Noch besteht die Chance, Macrons „Weiter so“ zu verhindern

Noch besteht die Chance, Macrons „Weiter so“ zu verhindern

Noch besteht die Chance, Macrons „Weiter so“ zu verhindern

Ein Artikel von Frank Blenz

Die Präsidentschaftswahl in Frankreich steht verdächtig nah vor der Tür, schon am 10. April erfolgt der erste Wahlgang, am 24. April kommt es zur Stichwahl, zu einem Duell der Kandidaten auf den ermittelten ersten zwei Rängen. Einem Trend aktueller Umfragen zufolge liegen drei Politiker, Macron, Le Pen und Mélenchon, vorn. Dass der amtierende Präsident im Fall seiner Wiederwahl sein neoliberales, unerbittliches „Weiter so“ durchziehen wird – es wird den Menschen in Frankreich mehr und mehr bewusst. Vielleicht ist das genau die Chance für den derzeit Dritten der Umfragen, Mélenchon, der mit seinem Programm eine soziale, progressive, den Menschen zugewandte Alternative anbieten will. Falls hingegen die Ultrarechte Le Pen gewänne – es folgte ein „Weiter so“ der Macron’schen Rezepte auf die noch härtere Tour. Von Frank Blenz.

Während der über Monate sich bis auf Platz 3 der Umfragen vorkämpfende Jean-Luc Mélenchon von Termin zu Termin eilt, redet, vorschlägt, diskutiert und immerzu warnt – und zwar vor einer weiteren bleiernen Zeit in der Grand Nation, lehnt sich der Amtsinhaber scheinbar (noch) zurück. Die PR-Maschine läuft, Emmanuel Macron lässt sich schon mal schön ablichten und Fotos via Socialmedia verbreiten; lässig, unrasiert und in bequemer Freizeitkleidung im Präsidentenpalast, wobei seine Arbeitsbereitschaft als Chef rund um die Uhr nicht vergessen wird darzustellen: Aktenstapel unterm Arm. Der 44-Jährige zeigt sich volksnah und cool, die Zielgruppe ist klar: die junge Wählerschaft. Es hat sich bis zu Macron und seinem Umfeld herumgesprochen, dass die jungen Leute einen Wandel wollen, aber eben auch gern schönen Bildern verfallen. Vor allem junge Leute neigen zu Mélenchon.

Macron als Politprofi und Mann im Scheinwerferlicht weiß: Bilder, die Form, der Schein – die triumphieren gern über den Inhalt. Den Inhalt, also die konkrete Politik, die Pläne, das Programm des alten und womöglich neuen Präsidenten Frankreichs, Macron, sollten die Menschen, die jungen wie die alten, eigentlich kennen. Macron rückte damit nicht heraus, jedenfalls bis vor kurzem nicht. Nun präsentierte Macron in dieser Woche seine Leitlinien für das Zeitfenster 2022 bis 2027. Schön formuliert kommt Unschönes für viele zutage: weitere Steuerentlastungen für die Großkonzerne, die in Form von Zuschüssen für Innovation und zur Stärkung der Produktion in Milliardenhöhe auf deren Konto fließen sollen. Auch die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer sollen erhöht werden. Macron macht seinem Namen President de Riches alle Ehre. Für die Menschen an der Basis wird es kühler, marktorientierter, flexibler und privater werden.

Nachgefragt bei dem Frankreichexperten Sebastian Chwala, Politologe aus Marburg, antwortet dieser mit Beispielen, die Frankreich bevorstehen, falls Macron gewinnt:

„Es drohen weitere Einsparungen im Öffentlichen Dienst. Die Beschäftigungsverhältnisse sollen zunehmend dem Privatsektor angeglichen werden. Das geschieht mittels Werkverträgen. Ich sehe eine „Kultur“ der Konkurrenz zwischen allen Ebenen, die etabliert werden soll. Ein weiteres Beispiel: die Schulen und Universitäten sollen vollständig autonom werden. Damit wird gerade im Hochschulbereich Tür und Tor für eine weiter steigende Abhängigkeit privater Investoren gesorgt. Eine ähnliche Entwicklung droht in den Schulen. Schulleitern würde durch eine alleinige Entscheidungsgewalt die Möglichkeit gegeben, repressiv gegenüber gewerkschaftlich aktiven Lehrern vorgehen zu können, da die Arbeitsverhältnisse dann nicht mehr mit dem Staat bestehen, sondern mit der individuellen Bildungseinrichtung. Zudem dürften die Pädagogen unter einer zweiten Präsidentschaft Macrons in Frankreich nicht mit Gehaltserhöhungen rechnen. Die sollen Leistung bringen, sagt der Präsident, wie immer auch man diese objektiv misst.“

Die Liste der Punkte umfasst Vorhaben sozialer Kälte und der Stärkung eines autoritären Kontrollstaates.

Sebastian Chwala sagt:

„Macrons Umverteilungspläne werden durch die geplante endgültige Umsetzung der mit dem Beginn der Covidpolitik zunächst noch ausgesetzten Rentenreform „abgerundet“.“

Stichworte aus diesen Plänen sind unter anderem:

  • das Renteneintrittsalter wird auf 65 erhöht.
  • Die Veränderung des Eintrittsalters bedeutet, dass die Renten deutlich gesenkt werden.
  • Eine Arbeitspflicht für Menschen, die Arbeitslosengeld und Grundsicherung beziehen,
  • Aufrüstung der Polizei (Abwehr Sozialproteste, Abschreckung, Machtdemonstratíon),
  • Abschiebepraxis verschärfen, höhere Hürden für einen Aufenthaltstitel.

Was zu beobachten ist: Macron kann es mit Rechtskandidaten wie Marine Le Pen locker aufnehmen in Bezug auf eine bei beiden zu lesende fremdenfeindliche Programmatik. In Sachen sozialer Kälte offenbart Macron eine Logik, die menschenverachtend erscheint: Erwerbslosigkeit ist persönliches Verschulden. Hilfe darf nicht ohne Gegenleistung gefordert werden, also Arbeitspflicht. Es gelingt wie bei Hartz IV, Fordern und Fördern, meint Pression, Sanktion und Ausgrenzung, Aufbau und Zementierung eines Niedriglohnsektors und die Kontrolle der Arbeitslosenarmee plus Druck auf die, die (noch) einen Job haben: Seht her, wenn …

Es steht nun der 10. April an. Und die Chance für Mélenchon: Macron und Le Pen sind schlicht gleich in Programmatik und Ausrichtung, Mélenchon bietet anderes. Macron spürt, dass er innenpolitisch angreifbar ist, kein Wunder, dass seine PR-Maschinerie auf Hochtouren läuft – inkklusive schöner Fotos aus dem Elyseepalast. Es liegt am Wahlvolk, ob es ein Macron’sches „Weiter so“ gibt.

Titelbild: Frederic Legrand – COMEO/shutterstock.com

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