Döpfner-Mails: Berechtigte Empörung und viel Heuchelei

Döpfner-Mails: Berechtigte Empörung und viel Heuchelei

Döpfner-Mails: Berechtigte Empörung und viel Heuchelei

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Viele der internen Aussagen des Springer-Chefs Mathias Döpfner sind verstörend. Aber wirklich überrascht muss man vom Grundtenor nicht sein. Außerdem – wenn sich nun eine dysfunktionale Medienlandschaft über Döpfner stellt und ihn als „besonders“ schwarzes Schaf markiert, dann ist das zum Teil Weißwaschung und Heuchelei: Durch ihr jahrelanges Verhalten (unter anderem) bei sozialen Fragen und aktuell durch die Corona-Kampagnen und die Kriegstreiberei haben viele Journalisten das Recht auf moralische Überheblichkeit vorerst verwirkt. Auch die Praxis, mit internen „Leaks“ Personen „abzuschießen“, gehört auf den Prüfstand – selbst wenn es mal den „Richtigen“ treffen sollte. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Aus internen und privaten Mitteilungen, Mails oder Chats des Chefs des Axel-Springer-Verlags („Bild“, „Welt“ etc.), Mathias Döpfner, wurde kürzlich von der Wochenzeitung „Die Zeit“ zitiert. Das Blatt hatte einen langen Bericht über Döpfner gebracht und sich laut „Tagesschau“ auf Dokumente berufen, die aus den vergangenen Jahren stammen sollen. Es handele sich um Botschaften aus dem engsten Führungskreis des Medienkonzerns. Viele seien vom Springer-Chef selbst.

Fragwürdige Veröffentlichungen?

Die in den Döpfner-Zitaten teils deutlich werdende inhaltliche Verrohung finde ich sehr befremdlich, aber nicht überraschend. Die Form, wie sie nun veröffentlicht werden, finde ich fragwürdig. Die Motive für den „Leak“ bleiben im Dunkeln. Die Entrüstung in Teilen der Politik und in anderen Medien kann teilweise als Heuchelei eingeordnet werden.

Andererseits muss Döpfner nicht verteidigt werden. Wenn jemand die Kanäle für eine solche Verteidigung hat, dann er (im Gegensatz zu den zahlreichen „Opfern“ von skrupellosen mutmaßlichen Springer-Kampagnen). Aber die Dinge liegen nicht so eindeutig. Ich schließe mich bei der Einordnung der Vorgänge teilweise diesem Leser-Kommentar im Forum des „Spiegel“ an:

„Meine Meinung über Herrn Döpfner ist ausgesprochen negativ. Seine Aussagen überraschen mich auch nicht. Vielleicht dass man so wenig Cleverness hat so etwas in Mails zu schreiben und ihre Radikalität. Aber, und dieses Aber ist wirklich sehr groß, in welchem Land lebe ich das Mails von Menschen veröffentlich werden? Ohne das diese ihr ok geben. Ja, Herr Döpfner wäre genauso wenig zimperlich . Aber deswegen mag ich ihn auch nicht und seinen Journalismus.“

Döpfners „krassesten Zitate“

Viele der nun zitierten Aussagen Döpfners sind fragwürdig, gar verstörend – etwa das bizarre Bild, das er offenbar von ostdeutschen Mitbürgern pflegt. Die „krassesten Zitate“ hat die „Berliner Zeitung“ in diesem Artikel gesammelt. Die „taz“ fasst die Essenz der Döpfner-Mails folgendermaßen zusammen:

„Aus der Zeit-Recherche ergibt sich das Bild eines mächtigen Mannes, der die Bundespolitik beeinflussen, Angela Merkel absägen und die Ostdeutschen fertigmachen will. Ein Mann, der den Klimawandel eigentlich ganz gut findet, in Trump einen geeigneten US-Präsidenten sieht und die Wahl Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen der AfD unproblematisch findet. Er selbst fasst sein Weltbild in einer Nachricht so zusammen: `free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs.’“

„Aus dem Zusammenhang gerissene Text- und Gesprächsschnipsel“

Weitere Hintergründe der „Schlammschlacht um Springer“ finden sich in diesem Artikel beim Medienjournal „Kress“. „Die Zeit“ hat laut dem Artikel die Dokumente, „soweit möglich“, verifiziert sowie die Betroffenen um Stellungnahme gebeten, „allen voran Döpfner selbst“. Zu einem Gespräch sei Döpfner nicht bereit gewesen.

Das Medienmagazin „Meedia“ hat in diesem Artikel (hinter Bezahlschranke) aktuelle Erklärungen von Döpfner veröffentlicht. Darin sagt er unter anderem:

„‚Der heutige Artikel in der ‘Zeit’ besteht aus angeblichen Gesprächen oder Zitaten privater Textnachrichten (…). Wir lassen uns an dem messen, was in unseren Publikationen steht. Nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen und aus jedem Zusammenhang gerissenen Gesprächen und Chats. Solche Gesprächsfetzen als öffentliche Statements und Handlungsanweisungen darzustellen, ist falsch. (…) Ich habe natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands. Aber ich bin seit Jahrzehnten enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind. (…) Ich habe nicht die geringsten Vorurteile gegen Muslime und habe großen Respekt für die Religion des Islam. Aber ich halte den Islamismus, also die terroristische Radikalisierung des Islam, für eine Bedrohung demokratischer Werte und unserer Sicherheit.’ (…)“

Er sehe auch den US-Präsidentschaftsanwärter Donald Trump „sehr kritisch“, so Döpfner, und halte „sein Demokratieverständnis für gefährlich, aber manche Entscheidungen oder Äußerungen zu China und Nato fand ich richtig. So kompliziert ist es manchmal“. (…) „Wie ich denke“, so Döpfner, „zeigen meine über vier Jahrzehnte publizierten Artikel. Für jedes veröffentlichte Wort lasse ich mich in die Verantwortung nehmen. Aus dem Zusammenhang gerissene Text- und Gesprächsschnipsel können nicht als mein ‘wahres Denken’ dagegengesetzt werden“.

In diesem Kommentar fordert „Meedia“ Döpfner zum Rücktritt auf. Es gibt bereits ähnliche Stellungnahmen aus der Politik. Laut „Spiegel“ fordert etwa der Ostbeauftragte der Regierung nun den Rauswurf von Döpfner.

Wer hat eigentlich keine „verbalen Leichen“ im Keller?

Zum Abschluss einige Fragen, die sich nun aufdrängen: Darf man solche internen (gar „privaten“) Textnachrichten veröffentlichen, wenn ja: Wird das nun auch andere Politiker und Journalisten treffen – und wäre das zu begrüßen und was würde eine Akzeptanz solcher Leaks für interne Kommunikationen künftig bedeuten? Stehen die internen Botschaften wirklich für den „wahren Döpfner“, der sich öffentlich nur „gezähmt hat“? Und: Wer hat eigentlich keine „verbalen Leichen“ im Keller seiner internen/privaten Mails, kann man mit solchen Veröffentlichungen also nicht jede beliebige Person bei Bedarf „abschießen“? Was sind die Motive für die Leaks: Ein wirtschaftlicher Konkurrent? Ein verärgerter Mitarbeiter? Stehen (geo-)politische Gründe dahinter? Oder geht es bei dem Vorgang tatsächlich nur um den edlen Willen der Aufklärung?

Einige dieser Fragen sind prinzipiell, sie haben mit der Person Döpfner nichts zu tun. Ich möchte Springer-Journalismus nicht verteidigen. Und auch nicht die interne Kommunikation Döpfners oder sein Trommeln für Parteien, denen ich nicht folge. Ich empfinde aber die Vorwürfe gegen Döpfner mindestens teilweise als Weißwaschung und als Heuchelei: vor allem vonseiten jener Journalisten und Politiker, die bereits seit Langem (unter vielem anderen) auf Gebieten der Sozialen Frage gegen die Interessen der Bürger wirken und die sich aktuell an der Diffamierung von Kritikern der Corona-Politik beteiligt haben und das nun auch beim Trommeln für deutsche Waffenlieferungen tun. Außerdem gehört das Prinzip, mit internen „Leaks“ Personen „abzuschießen“, meiner Meinung nach auf einen strengen Prüfstand – auch wenn es nun (je nach Sichtweise) vielleicht mal „den Richtigen“ getroffen hat.

Titelbild: nitpicker / Shutterstock

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