bastelt Verschwörungstheorien. Denn was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Auf die naheliegende Idee, dass man zwar politisch korrekt, aber strategisch dumm eine vollkommen ungeeignete Kandidatin nominiert hat, wird man sicher nicht kommen.

Titelbild: photocosmos1/shutterstock.com

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