Schwurbler des Tages: Karl Lauterbach

Schwurbler des Tages: Karl Lauterbach

Schwurbler des Tages: Karl Lauterbach

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Der Begriff „Geschwurbel“ ist laut der Wikipedia ein abwertend gebrauchter Ausdruck der Umgangssprache für vermeintlich oder tatsächlich unverständliche, realitätsferne oder inhaltslose Aussagen. Kritiker der Corona-Maßnahmen werden von deren Befürwortern gerne mit diesem Begriff abqualifiziert. Das ist erstaunlich, erfüllt doch einer der Wortführer der selbsternannten „Fraktion Vorsicht“ streng genommen alle Voraussetzungen, um sich selbst als Musterbeispiel für einen „Schwurbler“ zu qualifizieren. Karl Lauterbach schwurbelt, was das Zeug hält, und scheint den Bezug zur Realität so langsam vollends verloren zu haben. Gut zu sehen war dies am Sonntagabend bei Anne Will, als er beim Versuch, Sahra Wagenknecht zu widerlegen, vollends ins Schwurbeln kam. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lesen Sie zum Thema auch: Professor Seltsam oder: Wie ich lernte, Talkshows zu hassen und Virologen auf allen Kanälen.

Es ist sicher nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, sich die sonntägliche Politplauderrunde von Anne Will im Ersten anzuschauen. Vor allem wenn es um Corona geht, ist hier der Narrativ der Alarmisten und Lockdown-Freunde gängiger Konsens und wenn wieder einmal der medial omnipräsente „Experte“ Karl Lauterbach dabei sein darf, ist der Kurs ohnehin vorprogrammiert. Professor Seltsam hat stets eine ganz frische Studie aus „Hachwaht“ parat, mit der er Panik schüren kann. Ob er diese Studien gelesen und verstanden hat, ist unbekannt. Zweifel sind angebracht.

Mal fantasiert er von Intensivstationen, die voll mit jungen Menschen sind, von denen die Hälfte stirbt, was sich durch die offiziellen Zahlen nicht einmal im Ansatz belegen lässt. Mal erzählt er Räuberpistolen über „Long Covid bei Kindern“, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten. Dann rückt er Kinder in die Nähe von Virenschleudern – eine „Schwurbelei“, die schon damals längst widerlegt und selbst vom RKI bestritten wurde.

Gerne gibt er auch anderen Ländern ungefragt Ratschläge. So kritisierte er Ungarn während der Fußball-EM für das Abhalten von Spielen vor vollen Rängen und unter 3G-Bedingungen. Entgegen Lauterbachs schrillen Warnungen sanken die Inzidenzen in Ungarn jedoch auch nach den „rücksichtlosen und unsportlichen“ (Zitat: Lauterbach) Stadionöffnungen unaufhörlich und sogar stärker als in Deutschland mit seinen strikten Besucherbegrenzungen.

Quelle: Our world in Data
Aktuell gilt Lauterbachs Groll den Dänen, deren erste Öffnung er schon im Frühjahr als „spektakulären Fehler“ bezeichnete. Nun sieht er in typischer Alarmisten-Diktion auch die komplette Streichung der Corona-Maßnahmen im September als „komplett gescheitert“ und verweist dabei auf die jüngere Entwicklung der dänischen Inzidenzen.

Quelle: Facebook

Dabei „vergisst“ er jedoch zu erwähnen, dass die Inzidenzen in Dänemark sich genauso bewegen wie in Deutschland mit seinen Maßnahmen und die Zahl der Intensivpatienten und Toten in Dänemark sehr deutlich unter denen im vom „Team Vorsicht“ beratenen Deutschland liegen.

Quelle: Financial Times

Quelle: Our world in data

Wie war das noch mal mit dem Geschwurbel? Unverständlich? Ja! Inhaltlos? Ebenfalls! Realitätsfern? Mit Sicherheit!

Schwurbel-Karlchen trifft auf Wagenknecht

Nun traf Karl Lauterbach – vorgestellt als „Experte“ – bei Anne Will auf Sahra Wagenknecht. Die Linken-Politikerin hatte die undankbare Rolle, die Position der Menschen zu vermitteln, die den zunehmenden Druck auf Ungeimpfte kritisieren, und outete sich dann auch noch selbst als Ungeimpfte. Wagenknecht wartet nach eigener Aussage auf die Zulassung eines Impfstoffs mit einem traditionellen Wirkprinzip.

Dies ist ein Standpunkt, der durchaus legitim ist. Schließlich ist es nicht so, dass es nur neu entwickelte Impfstoffe nach dem mRNA- oder dem vektorbasierten Wirkprinzip gibt. Ganz im Gegenteil. Alleine in China wurden bereits mehr als 2,2 Milliarden Dosen von Impfstoffen verspritzt, die zum allergrößten Teil klassische Impfstoffe mit inaktivierten Viren sind. Die Impfstoffe von Sinopharm und Sinovac sind in über 60 Ländern zugelassen und sind außerhalb von EU und USA die meistverwendeten Impfstoffe. Alleine von Sinovacs Impfstoff „CoronaVac“ wurden mehr als 900 Millionen Dosen geliefert. Meldungen zu schweren Nebenwirkungen gibt es nicht.

Doch das lässt Karl Lauterbach nicht gelten. Anstatt die international erfolgreichen traditionellen Impfstoffe aus China und Indien heranzuziehen, verweist er lieber auf den französischen Impfstoffkandidaten Valneva, der jedoch noch weit von einer Zulassung entfernt ist und zu dem es daher naturgemäß wenig Daten zu Nebenwirkungen gibt. Lauterbachs Fazit: Die Daten stammten „vielleicht aus einer klinischen Studie von 30.000 Leuten. Das ist ein Risiko“. Diese Bewertung ist schon interessant, bewertete er vor einem Jahr doch die Gefahr von Nebenwirkungen des BioNTech-Impfstoffs, der damals auch nur in einer klinischen Studie getestet wurde, noch ganz anders und schwurbelte etwas von „Durchbruch“ und „großartig“. Von Nebenwirkungen und potentiellen Langzeitfolgen der neuen Impfstoffe will Lauterbach – ganz Pharmalobbyist – bis heute nichts wissen.

„Es ist noch nie passiert, dass eine Nebenwirkung erst sehr spät aufgetreten ist“, so Lauterbach. Dann wird der Herr Experte wohl noch nie etwas vom Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix gehört haben. Der wurde 2009/2010 ebenfalls in einem Eilverfahren zugelassen und in zahlreichen Ländern millionenfach verimpft. Ein Jahr später mehrten sich die Hinweise, dass ein Wirkverstärker, der dem Impfstoff beigemengt wurde, die unheilbare Schlafkrankheit Narkolepsie auslösen kann. In Schweden wurde daraufhin ermittelt. Betroffen waren hauptsächlich Kinder. Im Juli 2011 widerrief die EMA ihre Empfehlung für diesen Impfstoff. Heute ist übrigens kein einziger Schweinegrippe-Impfstoff mehr zugelassen. 2015 – also fünf Jahre nach der Impfkampagne – waren in der Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur bereits 1.300 Fälle von Narkolepsie bei Kindern und Jugendlichen bekannt und ein Jahr später musste der schwedische Staat sogar in 311 Fällen einen Schadensersatz in Höhe von bis zu einer Million Euro an die Opfer zahlen. All das hat der „Experte“ Lauterbach nicht gewusst? Unwahrscheinlich.

Ein Kostprobe seines Geschwurbels lieferte Lauterbach dann, als er konkret auf das von Sahra Wagenknecht genannte Beispiel zu einer Nebenwirkung des Impfstoffs gegen das Dengue-Fieber befragt wurde. Hier kann die Impfung – abermals vor allem bei Kindern und Jugendlichen – dazu führen, dass sie im Falle einer Infektion sogar schwerer und tödlich erkranken. Doch das will Lauterbach skurrilerweise nicht als Nebenwirkung gelten lassen. So schwurbelte er …

„Das ist ein Unterschied, ob die Krankheit dann schwerer verläuft, wenn ich geimpft bin oder, äh, eine Nebenwirkung der Impfung. […] Bei Dengue war das etwas anders, aber das ist ja keine Nebenwirkung der Impfung, sondern das ist ein schwerer Verlauf bei Infektion nach Impfung, aber keine Nebenwirkung der Impfung.“

Si tacuisses, philosophus mansisses – wie der Lateiner zu sagen pflegt. Aber was soll man von einem „Experten“ erwarten, der es bei Covid 19 noch nicht einmal schafft, Infektion und Erkrankung auseinanderzuhalten, und nach wie vor den vollkommen faktenwidrigen Standpunkt vertritt, dass Geimpfte nicht zur Verbreitung der Pandemie beitragen?

Warum lässt man ihm das durchgehen?

Dass Lauterbach allen Geschwurbels zum Trotz immer wieder in Talkshows eingeladen, von Zeitungen interviewt und als „Experte“ hofiert wird, ist erstaunlich. Noch erstaunlicher ist, dass ihn niemand in die Schranken verweist und offen widerspricht. Das war auch bei Anne Will zu beobachten, als ihm die Journalistin Christina Berndt zwar inhaltlich in nahezu allen Punkten widersprach, dies jedoch nicht auf seine Aussagen bezog und stattdessen Sahra Wagenknecht wegen kleinerer Widersprüche attackierte. Offenbar genießt Karl Lauterbach Narrenfreiheit … oder aber man versteht seinen rheinländischen, oft wirren Singsang nicht richtig.

Dabei wäre es doch mal eine lohnenswerte Aufgabe für die zahlreichen Faktenchecker in diesem Land, auch einmal die Aussagen eines Karl Lauterbach zu überprüfen. Oder besteht da die Gefahr, dass man dann „den Falschen“ das Wort redet? Offensichtlich denkt man so. Solange die Botschaft mit dem eigenen Narrativen übereinstimmt, interessieren Fakten nicht weiter. Und da kann ein Karl Lauterbach anscheinend schwurbeln, was das Zeug hält. Das interessiert nicht. Denn Schwurbler sind immer nur die anderen.

Titelbild: Screenshot Das Erste