Wieso finanziert das Bundesfamilienministerium eine Plakatkampagne gegen die NachDenkSeiten?

Wieso finanziert das Bundesfamilienministerium eine Plakatkampagne gegen die NachDenkSeiten?

Wieso finanziert das Bundesfamilienministerium eine Plakatkampagne gegen die NachDenkSeiten?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Unter der Überschrift „Putin-Propaganda in Deutschland“ läuft bis zum 17. September eine explizit gegen die NachDenkSeiten gerichtete Plakat- und Flyerkampagne in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Die NachDenkSeiten werden dort als „Querfrontmedium“ und „Neue Rechte“, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, „geframed“. Finanziert wird das Ganze aus Steuermitteln, genauer mit Geldern des Bundesfamilienministeriums im Rahmen des Programms „Demokratie leben“. Wir fragten auf der Bundespressekonferenz beim Ministerium und dem Regierungssprecher nach, mit welcher Begründung Steuergeld in solche Art von Diffamierungskampagnen gesteckt wird. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ab Ende August erreichten uns Dutzende aufgeregter Leserzuschriften, die uns auf eine Veranstaltung in Wiesbaden am 14. September zu den NachDenkSeiten unter den schon genannten Schlagworten sowie eine dies begleitende Plakatkampagne aufmerksam machten:

Der Flyer zu der hauptsächlich vom Bundesfamilienministerium finanzierten Veranstaltung ordnet die NachDenkSeiten zwischen „Neuer Rechter“ und „Rechtsextremismus ein. Oder wie anders ist der Slogan „Wir überlassen der Neuen Rechten weder die öffentlichen Räume noch den öffentlichen Diskurs“ sowie die Moderation durch einen „Rechtsextremismusexperten“ zu verstehen? Auf der Website zu der Veranstaltung werden die NachDenkSeiten zudem noch als „Feinde der offenen Gesellschaft“ bezeichnet.

Organisiert wurde die Veranstaltung und dazugehörige Kampagne gegen die NachDenkSeiten durch „MOMENTMAL! Aktion für eine offene Gesellschaft“, eine Art regionale NGO, die laut Impressum Teil der „Martin-Niemöller-Stiftung e.V.“ ist. Die Martin-Niemöller-Stiftung ist auf den genannten Plakaten „Putin-Propaganda in Deutschland – Die „NachDenkSeiten“ als Querfrontmedium?“ als „Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes“ genannt.

In der Selbstbeschreibung der Organisatoren heißt es:

„Unser Anliegen ist die Verteidigung der offenen Gesellschaft gegen die Angriffe der völkisch-nationalistischen Bewegung, deren parlamentarischen Arm mittlerweile die AfD bildet.“

Geladener Gast bei dieser Veranstaltung war der Politikwissenschaftler Markus Linden, der vergangenes Jahr eine hochtendenziöse und in Fachkreisen scharf kritisierte Auftragsstudie im Rahmen des umstrittenen Projekts „Gegneranalyse“ über die NachDenkSeiten verfasst hatte. Auftraggeber war die Grünen-nahe „Denkfabrik“ „Zentrum Liberale Moderne“. Ziel des Projektes war es laut eigener Darstellung, „systemoppositionelle“ Medien zu überwachen und zu analysieren. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit legen die Macher dabei ebenfalls auf die NachDenkSeiten. Finanziert wurde dieses Projekt mit  284.590,33 Euro ebenfalls durch das Bundesfamilienministerium.

Vor diesem skizzierten Hintergrund fragte ich am 13. September auf der Bundespressekonferenz das Bundesfamilienministerium, mit welcher Begründung man im Ministerium eine solche Form der Diffamierungskampagne gegen ein Medium wie die NachDenkSeiten finanziert. Ebenso wollte ich von Regierungssprecher Steffen Hebestreit wissen, wie Kanzler Olaf Scholz es denn bewertet, dass so eine Form der Kampagne vom Grünen-geführten Familienministerium gesponsert wird, gegen ein Medium, dessen Herausgeber ein langgedienter Sozialdemokrat ist und Wahlkampfleiter von Willy Brandt war. Die Antworten? Sehen Sie selbst:

Die vom Ministerium angesprochene „Nachreichung“ erreichte uns gestern. Diese lautet wie folgt:

„Das BMFSFJ teilt mit:

Die Partnerschaften für Demokratie werden von der jeweiligen Kommune beantragt und im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung auf Basis der Grundsätze der Förderung umgesetzt.

Wie die Auswahl und Ausgestaltung von Projekten konkret erfolgt, liegt – im Rahmen der Vorgaben der Förderrichtlinie und der Grundsätze der Förderung – im Ermessen des zuständigen Amtes innerhalb der Kommunalverwaltung.

Bezüglich Ihrer Anfrage weisen wir darauf hin, dass es sich bei der Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms “Demokratie leben!” in diesem Fall nicht um die Förderung der Veranstaltung selbst handelt.“

Wiedergabe der Fragen und Antworten im Wortprotokoll der Bundespressekonferenz:

FRAGE WARWEG: Ich hätte eine Frage an das Familienministerium. Derzeit wird in Wiesbaden eine groß angelegte Plakatkampagne gegen das Onlinemedium „NachDenkSeiten“ gefahren. Die hessische Landeshauptstadt ist voll mit Plakaten plakatiert. Darauf heißt es dann „Putin-Propaganda in Deutschland“ und wird auf die „NachDenkSeiten“ als angebliches „Querfront“-Medium verwiesen. Diese Kampagne wird vom Bundesfamilienministerium über das Projekt „Demokratie leben!“ finanziert. Mich würde interessieren: Mit welcher Begründung finanziert das Familienministerium so eine Plakatkampagne gegen ein sich im linken, sozialdemokratisch verortenden Onlinemedium?

FAMILIENMINISTERIUM: „Demokratie leben!“ ist ja kein Projekt, sondern ein Programm des Ministeriums. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich sozusagen über eine einzelne Förderung oder den Inhalt eines einzelnen Förderungsbescheids hier nicht ad hoc Auskunft geben kann. Ich würde das in Erfahrung bringen und die Antwort nachreichen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Wie bewertet denn der Bundeskanzler, dass ein grün geführtes Ministerium mit hohen Steuergeldzahlungen eine Kampagne gegen ein Medium finanziert, dessen Herausgeber ein altgedienter Sozialdemokrat ist, der auch für Willy Brandt den Wahlkampf geleitet hat?

HEBESTREIT: Ich glaube, Parteizugehörigkeiten spielen bei so etwas gar keine Rolle. Aber die Kollegin aus dem BMFSFJ hat ja schon gesagt, dass sie nicht selbst auskunftsfähig ist, was den Hintergrund dessen betrifft. Ich höre das hier zum ersten Mal und kann Ihnen dazu auch keine erhellenden Hinweise geben. Ob die Selbstbeschreibung Ihres Mediums mit meiner übereinstimmen würde, da bin ich in Zweifel. Aber es ist auch nicht an mir, das zu beurteilen.

ZURUF WARWEG: ohne Mikrofon, akustisch unverständlich (Sie können auch gerne Ihre eigene Einschätzung zu den NachDenkSeiten nachliefern…)

BPK-MODERATORIN BUSCHOW: Gibt es weitere Fragen zu diesem Thema? – Dann vielleicht von mir nur die Einschätzung, dass es neu ist für die Bundespressekonferenz, wenn man ziemlich in eigener Sache unterwegs ist. Eigentlich sind die Gepflogenheiten hier andere.

Ende des Protokollauszugs. 

Werte NachDenkSeiten-Leser: Falls Sie Themenvorschläge für Fragen an die Bundespressekonferenz haben, schicken Sie uns gerne eine Mail an: [email protected]

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.