Grußbotschaft an Christian Lindner

Grußbotschaft an Christian Lindner

Grußbotschaft an Christian Lindner

Ein Artikel von: Redaktion

Der Bundesfinanzminister kauft sich eine Villa für viel Geld mit dem Kredit einer Bank, für die er eine Grußadresse zum Jubiläum beisteuert und gegen hohe Honorare Reden bei Firmenveranstaltungen hält. Nun erwägt die Berliner Generalbundesanwaltschaft, gegen ihn wegen Vorteilsnahme im Amt zu ermitteln. Ralf Wurzbacher glaubt nicht, dass es so weit kommt, und grüßt den FDP-Chef mit Wut im Bauch.

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Sehr geehrter Herr Lindner,

wie man hört und liest, haben Sie die BBBank mit Sitz in Karlsruhe zu deren hundertjährigem Bestehen mit einer Videogrußbotschaft bedacht, die im Mai des Vorjahres vor der Vertreterversammlung abgespielt wurde. Und die mutmaßlich näheren und weiteren Umstände ihres Zustandekommens könnten nun dazu führen, dass Sie Bekanntschaft mit der Berliner Generalstaatsanwaltschaft machen müssen. Medienberichten zufolge wird derzeit geprüft, ob man Sie wegen des Verdachts strafbarer Vorteilsnahme im Amt Ihrer Immunität als Mitglied des Bundestags enthebt, um formal gegen Sie ermitteln zu können. Ich würde dies, mit Verlaub, vollauf begrüßen, wenngleich mich Zweifel beschleichen, dass es wirklich so weit kommt, geschweige denn Sie strafrechtlich belangt und genötigt sein werden, Ihren Hut zu nehmen.

„Die BBBank ist mir von Grund auf sympathisch“, sollen Sie laut Redemanuskript zu besagtem Jubiläum geäußert, die Digitalisierungsstrategie des Geldhauses gerühmt (Stichwort: „Bedenken second“) und dem Vorstandschef Oliver Lüsch angeboten haben: „Gerne bleibe ich dazu mit Ihnen im Austausch.“ Mit wem Sie sympathisieren, ist Ihre Sache, ich selbst tue dies bevorzugt mit Menschen und ganz bestimmt nicht mit Geldhäusern, die immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und mithin auch nicht vor schmutzigen Geschäften zurückschrecken. Ob Letzteres auf die BBBank zutrifft, weiß ich nicht, dafür weiß man inzwischen über Sie, dass das Institut Ihnen einen Kredit über 2,35 Millionen Euro zur Finanzierung einer Berliner Villa genehmigte, die Sie im Januar 2021 erworben haben. Im Sommer 2022 legte die Bank dann mit einer Kreditaufstockung um 450.000 Euro nach – nur wenige Wochen nach Ihrem netten Grußwort. Irritierend ist auch die große Differenz von nunmehr 1,15 Millionen Euro zwischen Grundschuld und Kaufpreis, die, wie der Spiegel schon im vergangenen Oktober befand, „in der Immobilienbranche als ungewöhnlich hoch gilt“.

Für mich als Mensch, Bürger und Steuerzahler hat der Vorgang mehr als nur ein „Geschmäckle“, von dem die Vizevorsitzende der deutschen Sektion von Transparency International, Margarete Bause, sprach. Mir wird geradewegs übel, nicht nur wegen des Falles im Speziellen, sondern des ganzen Drumherums, das diesen und viele, viele vergleichbare Fälle überhaupt möglich macht. Sie, Herr Lindner, legen Wert darauf festzustellen, dass Sie für Ihre Grußadresse kein Geld erhalten hätten, dass solche Auftritte zur „regulären Amtsführung eines Ministers“ gehörten und natürlich keinerlei „Verbindung zwischen dienstlichem Handeln und privaten Geschäftsbeziehungen“ bestehe. Ich dagegen finde es schon abstoßend, wenn Volksvertreter mit ihrem Namen und Gesicht Werbung für ein Unternehmen machen, zumal eines aus der Finanzbranche, die in Berlin, Straßburg und Brüssel eine riesige Armada an Lobbyisten befehligt, um Regierende und Gesetzgeber auf Kurs zu bringen. Fraglos mischt auch Ihre BBBank über Verbandsmitgliedschaften bei derlei Machenschaften mit und der offenbar beste Draht zum Bundesfinanzminister dürfte ihr dabei nicht zum Nachteil gereichen.

Aber das alles ist ganz normal, gängige politische Praxis, nicht strafbar, nicht einmal ehrenrührig – glauben Sie. Augenscheinlich denkt ein großer Teil der Bevölkerung ganz anders, und Sie, Herr Lindner, tragen mit Ihrem Treiben maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Menschen von der politischen Klasse angewidert sind und das allgemeine Vertrauen in die politischen Institutionen immer weiter erodiert. Und mit jedem Eklat mehr, der publik wird, aber für die Akteure ohne Konsequenzen bleibt, wird der Verdruss größer und erhärtet sich der Eindruck eines verkommenen Politbetriebs, bei dem die Interessen der Allgemeinheit nichts und Kungeleien, „Vitamin B“ für gute Beziehungen (BBBank) und Selbstbereicherung alles zählen. Es ist bezeichnend, wenn deutsche „Würdenträger“ mit dem Finger auf andere Länder zeigen und reklamieren: Korruption! Das lenkt von den Zuständen im eigenen Laden ab.

Ja, Sie haben für Ihr Grußwort kein Honorar erhalten. Das durften Sie auch nicht, denn mit den im Oktober 2021 per Abgeordnetengesetz verschärften Regelungen zur Ausübung und Offenlegung von Nebentätigkeiten ist es Mandatsträgern heute untersagt, sich für Vorträge bezahlen zu lassen. Ihre Partei hat sich seinerzeit bei der Abstimmung zum Gesetz enthalten, was nicht von ungefähr kam. Sie selbst waren bis dahin unter allen Parlamentariern einer der bestbezahlten Redenschwinger – außerhalb des Parlaments. Das Portal Abgeordnetenwatch.de listet zu Ihrer Person für die zurückliegende Legislaturperiode mehr als 80 entsprechende Engagements auf, die Sie sich in der Größenordnung von 3.500 Euro bis 15.000 Euro vergüten ließen. Die Gesamteinnahmen bewegten sich damit irgendwo zwischen einer halben und einer ganzen Million Euro – dafür, dass Sie zum Beispiel bei der DWS-Group (Deutsche Bank), Boston Consulting, Allianz oder dem Ring Deutscher Makler vorsprachen.

Allein fünf Mal in vier Jahren schlugen Sie bei „Eventabenden“ der BBBank auf, wofür Sie stets die Hand aufhielten und insgesamt zwischen 24.500 Euro und 51.000 Euro einstrichen. Den genauen Betrag kennen nur Sie, weil die Bezüge damals noch auf einer groben Von-bis-Skala angegeben wurden. Heute sind die Summen auf den Cent genau bei der Bundestagsverwaltung anzuzeigen – noch so eine Neuerung, für die Ihre Partei nicht den Finger heben wollte. In aller Öffentlichkeit haben Sie Ihrer Hausbank schon vor Jahren mit einem Testimonial, also einem Werbefilmchen, Ihre „Sympathien“ bekundet. Da erzählten Sie etwas von Ihrer ersten eigenen Wohnung, nachdem Sie mit 18 Jahren das Elternhaus verlassen hatten, und schwärmten von Freiheit und Unabhängigkeit. Zu Wochenanfang war das Filmchen bei Youtube noch zu sehen, jetzt nicht mehr. Waren Sie so frei, die Löschung zu veranlassen?

Freilich sind Sie nicht der einzige Absahner im Hohen Haus. Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten in der 19. Legislaturperiode sich nebenher etwas „dazuverdient“, alles in allem 53 Millionen Euro. Das waren im Schnitt knapp 75.000 Euro für jeden Abgeordneten. Treffend ist der Titel der Analyse: „Aufstocker im Bundestag.“ Damals erhielt man als Parlamentarier eine Diät von rund 10.000 Euro pro Monat, während Hartz-IV-Empfänger zum Leben und Wohnen rund 800 Euro zustanden. Ließe man einen Betroffenen bei der Commerzbank ein Grußwort sprechen, müsste der sein Verdienst mit der Stütze verrechnen.

„Wenn ein Bundesfinanzminister freundliche Worte für ein Geldhaus findet, das ihm anschließend den Kreditrahmen großzügig erweitert, dann wirft das Fragen auf“, schreibt die Deutsche Welle. Bei mir setzen die Fragen schon ein, sobald ein Politiker für ein Unternehmen ohne mutmaßliche Gegenleistung hausieren geht. Derlei müsste sich für einen Volksvertreter verbieten, weil es sich mit dem Gebot der Unabhängigkeit beißt. Wo nämlich Beziehungen zwischen Politikern und wirtschaftlichen Interessenvertretern angebahnt, aufgebaut und gepflegt werden – wofür nicht einmal Geld fließen muss – wird der politische Betrieb als Ganzes korrumpiert. Man denke nur an Ihre persönliche Nähe zum Ex-Porsche-Boss Oliver Blume (heute VW-Chef), der sich vor seinen Mitarbeitern damit brüstete, dass die klimaschädlichen E-Fuels „in den Koalitionsvertrag miteingeflossen sind“. O-Ton: „Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten.“

Oder nehmen wir die ganzen anderen Affären, etwa die von Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der sein Ressort mit einer Zweigstelle der Autoindustrie verwechselte. Oder das Gebaren von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sich mit einer riesigen Schar an industrienahen Beratern umgab und später als EU-Kommissionschefin mit Pfizer milliardenschwere Verträge aushandelte, die die Hersteller der Corona-Impfstoffe von der Haftung bei Impfschäden befreien. Dazu der Skandal mit den Maskendeals, bei dem mehrere Abgeordnete auf „Importeur“ umschulten, um zum Höchstpreis und mit Spitzenrendite Schrottware zu beschaffen, die jetzt teuer vernichtet werden muss.

Eine Berliner Villa unter dubiosen Umständen hat sich auch Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeschafft, mit dem Kredit einer Bank, bei der er im Verwaltungsrat saß, und abgesichert mit einer Erbschaft, die es gar nicht gibt. Oder denken Sie beim Cum-Ex-Skandal an die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz, der im Umgang mit einem Hamburger Banker unter für sein Alter unerklärlichen „Erinnerungslücken“ leidet. Wer nimmt ihm das ab? Ich nicht und viele Bürger gewiss auch nicht. Aber obwohl der Fall zum Himmel stinkt, nehmen die Hamburger und die Kölner Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen auf. Auch das trägt zum Missmut der Menschen bei. Irgendwie scheint der Aufklärungseifer der Justiz mit der Höhe des Amtes zusammenzuschnurren.

Ich fürchte, Herr Lindner, Ihr Fall wird nicht anders enden. Die Generalstaatsanwaltschaft lässt verlauten, man sei, „wie in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird, aufgrund der Berichterstattung des Spiegel in eine bei Abgeordneten in Hinblick auf deren Immunität übliche Vorprüfung eingetreten, die noch andauert“. Falls der Kreditzuschlag tatsächlich als direkte Gegenleistung für das Grußwort erfolgte – wie sollte sich das beweisen lassen? Und sollte es dafür Zeugen geben, könnten die immer noch von plötzlicher Vergesslichkeit befallen werden.

Derweil erfährt man aus der Presse, was Ihr Ministerium alles unternimmt, die Aufklärung der Hintergründe zu behindern. Wer nichts zu verbergen hat, agiert anders, mit totaler Transparenz. Dann bleibt auch nichts an der Person und dem politischen Amt hängen, wenn die Vorwürfe ausgeräumt sind. Sie dagegen haben Ihr Amt in kurzer Zeit schon so besudelt, dass selbst ein „Freispruch“ erster Güte aus Ihnen keinen Saubermann mehr macht. Aber das werden Sie bestimmt verschmerzen, spätestens nach Ende der Politikerlaufbahn. Dann machen Leute wie Sie erst richtig Kasse.

Titelbild: 1take1shot/shutterstock.com

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