Vom Rundfunkstaatsvertrag fern – die herrschende Meinung wird durchgedrückt, selbst in Kommentaren

Vom Rundfunkstaatsvertrag fern – die herrschende Meinung wird durchgedrückt, selbst in Kommentaren

Vom Rundfunkstaatsvertrag fern – die herrschende Meinung wird durchgedrückt, selbst in Kommentaren

Ein Artikel von Frank Blenz

Als regelmäßiger, aufmerksamer und kritischer Nutzer unserer gemeinsam finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten muss einem in diesen Zeiten auffallen, dass nicht viel von den blumigen Worten des Rundfunkstaatsvertrages, die eben dem Wirken der ÖRR zugrundeliegen sollen, betreffs der geforderten Inhalte wie Vielfalt, Unterschiede, Staatsferne geblieben ist. Die Maschinerie der Durchsetzung der Meinung und Vorgaben des herrschenden Mainstreams läuft auf Hochtouren und das umso schneller und heftiger, je mehr sich Widerspruch regt. Deutschlandfunk Kultur ist mir als Bürger eigentlich angenehm – ein buntes Angebot beinah alternativ zum Formatradio-Einerlei sollte es sein, so die Werbung. Doch auch hier ist zu vernehmen: eine enorm kräftige Meinungsmache, ein permanentes Basta versus andere Auffassungen selbst in so genannten Pro-und-Contra-Kommentaren. Das empört. Von Frank Blenz .

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ohne Wimpernzucken schreibt und redet ein Kommentator des Deutschlandfunk Kultur davon, dass seine Freundin die Konsequenzen ihres Handelns und Denkens selbst tragen solle. Ganz zu schweigen davon, wie der Mann davor über seine Kinder schreibt. Beim Zuhören kam der Gedanke, seinen Worten entgegenzutreten, denn es gibt zu viele wie diesen Autor, die mitschwimmen und dann treten und schlagen, wenn man gegen ihren Strom schwimmt. Bitte Deutschlandfunk, handelt nach dem Staatsvertrag: Wie wäre es mit dem Mainstream widersprechenden Wortmeldungen vs. dem Mainstream? Dann wäre es staatsfern, pluralistisch und souverän.

Stattdessen: Im Sender Deutschlandfunk Kultur wird eine Sendung namens Studio 9 produziert. Letztens, am 20. September 2021, ab 17 Uhr, gab es einen Beitrag mit dem Titel: Pro und Contra „Freedom Day“ Sollten die Corona-Regeln ein festes Enddatum haben?

Allein der Pro-Artikel ließ einem die mainstreamverbundene Haltung des Autors offenbar werden. Gängige Stichworte nannte er in seinem Beitrag: Freiheit, altes Leben, Solidarität, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht, Impfstoffe in Hülle und Fülle, Pandemie der Ungeimpften. Schauerlich wirkte es, weil der Autor die herrschende, alternativlos meinende Mache verbreitete. Schauerlich war es, weil er Kinder mit einbezog, weil er eine Freundin auf eine Gegenseite schob, die also per se abzulehnen sei, schauerlich las es sich und hörte es sich zudem auch noch an, wie selbstgefällig fest und unverrückbar seine Worte, Argumente und Erkenntnisse seien, und es wirkte so, dass er keine Meinung verbreitete, sondern das, was Recht und Gesetz ist. Man muss zunächst sagen: Okay, wir haben Meinungsfreiheit, der Mann kann das so in einem Meinungsbeitrag machen. Was aber schlimm wiegt, dass in solchen Beiträgen meist andere Ansichten und Ansätze beim Deutschlandfunk eben nicht vorkommen. Einzig bei Interviews mit Experten, die dann den genervten Staatsinterviewern frei und unangenehm Paroli bieten, fühlt es sich für den Nutzer ein wenig nach Pluralität an. Doch zurück zum „Pro“ aus dieser Sendung Studio 9:

So schrieb und sprach Michael Watzke, Bayern-Korrespondent bei Deutschlandfunk Kultur (er sprach seine Worte im Rundfunk):

Pro: Freiheit für die Kinder

Meine Kinder sind sieben, sechs und vier Jahre alt. Die Älteste kann sich noch schwach daran erinnern, wie es damals war, ohne Covid. Als man sich noch umarmen durfte und keine Masken tragen musste. Die Jüngste kennt gar kein Leben mehr ohne Corona. Neulich im Auto war vor uns eine Straße wegen einer Baustelle gesperrt. Wir kommen hier nicht durch, sagte ich. „Blödes Corona“, sagte die Kleine. Ich würde so gern einen „Freedom Day“ mit ihr feiern. Einen Feiertag der Freiheit. Den Kindern sagen: Das habt ihr gut gemacht. Zum Dank habt ihr hier eure Freiheit zurück, euer altes Leben, an das ihr euch fast nicht mehr erinnern könnt.

Ihr habt ein Recht darauf. Ihr Kinder habt in dieser Pandemie mehr Solidarität bewiesen als irgendeine Generation seit dem Krieg. Ihr habt verzichtet, gelitten, damit wir Älteren leben und unser Gesundheitssystem nicht zusammenbricht.

Jetzt, mit wirksamen Impfstoffen in Hülle und Fülle, ist Corona nicht mehr die Plage des vergangenen Winters. Es ist, das belegen alle Daten, eine Pandemie der ungeimpften Erwachsenen geworden. Sie leben in Gefahr – und können diese Gefahr bannen, indem sie sich impfen lassen. Kinder und Jugendliche müssen vor Corona, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Angst haben. Warum sollen sie sich weiter einschränken, um die zu schützen, die sich einfach nicht impfen lassen wollen?

Ich habe gestern mit einer Freundin diskutiert, die Impfverweigerin ist. Ich habe drei Dinge aus der Diskussion mitgenommen. Erstens: Sie wird ihre Meinung nicht ändern, egal welche Argumente ich vorbringe. Zweitens: Sie ist nicht zur Impfung verpflichtet – aber sie muss die Konsequenzen selber tragen. Gesundheitlich, gesellschaftlich, finanziell. Sie hat kein Recht, den geimpften Teil der Bevölkerung in Geiselhaft zu nehmen. Und drittens: Wir bleiben trotzdem Freunde – mit unterschiedlichen Ansichten. Vielleicht feiern wir den Freedom Day sogar gemeinsam.

Welchen Schlüsse zieht der Hörer dieser Worte? Gehört er zum Mainstream, klatscht er Beifall. Klar, die Frau ist Gegnerin, die Frau muss erzogen und bestraft werden. Doch der andere sagt: Dieser „Tag der Freiheit“ wird keiner. Vor der Pandemie galt die Freiheit darüber hinaus schon als Auslaufmodell, in der Pandemie wird sie Schritt für Schritt beseitigt.

Und die Gehirnwäsche Tag für Tag, Medium für Medium ohne freie Redaktionen wirkt. Noch. Oberste Order: Vor allem – ja nicht empathisch sein vs. dieser „Gegner“. Doch es muss gefragt werden auch und gerade für die Mitschwimmer im Hauptstrom: Wie kann es sein, dass existenzielle Grundlagen, gesundheitliche, gesellschaftliche und finanzielle, hier gar unter Freunden so lässig verlustig gegangen sind? Du machst nicht mit? Dann bist Du draußen, selbst schuld. Wie kann Freundin nur so handeln, sogar die Mitmenschen in Geiselhaft nehmen? Keine Impfpflicht in einem freien Land, heißt es. Wird diese Nichtpflicht aber in Anspruch genommen, also das Recht, anders zu agieren (denn es gibt tatsächlich viele Möglichkeiten, das Leben zu meistern, zu gestalten und das mitunter nicht mal freiwillig), dann? Dann packt die Sanktion, die Pression, der Griff nach den Finanzen, nach dem gesellschaftlichen Status des Menschen, oder?

Unser Rundfunkstaatsvertrag kommt wieder ins Spiel. Leitsätze des Rundfunkstaatsvertrags lauten: Gebot der Vielfaltssicherung. Einbeziehung von Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens. Konsequentere Beachtung des Gebots der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (Rundfunkstaatsvertrag – RStV). Und im § 3 Allgemeine Grundsätze (1) steht: Die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das Deutschlandradio und alle Veranstalter bundesweit verbreiteter Rundfunkprogramme haben in ihren Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen; die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten. Die Angebote sollen dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer zu stärken.

In dem Pro-und-Contra-Beitrag von Studio 9 indes wird schlicht eine einzige Soße verkippt. Das Contra sei hier nicht zitiert, wer dennoch lesen und hören will.

Im RStV § 11 Auftrag heißt es (1):

“Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.”

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