Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Reaktionen auf den Landesverrat
  2. Landesverrat. Wir machen mit. Unterstützt netzpolitik.org
  3. Heiko Maas und die SPD werden auch mal verraten
  4. Griechenland
  5. Friedman hatte recht
  6. Arbeitsmarkt : Nur ein halber deutscher Boom
  7. Dümmer geht’s nimmer – der Einzelhandel verkauft deutlich weniger und Spiegel-Online jubelt
  8. Die Heimat des Terrors
  9. Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Produktion – Hype oder Megatrend?
  10. “8 Thesen zur aktuellen hochschulpolitischen Lage in NRW und der BRD”
  11. Olympia-Vergabe an Peking: “Falsche Botschaft an die falschen Leute”
  12. Nahost im 21. Jahrhundert: Kampf der Religionen?
  13. Propaganda machen immer nur die anderen
  14. Rezension: Thomas Meyer, Die Unbelangbaren – Journalismus als Schlachtfest
  15. Zu guter Letzt: Millionen Bürger ermitteln gegen Generalbundesanwalt wegen Verdachts auf Hirnrissigkeit

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Reaktionen auf den Landesverrat
    1. Bundesanwalt gegen “netzpolitik.org”: Bedingt ermittlungsbereit
      Bisher blieb der Generalbundesanwalt in den großen Geheimdienstaffären untätig. Nun ermittelt er endlich – aber gegen die Falschen.
      Es klingt wie ausgedacht. Daten aus den innersten Kreisen der Macht fließen ins Ausland ab, Unterlagen über Geheimes gelangen in die Öffentlichkeit. Die Kanzlerin kann Protokolle ihrer eigenen Telefonate im Internet nachlesen. Der Geheimdienst, der im Inland Spionageabwehr leisten soll, ist offenkundig machtlos. Der Generalbundesanwalt sieht sich außerstande, gegen die Täter zu ermitteln. Es fehlt ihm an Indizien.
      Das ist bundesdeutsche Realität im Jahr 2015. Bundesministerien und auch die Kanzlerin selbst wurden abgehört, der Verfassungsschutz hat in Sachen Spionageabwehr versagt. Der andere große Geheimdienst, der BND, kooperiert sogar mit den mutmaßlichen Tätern. Generalbundesanwalt Harald Range sieht sich nicht in der Lage, für Aufklärung zu sorgen.
      Bei einem anderen Thema sind beide, Verfassungsschutz und Generalbundesanwalt, deutlich agiler: Wenn es um die Einschüchterung von Journalisten geht.
      Quelle: Christian Stöcker auf Spiegel Online
    2. Eine Warnung an alle
      Geheimdienstchef Maaßen dürfte die Empörung über das Verfahren gegen “netzpolitik.org” nicht stören. Im Gegenteil. Was er am meisten fürchtet, ist ein deutscher Snowden.
      Hans-Georg Maaßen ist kein Anfänger. Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes ist lange genug im Amt, um die Folgen seiner Handlungen und Äußerungen abschätzen zu können. Mit den Strafanzeigen gegen Markus Beckedahl und André Meister von netzpolitik.org hat er die Medien praktisch gezwungen, seine eigentliche Botschaft zu verbreiten.
      Maaßen muss klar gewesen sein, dass sich netzpolitik.org von einem Brief des Generalbundesanwalts nicht einschüchtern lassen, sondern diesen im Gegenteil erst einmal veröffentlichen würde. Der Brief hängt jetzt dekorativ neben Beckedahls Auszeichnung zum Journalisten des Jahres und dem Grimme Online Award.
      Auch über die Reaktionen auf eine solche Anzeige und die ersten Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Journalisten seit 1983 muss sich Maaßen im Klaren gewesen sein. Natürlich springen quer durch die Republik nun Redaktionen den Kollegen von netzpolitik.org zur Seite und machen Landesverrat zu einem lange nicht gehörten und gefährlich klingenden Signalwort. Genau darauf könnte es Maaßen abgesehen haben.
      Quelle: Zeit Online
    3. “Da scheint einiges aus dem Lot geraten”
      Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz bezeichnete die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen zwei Journalisten von “netzpolitik.org” wegen Landesverrats als “maximal bizarren Vorgang” und beklagte Unverhältnismäßigkeit: Im größten Überwachungsskandal aller Zeiten rühre die Bundesanwaltschaft seit zwei Jahren keinen Finger, sagte er im DLF.
      Quelle: DLF
    4. Neulandesverrat
      Im vor einem Monat vorgestellten Verfassungsschutzbericht findet sich zum NSA-Skandal nur ein magerer Absatz (S. 154), der dem inoffiziellen Motto des Partnergeheimdienstes folgt: N(ever) S(ay) A(nything). Der von CIA/NSA-Insider Edward Snowden bewirkte größte Leak der Geheimdienstgeschichte ist weder für die Generalbundesanwaltschaft noch für den Inlandsgeheimdienst mit dem Tarnnamen Verfassungsschutz ein Anlass, wenigstens ein Ermittlungsverfahren gegen die persönlich bekannten Spione aus Fort Meade oder im Darmstädter Dagger Complex einzuleiten. Nicht einmal das quasi sogar von Präsident Obama eingeräumte Abhören der Bundeskanzlerin vermochte die Spitzenbeamten zu juristischen Maßnahmen stimulieren.
      Noch immer laufen BND-Schlapphüte und Kanzleramtschefs frei herum, die einen Großteil der innerdeutschen Kommunikation fröhlich in die USA ausleiten. In dem Land, in dem theoretisch die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe steht, dürfen von Ramstein aus Menschen und ihre unbeteiligten Begleiter auf erstaunlich vager Verdachtslage hinterrücks exekutiert werden…
      Ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats würde einen ernsthaften Anfangsverdacht voraussetzen. Zweifelhaft ist bereits, ob die Pläne zur Einrichtung einer Referatsgruppe zur Internetüberwachung als Staatsgeheimnis gewertet werden können, denn diese Nachricht hatte ihren Weg schon in die Presse gefunden. Die konkreten Dokumente dürften daher nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Es reicht außerdem nicht, lediglich Staatsgeheimnisse “an einen Unbefugten gelangen zu lassen oder öffentlich bekannt zu machen, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen”. Erforderlich ist vielmehr auch eine Absicht bzgl. dieser Gefahr.
      Anders als bei vielen Tatbeständen des Strafgesetzbuches reicht eine bloß billigende Inkaufnahme nach herrschender Meinung nicht aus. Die Vorstellung, die Macher von netzpolitik.org hätten es auf eine Gefährdung der äußeren Sicherheit abgesehen, dürfte fernliegend sein.
      Auf der Ebene der erforderlichen Rechtswidrigkeit darf man sich auch die Frage stellen, wer näher an der Verfassung ist – die Massenüberwacherprivater Internetkommunikation oder die Leute, die ihre Grundrechte aus Art. 5 GG und Art. 10 GG einfordern. Bei einem solchen Selbstverständnis, wie es aktuell der Geheimdienst beweist, bekommt man einen Vorgeschmack davon, was demnächst mit den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung von Maas passieren könnte.
      Quelle: Markus Kompa auf Telepolis
    5. Grenzenloser Verrat
      Die ganz klugen Köpfe werden den Bloggern, die in den vergangenen Jahren mehr investigative und aufklärerische Arbeit als so manche Vollredaktion geleistet haben, einfach den Status als Journalisten absprechen. Was sie alle vergessen werden zu erwähnen, ist die Untätigkeit der Bundesanwaltschaft angesichts der Massenüberwachung durch die NSA.
      Nun wäre es natürlich eine recht billige Retourkutsche, Verfassungsschutz und BND für ihre Kumpanei, respektive Duldung ausländischer Geheimdienste selber Landesverrat vorzuwerfen. Der Fall ist in Wirklichkeit viel dramatischer, denn während deutsche Behörden die NSA und rechtsradikale Terroristen gewähren lassen, Journalisten aber verfolgen, verraten sie die Ideale einer freien und demokratischen Gesellschaft. Und diese Ideale, von denen die Freiheit der Presse nur eines ist, kennen keine Ländergrenzen und bewegen sich damit jenseits von so anachronistischen Kategorien wie dem „Landesverrat“.
      Quelle: Daniel Kretschmar in der taz
    6. Scharfe Kritik an Ermittlungen wegen Landesverrats
      Linke und liberale Politiker sehen die Pressefreiheit bedroht. Das sei ein schlechter Scherz, twittert SPD-Vize Stegner. Auch der Datenschutz-Experte Schaar ist entsetzt.
      Auch der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil, hält das Verfahren für falsch. “Eigentlich dachte ich, der Generalbundesanwalt ist mit Ermittlungen wegen Abhören von Kanzleramt und Ministerien voll ausgelastet”, schrieb der Bundestagsabgeordnete auf Twitter.
      Verständnislos äußerte sich auch Grünen-Politikerin Renate Künast. “Mich ärgert das Missverhältnis”, sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der US-Geheimdienst NSA würde massenhaft ausspähen und abhören. “Und da passiert gar nichts. Das erbost  mich und ist rechtsstaatlich eine Blamage.” Journalisten hätten einen großen Beitrag zur Aufklärung dieser Sachverhalte geliefert: “Wenn es keinen investigativen Journalismus gäbe, dann wüssten wir gar nichts.” 
      Auch die Partei Die Linke nannte das Verfahren auf dem netzpolitischen Twitter-Account aller Fraktionen “einen Angriff auf die Pressefreiheit”.
      FDP-Chef Christian Lindner zieht Parallelen zu der sogenannten Spiegel-Affäre von 1962.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung AT: Inzwischen hat sich Generalbundesanwalt Harald Range gegenüber der FAZ zurückrudernd geäußert. Er verteidigt sein Vorgehen mit dem Argument, dass ein förmliches Verfahren notwendig sei, um festzustellen, ob es sich bei den Veröffentlichungen um Staatsgeheimnisse handelt. Da genügt doch eigentlich ein Blick auf die Unterlagen. Und da steht “VS-vertraulich”. Doch einfach geht bei Range nicht. So könnte der gelernte Jurist zum Beispiel auch die Kanzlerin fragen, ob es zutreffend ist, was in den Dokumenten steht, die Wikileaks kürzlich veröffentlicht hat, tut er aber nicht.

  2. Landesverrat. Wir machen mit. Unterstützt netzpolitik.org
    Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen unsere Kollegen von netzpolitik.org wegen Landesverrat. Dabei haben die nur das gemacht, was zur ureigenen Aufgabe von Journalisten gehört: Geheime Pläne bekannt zu machen, damit die Gesellschaft darüber diskutieren kann. Die Attacke auf netzpolitik.org ist deshalb eine Attacke auf alle Medien. Lasst uns gemeinsam die Kollegen verteidigen!
    Quelle 1: correctiv.org via YouTube
    Quelle 2: Landesverrat? Soll er doch gegen uns alle ermitteln!

    Anmerkung NDS: Auch wir veröffentlichen die Dokumente, deretwegen der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Strafanzeige gegen Markus Beckedahl und Andre Meister von netzpolitik.org gestellt hat und woraufhin die Bundesanwaltschaft Ermittlungen wegen Landesverrats und der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen aufgenommen hat.

    Hier die Veröffentlichung von Andre Meist vom 15. April 2015:
    Geheime Referatsgruppe: Wir enthüllen die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung (Updates)
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz errichtet für mehrere Millionen Euro eine neue Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung. Das geht aus dem geheimen Konzept zur „Erweiterten Fachunterstützung Internet“ hervor, das wir veröffentlichen. Über 75 Spione sollen Chats und Facebook überwachen, Bewegungsprofile und Beziehungsnetzwerke erstellen sowie „verdeckte Informationen erheben“….
    Quelle: netzpolitik.org

    Und hier noch die Veröffentlichung vom 25. Februar 2015
    Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an „Massendatenauswertung von Internetinhalten“ (Updates)
    Der Verfassungsschutz arbeitet daran, massenhaft Internet-Inhalte zu erheben und auszuwerten, darunter Kontaktlisten und Beziehungsgeflechte bei Facebook. Dafür hat der Inlandsgeheimdienst einen Posten von 2,75 Millionen Euro in seinem geheimen Haushalt eingeplant, den wir veröffentlichen. Diese Daten sollen mit anderen verknüpft und gerastert werden, um „bislang unbekannte Zusammenhänge festzustellen“.
    Geheimer Haushalt
    Wie viel Geld die deutschen Geheimdienste erhalten und wofür sie das ausgeben, wird als geheimhaltungsbedürftig eingestuft und soll nicht öffentlich bekannt werden. Im offiziellen Bundeshaushalt tauchen nur „Zuschüsse“ auf. Im Jahr 2013 bekam das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 206 Millionen Euro „Zuschuss“, dieses Jahr 230 Millionen Euro, ein Plus von 12 Prozent.
    Die einzelnen Haushaltsposten werden im Bundestag nicht vom Haushaltsausschuss verhandelt, sondern im Geheimen vom Vertrauensgremium entschieden. Wir haben jetzt einen Teil dieses geheimen Haushaltsplans für den Verfassungsschutz aus dem Jahr 2013 erhalten (und veröffentlichen ihn). Demnach veranschlagte der Inlandsgeheimdienst 2,75 Millionen Euro für den Posten „Technische Unterstützung des Prozesses Internetbearbeitung“…
    Quelle: netzpolitik.org

    Hier der Brief des Generalbundesanwalts

    Dazu: Petition: Einstellung des Verfahrens wegen Landesverrats gegen Netzpolitik.org
    Wir fordern den Generalbundesanwalt und den Bundesjustizminister auf, das Verfahren gegen die Betreiber von Netzpolitik.org, Herrn Markus Beckedahl und Andre Meister, wegen Landesverrates sofort einzustellen. Dieses Verfahren dient nicht der Aufklärung, sondern ist ein massiver Eingriff in die Pressefreiheit und ein Versuch die Arbeit von Netzpolitik.org zu beeinflussen und die Betreiber einzuschüchtern. Es gab seit der Spiegel-Affäre keinen solchen Schritt gegen die Presse in Deutschland.
    So werden Journalisten und insbesondere ihre Quellen vor zukünftigen Recherchen abgeschreckt und ein Klima der Angst geschaffen. Dieses gefährdet den investigativen Journalismus in Deutschland, der sehr wichtig für unsere demokratische und freiheitliche Gesellschaft ist.
    Anstatt gegen die journalistische Tätigkeit von Blogs wie Netzpolitik.org vorzugehen, sollte der Generalbundesanwalt die wirklichen Probleme angehen. Gerade in der NSA und BND Affäre wäre ein entschiedenes und konsequentes vorgehen von Herrn Range wichtig. Dies ist aber bisher leider nur unzureichend geschehen.
    Petition unterschreiben
    Quelle: Change.org

    Dazu auch: Spendenzusagen für Netzpolitik.org schnellen in die Höhe
    SZ: Ihre Seite Netzpolitik.org finanziert sich über Spenden. Nun ermitteln die Bundesanwälte gegen Sie wegen Landesverrats. Macht sich das bei den finanziellen Zusagen bemerkbar?
    Markus Beckedahl: Wir spüren jedenfalls viel Solidarität im Netz. Da wird zum Beispiel unsere IBAN-Nummer als Hashtag getrendet. Wie es jetzt tatsächlich auf unserem Konto aussieht, kann ich nicht sagen. Unsere Buchhaltung hat freitags ihren freien Tag.
    Womit rechnen Sie denn angesichts der Reaktionen?
    Ich glaube, die Zusagen über Nacht liegen inzwischen irgendwo zwischen 500 und 1000 Spenden. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 3000 einzelne Spender. Wenn jetzt nur jeder Zweite seine Ankündigung wahr macht, dann können wir zukünftig noch mehr investigativ recherchieren, wie unsere Geheimdienste im Überwachungssumpf eingebunden sind. Das wäre natürlich ein schöner Nebeneffekt der Ermittlungen gegen uns.
    Quelle: Süddeutsche

  3. Heiko Maas und die SPD werden auch mal verraten
    So schnell kann es eben gehen: Die Vorratsdatenspeicherung wird unter dem Verdacht des „Landesverrats“ ein Mittel der Behörden zur Bekämpfung ihrer Kritiker. Das ist genau das Szenario der sich verselbstständigenden Dienste, vor dem die Gegner der Vorratsdatenspeicherung immer gewarnt haben, und es ist genau das, was die Erben Noskes in der SPD immer bestritten haben. Jetzt ist es da, und Heiko Maas, der sonst so plauderfreudige Twitterer, schweigt sich über das Treiben seinen ermittelnden Untergebenen und das Eintreffen der schlimmsten Befürchtungen wegen seines Gesetzes aus. Wollen Generalbundesanwalt und Verfassungsschutz einfach mal schauen, wie weit sie gehen können, und ob sich die Öffentlichkeit einschüchtern lässt? Oder haben sie verstanden, dass Maas jetzt nicht mehr zurück kann und mit einem Gesetz in den Bundestag muss, das man nicht nur wegen „schwerster Straftaten, sondern wegen ein paar Unterlagen gegen Leute anwenden kann, die Journalisten des Jahres und Grimmepreisträger sind?
    Früher hätte ein sozialdemokratischer Justizminister sein Schweigen nach so einem Debakel, nach so einer öffentlichen Desavouierung durch untergebene Ämter vermutlich geutzt, um eine wohlformulierte Entlassungsbitte zu formulieren. Wie Justizminister Heiko Maas mit dieser Machtdemonstration gegenüber einem von der Verfassung geschützten, aber hier vom Verfassungsschutz angezeigten Medium umgeht, wird sich zeigen. Es ist ein Skandal, und es ist leider erst ein Vorgeschmack auf die Möglichkeiten, zu denen Maas genau diese Ämter ermächtigen will.
    Quelle: FAZ Blogs
  4. Griechenland
    1. IWF macht bei neuem Hilfspaket vorerst nicht mit
      Jetzt ist der IWF deutlich geworden: Der Fonds macht beim dritten Hilfspaket für Griechenland vorerst nicht mit. Er setzt die europäischen Gläubiger unter Druck.
      Der IWF macht weitere Hilfen für Griechenland von einer Vereinbarung zwischen der Regierung in Athen und den europäischen Partnern über die Schuldentragfähigkeit abhängig. „Der IWF kann nur ein umfassendes Programm unterstützen“, sagte ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Demnach erwartet der Fonds, dass noch einige Zeit vergehen wird, bis beide Seiten eine Vereinbarung erzielen.
      Zuvor hatte die „Financial Times“ von IWF-Mitarbeitern berichtet, in deren Augen sich Griechenland als Schuldner disqualifiziere. Ihre Einschätzung wollten sie demnach dem Verwaltungsrat des Fonds mitteilen. Sie führen zwei Gründe an: Das Schuldenniveau sei zu hoch und Griechenland habe bisher nur geringe Erfolge bei der Umsetzung von Programmen vorweisen können, die Voraussetzung für die Kreditgewährung waren. Aktuell nehmen Vertreter des Währungsfonds auf Einladung der griechischen Regierung an Gesprächen über ein drittes Rettungspaket teil.
      Quelle 1: FAZ
      Quelle 2: Yanis Varoufakis
    2. Von armen Steuerzahlern und generösen Hilfspaketen
      Die Behauptung, dass es zwischen den Hilfspaketen für Griechenland und dem deutschen Steuerzahler einen engen Zusammenhang gibt, scheint so offensichtlich richtig zu sein, dass sich niemand bemüßigt fühlt, diesen Zusammenhang zu erläutern. Allen scheint klar, dass Angela Merkel verantwortungslos mit deutschen Steuergeldern umgeht. Man macht dabei geltend, dass es bei den Hilfspaketen, die Griechenland erhalten hat und erhalten soll, um Kredite geht, deren fristgerechte Bedienung in Frage steht. […]
      Was aber steckt genau dahinter, wenn man sagt, dass deutsche Steuergelder in Zukunft nach Griechenland fließen werden (wie z.B. hier)? Denn, daran kann kein Zweifel bestehen, bis heute sind noch keine deutschen Steuergelder nach Griechenland geflossen. Im Zuge der Eurokrise sind hingegen die Belastungen für den Zinsdienst der vorhandenen Staatsschulden in Deutschland erheblich gefallen. Ist insoweit der deutsche Steuerzahler nicht auch schon entlastet worden und in welcher Steuersenkung hat sich das niedergeschlagen?
      Quelle: flassbeck-economics
    3. Syriza-Sonderparteitag im September
      Alexis Tsipras mutiert zum TINA-Fan, die Wirtschaft im Land hat kaum noch Überlebenschancen
      Die Regierung konnte sich im innerparteilichen Machtkampf beim Zentralkomitee der Regierungspartei Syriza knapp behaupten. Der dringend erforderliche Parteitag, bei dem die 180-Grad-Wendung der Regierung besprochen werden soll, wurde auf den September gelegt. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras demonstrierte bei seiner Rede vor dem Zentralkomitee vor allem ein Credo: Frei nach Margret Thatchers berühmt berüchtigten Motto “There is no alternative” – kurz nach den Anfangsbuchstaben TINA genannt – sprach auch Tsipras vom Fehlen einer Alternative zur rigorosen Sparpolitik.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung unseres Lesers M.L.: Praktikable Alternativen für ein kleines Land wie Griechenland zum tatsächlichen und erfolgreichen (!) Verlassen des Euroraums unter den gegebenen institutionellen und machtpolitischen Umständen kann ich nicht erkennen. Jeglicher Erfolg würde, könnte und müsste (!) von institutioneller Seite verhindert werden, da ein solcher die Existenz des Euroraumes und seiner Institutionen selbst direkt und erfolgreich in Frage stellte und bedrohte. […]
      Das einzig Sinnvolle und Machbare, das die griechische Regierung unter den gegebenen Umständen für sich selbst wie für Griechenland und den Euroraum insgesamt leisten kann und konnte, hat es soweit geleistet, indem es die Absurdität und Ohnmacht angesichts der Konstruktion und Politik (und die entsprechenden Lügen) des Euroraumes dauerhaft offenkundig und publik macht. In diesem Sinne wäre das Beste, was die griechische Regierung erreichen könnte, ein Durchhalten und ein Schadensbegrenzen, bis diese Konstruktion und Politik an anderen und machtvolleren Ländern der Eurozone scheiterte.
      Doch das allein scheint schon nahezu aussichtslos, angesichts der auf wirtschaftliches und politisches Zersetzen und Scheitern angelegten Brüssler-Vereinbarung. D.h., es ist ein Leichtes, erfolgreich politischen Zwist zu säen und Syriza womöglich maßgeblich zu zersetzen, wie es der Artikel skizziert. Es scheint dennoch die einzige sinnvolle ‘Alternative’ im Rahmen der erpresserischen Alternativlosigkeit zu sein.

  5. Friedman hatte recht
    Der Euro war eine große wirtschaftspolitische Fehlentscheidung – jetzt gilt es, zu retten, was noch zu retten ist. Wir brauchen eine Währungsunion, in der Staaten pleitegehen können…
    Die vergangenen Wochen haben gezeigt: Friedman hatte recht. Der Euro ist vielleicht eine der größten wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen des vergangenen Jahrhunderts – und wenn nicht schnell etwas passiert, wird er Europa zerstören.
    Gewiss: Der Grexit ist vorerst abgewendet, und der Bruch der Währungsunion konnte gerade noch einmal abgewendet werden. Doch um welchen Preis? Die Einigung kostet viel Geld, doch dass sie Griechenland Wachstum und Wohlstand bringt, ist eher unwahrscheinlich. Griechenland ist dabei nur das krasseste Beispiel für das Scheitern der europäischen Rettungsbemühungen. In den anderen Krisenstaaten mag die Wirtschaft nicht mehr akut von dem Zusammenbruch bedroht sein, aber das bedeutet noch lange nicht, dass dort alles in Ordnung wäre. Die Arbeitslosigkeit liegt zum Beispiel in Spanien immer noch bei über 20 Prozent. Wenn das schon als Erfolg gilt, was wäre dann eigentlich ein Misserfolg?
    Der Euro hat sich eben nicht als Wohlstandsmaschine, sondern als Wohlstandsvernichtungsmaschine erwiesen. In mehr als der Hälfte aller Mitgliedsländer der Währungsunion liegt die Wirtschaftsleistung heute unter dem Niveau des Jahres 2007. Die europäischen Staaten mit einer eigenen Währung dagegen stehen heute alle besser da als damals…
    Eine Währungsunion mit Pleiteoption ist durchaus vorstellbar. Die wichtigste Voraussetzung wäre die radikale Vergemeinschaftung des Bankenwesens. Alle europäischen Kreditinstitute müssten direkt der europäischen Bankenaufsicht unterstellt und im Pleitefall aus einem gemeinsamen europäischen Fonds saniert werden…
    Quelle: Mark Schieritz auf Zeit Online Wirtschaft

    Anmerkung WL: Die beiden Hauptursachen, die wir auf den NachDenkSeiten oft dargestellt haben, nämlich Dumping mittels Senkung der Lohnstückkosten und Auskonkurrieren durch niedrigere Inflationsraten vor allem Deutschlands gegenüber den Ländern er Europäischen Währungszone, wäre mit einer Vergemeinschaftung des Bankenwesens nicht beseitigt. Vielleicht könnten die Banken nicht mehr pleite gehen, aber was hilft den Menschnen dann ein Staatsbankrott.

  6. Arbeitsmarkt: Nur ein halber deutscher Boom
    Der Arbeitsmarkt ist heute ein anderer als noch vor der Jahrtausendwende
    (IMK ). Minijobs, Teilzeitarbeit, prekäre Beschäftigung, Frauenerwerbsbeteiligung hätten zugenommen. So ist der männliche Industriearbeiter in Vollzeit längst nicht mehr die Norm.
    In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Die Beschäftigung hat seit 1995 um 12,6 Prozent zugelegt, während die geleisteten Arbeitsstunden im gleichen Zeitraum lediglich um 0,8 Prozent gestiegen sind. Das heißt, der Arbeitsmarkt ist gemessen am Arbeitsvolumen im vergangenen Jahr wieder da angekommen, wo er vor langer Zeit ( Mitte der 90-er Jahre ) einmal war.
    Aber diese Umverteilung von einer Vollzeitbeschäftigung auf Teilzeitbeschäftigung erfolgt häufig nicht mit dem Einverständnis dieser betroffenen Beschäftigten, stellt der Chefökonom der Gewerkschaft Verdi fest.
    Hirschel weist darauf hin, dass selbst im Beschäftigungsboom in den Jahren 2012 und 2013 das Arbeitsvolumen noch gesunken sei. “Wir hatten einen Rückgang des Arbeitsvolumens um 300 000 Stunden, während die Beschäftigung um 700 000 Köpfe gestiegen ist.
    Erst im vergangenen Jahr mache das Arbeitsvolumen wieder einen Sprung nach oben – auf ein 20-Jahres-Hoch, wenn man so will. Hirschel erklärt das damit, dass die Binnennachfrage angesprungen sei. Sie trug zwei Drittel zum deutschen Wachstum bei.  
    Quelle: Daniel Baumann in der FR
  7. Dümmer geht’s nimmer – der Einzelhandel verkauft deutlich weniger und Spiegel-Online jubelt
    Schon die Meldungen Anfang der Woche zu den Arbeitslosenzahlen für Juli waren zum Schreien. Alle meldeten wunderbare Werte, aber tatsächlich war die Arbeitslosigkeit zum ersten Mal seit einigen Monaten in saisonbereinigter Betrachtung (um 9000 Personen) klar gestiegen.
    Heute nun meldet Spiegel-Online, dass die Deutschen „kaufen und kaufen“. Aber wie das so ist mit dem Jubeljournalismus, gerade kaufen sie deutlich weniger. Im Juni sind die Umsätze des Einzelhandels – wiederum saisonbereinigt, also in der einzig sinnvollen Betrachtung, die es gibt – deutlich gesunken (nachzuschauen: hier [PDF – 84.8 KB]). Damit ist der Umsatz im zweiten Quartal praktisch genauso hoch wie im ersten. Das bedeutet, dass nach dem Anstieg, den es tatsächlich im Winterhalbjahr gegeben hat, keine Impulse mehr vorhanden sind, die für weitere Dynamik sorgen könnten.
    Quelle 1: flassbeck-economics
    Quelle 2: Meldung bei Spiegel Online

    Anmerkung AT: Auch in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes steht, dass die Umsätze im Vergleich zum Vormonat real wie nominal gesunken sind. Die Überschrift mit dem Vergleich zum Vorjahr führt dabei in die Irre. Denn wie im Text auch zu lesen ist, hatte der Vorjahresmonat ganze zwei Verkaufstage weniger, was die vergleichsweise höheren Umsätze in diesem Juni erklärt.

  8. Die Heimat des Terrors
    Fremdenhass ist wieder Mode. In Deutschland gehört Gewalt erneut zur Normalität und die neue Parteienkonstellation trägt ihren Teil dazu bei.
    In der ersten Hälfte des Jahres 2015 gab es bereits 24 Brandanschläge auf Flüchtlingseinrichtungen und 74 körperliche Angriffe auf Flüchtlinge. Das ist mehr als im gesamten Jahr 2014. In Sachsen, Bayern und Berlin ist die Sicherheit der Menschen nicht mehr gewährleistet. Die Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsheime sind keine Einzeltaten mehr, sie sind systematisch organisiert und werden von den konservativen und rechten Parteien hingenommen bis unterstützt.
    Als 1992 in Rostock-Lichtenhagen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber angezündet wurde, gab es nicht nur Empörung. Edmund Stoiber verurteilte die Ereignisse, hatte aber auch Verständnis für die Probleme der Rostocker und forderte eine verschärfte Einreisekontrolle. Die CDU/CSU bestritt ihre Wahlkämpfe bereits vor der Wende mit Antiasylparolen und die “Bild” half ihr dabei.
    Das Pogrom von Rostock hatte also einen breiten politischen und medialen Unterbau. Gewaltbereite Bürger aus Rostock haben sich durch die CDU/CSU und die Bild-Zeitung bestärkt gefühlt, gegen ihre Feinde aus dem Ausland handeln zu dürfen.
    Heute ist die Bild in Bezug auf das Thema Asyl ambivalent und die CDU/CSU hat ihre fremdenfeindlichen Kampagnen zum größten Teil beendet.
    Quelle: Kommentar von Benjamin Fredrich im Katapult Magazin

    Dazu: »Die rassistische Gewalt hat längst terroristische Züge angenommen«
    Die Menschenrechtsorganisation »Pro Asyl« forderte am Mittwoch von der Politik eine klare Verurteilung rassistischer Gewalt sowie umfassende Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingen:
    Seit Wochen kommt es in Deutschland fast jeden Tag zu rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte oder Menschen, die Flüchtlinge unterstützen. Ziel der Täterinnen und Täter ist es, Angst und Schrecken unter Flüchtlingen und Migranten zu verbreiten, politische Gegner einzuschüchtern, ihre rassistische Agenda zu propagieren und den Staat gewaltsam an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Aufgabe zu hindern, Flüchtlingen ein faires Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu gewähren. Die rassistische Gewalt hat damit längst terroristische Züge angenommen. (…) Pro Asyl fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister auf, diese erschreckende Entwicklung nicht länger schweigend hinzunehmen. Pro Asyl fordert eine eindeutige Verurteilung des rassistischen Terrors durch die Kanzlerin. Es kann nicht sein, dass eine derartige Welle rassistisch motivierter Gewalt nicht kommentiert wird. (…)
    Quelle: junge Welt

    Dazu auch: Ein richtiger Deutscher halt
    Wie gesagt, ich will nicht kleinlich sein. Aber so geht es dauernd. Groß- und Kleinschreibung variieren lustig. Verben beginnt er mit Großbuchstaben. Nomen klein. Griechenland heißt bei ihm immer »griechenland« – ob das Absicht und Zeichen seiner Geringschätzung ist, weiß ich nicht. Auszuschließen ist es nicht. Er hat sich in den letzten Jahren als großer Griechenhasser geoutet. Und als standhafter Asylgegner. Als einer überdies, der immer wieder die Integration von ausländischen Mitmenschen als Unmöglichkeit abtat – und der zum Beispiel forderte, dass Leute, die des Deutschen nicht mächtig werden, auch rausfliegen sollten aus diesem Land. […]
    Um wen es geht? Um Markus Söder. Um einen, der immer eine Witzfigur in meinen Augen war, aber seitdem ich seinen Facebook-Auftritt entdeckt habe, finde ich meine Vermutung tatsächtlich bestätigt. Neben allerlei sprachlichen Leistungen, bietet er tiefe Einsichten in die Seele einer Politikerhülse. Irgendwo schreibt er, dass er froh sei, an Gott und Jesus Christus zu glauben. Ob sie es auch sind, dass so einer es tut? Und die Eindrücke aus seinem Jugendzimmer, von denen ich oben sprach, handeln vom Poster, das damals über seinem Bett hing. Eines von Franz-Josef Strauß. Irgendwann im Mai erläuterte er passend dazu auf Facebook, dass man diesen großen Deutschen in die Galerie der Walhalla aufnehmen müsste.
    Quelle: ad sinistram

  9. Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Produktion – Hype oder Megatrend?
    Keine Angst vor dem digitalen Tsunami. Industrie-4.0: Der Mensch steht weiterhin im Mittelpunkt” titelten die “Osthessen News” im März 2015.[1] Industrie 4.0 scheint schicksalhaft und machtvoll wie ein Tsunami über uns zu kommen. Dabei im Mittelpunkt zu stehen beruhigt aber kaum – ist doch die Mitte eines Tsunamis nur Eines: ein Ort ohne jede Sicherheit. Ob Industrie 4.0 schicksalhaft über uns kommt oder gestaltbar ist, ob dabei der Mensch – im guten oder im beängstigenden Sinne – im Mittelpunkt steht: Über all das wird aktuell lebhaft debattiert.
    Zumindest begrifflich hat Industrie 4.0 fast Tsunami-Qualität und erfüllt damit diskursiv die Merkmale eines Megatrends:[ Auf der Hannover Messe 2011 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, schwappte der Begriff in kürzester Zeit von einem engeren Fachdiskurs in die allgemeine Wahrnehmung. Mit dem Reden über Industrie 4.0 ist die industrielle Produktion nach langer Phase weitgehender Nichtbeachtung wieder ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Was noch vor Kurzem als old economy galt, wird als Nukleus IT-basierten Fortschritts in disruptiver Qualität gefeiert. Auf politischer Ebene gilt Industrie 4.0 als zentrales strategisches Ziel von Wirtschafts- und Industriepolitik. Der Diskurs ist vielfältig, unübersichtlich und interessengeleitet – die Liste der unter diesem Label diskutierten technischen Optionen wird täglich länger. Industrie 4.0 ist der Meinung ihrer Vorreiter nach nichts weniger als eine – eben die vierte – industrielle Revolution: “Nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung der Industrie läutet der Einzug des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik eine 4. Industrielle Revolution ein. Unternehmen werden zukünftig ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber-Physical Systems (CPS) weltweit vernetzen.”
    Die Begriffe “Internet der Dinge” und “Cyber-Physical Systems” zeigen, worum es im Kern geht: möglichst alle Elemente von Produktionsprozessen, die sie flankierenden Dienstleistungen und die verbindenden Logistikprozesse durchgängig digital miteinander zu vernetzen; das Stoffliche soll mit dem Digitalen verschmelzen.
    Quelle: Sabine Pfeiffer, Bundeszentrale für politische Bildung
  10. “8 Thesen zur aktuellen hochschulpolitischen Lage in NRW und der BRD”
    Neue Broschüre des Landes-ASten-Treffen NRW veröffentlicht
    Das Landes-ASten-Treffen (LAT NRW) hat eine gemeinsame Stellungnahme zur aktuellen hochschulpolitischen Lage in NRW und der BRD erarbeitet. Darin äußern sich die Studierendenvertretungen in 8 knappen Thesen zu den wichtigsten Belangen der Finanzierung von Wohnen, Ausbildung und Hochschulen, Familienfreundlichkeit, Digitalisierung sowie Internationalisierung, in welchen dringend Handlungsbedarf besteht.
    Eine freie und qualitativ hochwertige Bildung muss Grundlage eines mündigen und aufgeklärten Menschen sein. Nur durch Bildung wird jede Person dazu befähigt aktiv an der Gesellschaft zu partizipieren, zu dessen Gestaltung beizutragen, sowie bestehende Verhältnisse kritisch zu hinterfragen.
    Dazu erklärt Michael Schema, Koordinator des Landes-ASten-Treffen NRW:
    “Bildung ist für das LAT NRW die Grundvoraussetzung eines funktionierenden demokratischen Staates, sowie für Fortschritte und Entwicklung innovativer Ideen in Bereichen der Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik. Um dem hohen Stellenwert der Bildung gerecht zu werden, müssen endlich 10% des Bruttoinlandsprodukts für Bildung zur Verfügung gestellt werden – so wie es Bund und Länder 2008 auf dem Bildungsgipfel in Dresden bis 2015 vereinbart haben. Dieses Ziel wurde noch nicht erreicht”.
    Das LAT NRW fordert dafür ein gemeinsames Handeln von Bund, Ländern und Kommunen für alle Bereiche einer Bildungsbiographie. Von der KiTa-Förderung im U3-Bereich, über Ganztagsschulen, einer Ausbildungsgarantie und der Bereitstellung ausreichender Studienplätze, bis hin zur beruflichen Weiterbildung an Hochschulen, sowie einer gesamtgesellschaftlichen Inklusion und dem Ausbau der Schulsozialarbeit.
    Quelle: Landes-Asten-Treffen NRW (LAT) [PDF – 248 KB]
  11. Nahost im 21. Jahrhundert: Kampf der Religionen?
    Im Jahre fünf nach den arabischen Revolten sieht die arabische Welt erschreckend aus: Staaten wie Irak und Libyen sind zusammengebrochen, Jemen und Syrien und vielleicht auch Libanon auf dem Weg dahin. Eine nicht mehr überschaubare Zahl von Banden, die sich auf die Religion berufen, verbreiten Angst und Schrecken – bis in die Kanzleien des Westens. Die USA stehen nicht mehr an der vordersten Front der kaum mehr zählbaren bewaffneten Konflikte, die die Region wie ein Flächenbrand überziehen. Unmittelbar nach dem Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali hatte Washington die Arabellion enthusiastisch begrüßt. Philip Crowley, Sprecher des US-Außenministeriums, sagte bei einem Besuch in Algier am 18. Februar 2011: „Der Wandel ist notwendig. Wir ermutigen diesen Wechsel, und wir wollen einen friedlichen Wandel.“ […]
    Die Ausblendung von 200 Jahren Geschichte und imperialistischer Präsenz im Nahen Osten und der von ihr verursachten Konflikthaftigkeit macht die Wirksamkeit des Huntington’schen Paradigmas (und das Vertuschen eigener Schuld) möglich. Huntingtons Paradigma mutierte zur self-fulfilling prophecy: Für den Westen wurde ein neues Feindbild geschaffen, das sich mit dem 11. September 2001 empirisch zu bestätigen schien, im Nahen Osten, wo Religionen unter „dem Islam“ anderthalb Jahrtausende recht friedlich zusammengelebt hatten, wurde die Religionszugehörigkeit plötzlich zur Konfliktursache und Konflikterklärung zugleich stilisiert.
    Quelle: Linksnet
  12. Olympia-Vergabe an Peking: “Falsche Botschaft an die falschen Leute”
    Kritik von Menschenrechtlern, Spott von Sportlern und Freude bei Chinas Mächtigen: Die Entscheidung des IOC, die Olympischen Winterspiele an Peking zu vergeben, hat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Eher das Geld, als der Schnee haben mal wieder den Ausschlag für die Vergabe der olympischen Winterspiele 2022 gegeben. Mit Präsident Thomas Bach an der Spitze des IOC hat sich offenbar nichts verändert.
    „Neuer Markt statt Wintersporttradition, künstlicher Schnee statt eines natürlichen Bergpanoramas, weite Entfernungen statt kurze Wege…Fehlender Naturschnee, ein alles andere als kompaktes Konzept und notwendige Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur hatten die Mehrheit der 85 stimmberechtigten IOC-Mitglieder nicht von ihrer Entscheidung abhalten können“ schreibt die Welt.
    Offenbar, kann man Olympische Spiele am besten in autoritär geführten Ländern durchführen, wo man keinen Widerstand der Bevölkerung befürchten muss.

  13. Propaganda machen immer nur die anderen
    Die Aufstockung des Budgets der Deutschen Welle Anfang des Jahres war begleitet von Konflikten und kritischen Kommentaren über die neue politische Ausrichtung des Auslandssenders. Inzwischen lassen sich Tendenzen und Zusammenhänge erkennen, die bestehende Befürchtungen weitgehend bestätigen: Der Ausbau der Deutschen Welle steht offensichtlich im Zusammenhang mit außenpolitischen Frontstellungen der EU. Ausmachen lässt sich das vor allem – wenn auch nicht nur – am Verhältnis zu Russland und zum Ukraine-Konflikt. Dabei ist die Neuausrichtung der Deutschen Welle in eine gesamteuropäische Medienstrategie gegen Moskau eingebunden. Der diskursive Einfluss russischer Akteure soll über politische Gegenprogramme eingedämmt werden, aber auch durch restriktive Maßnahmen gegen regierungsnahe Journalisten. Das von Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg formulierte Ansinnen, russischen Medien “Paroli zu bieten” ist also Teil eines umfassenden Medienkrieges um die Köpfe der Menschen in West und Ost. Hier ein Zwischenresümee.
    Quelle: Telepolis
  14. Rezension: Thomas Meyer, Die Unbelangbaren – Journalismus als Schlachtfest
    Wofür ist die Pressefreiheit da? Gewiss nicht dafür, Machtgelüste von Politikberichterstattern zu befriedigen. Eine Streitschrift versucht sich an einer Versachlichung der Debatte um die “Lügenpresse”…
    Bei Suhrkamp ist sein Traktat über Die Unbelangbaren erschienen, womit er die politischen “Alpha-Journalisten” meint, denen er vorwirft, dass sie sich als “Ko-Politiker” verstehen, die im politischen Geschäft mitmischen wollen.
    Diese angeblich Unbelangbaren will Meyer künftig belangen – wenn auch nicht so recht deutlich wird, wie das geschehen soll. Sie sollen sich jedenfalls irgendwie verantworten müssen, und zwar nicht nur dann, wenn sie Gesetze verletzen, sondern auch dann, wenn sie Kampagnen betreiben mit einer “manisch-selbstgefälligen Lust an der Inszenierung” und wenn sie in ihren Texten die “destruktive Selbstüberschätzung” pflegen….
    Das von Meyer beklagte Mainstreaming hat sich auch gezeigt, als der SPD-Kanzler Schröder seine Agenda 2010 vorstellte – und sie allenthalben bejubelt wurde. Diese Agenda war auch Ergebnis einer publizistischen Großkampagne, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hatte. Die Situation in Deutschland wurde von den Schlagzeilen und von den politischen Talkshows über Jahre hin so katastrophalisiert – Deutschland im Niedergang, Deutschland als Schlusslicht Europas -, dass fast alles, was sich Reform nannte, die Vermutung des Notwendigen für sich hatte. Die Verbetriebswirtschaftlichung des Gemeinwesens wurde auch vom Journalismus jahrelang wie ein Dogma verkündet. Das stört Meyer in seiner Medienkritik nicht. Es war dies damals ja Schröder’sche SPD-Politik…
    Quelle: Heribert Prantl in der SZ

    Anmerkung WL: Heribert Prantl hätte ruhig selbstkritisch hinzufügen können, dass auch die Süddeutsche Schröders Agenda 2010 bejubelte und Teil der „publizistischen Großkampagne“ war. Aber immerhin, wird hier zugegeben, was sonst bestritten wird, nämlich dass diese „Reformen“ Produkt einer Kampagne waren.

  15. Zu guter Letzt: Millionen Bürger ermitteln gegen Generalbundesanwalt wegen Verdachts auf Hirnrissigkeit
    Berlin (dpo) – Das hat es schon seit mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland nicht mehr gegeben: Millionen Bundesbürger ermitteln seit gestern Abend gegen Generalbundesanwalt Harald Range wegen des dringenden Verdachts auf Hirnrissigkeit. Demnach deute vieles darauf hin, dass Range bei seinen Ermittlungen gegen die Betreiber des Blogs netzpolitik.org wegen Landesverrats weder seinen Verstand noch seine Unabhängigkeit als Jurist in ausreichendem Maße benutzt hat.
    Quelle: Der Postillon

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