Was bei aller berechtigten Kritik an der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Springer-Konzern vergessen wird:

Ein Artikel von:

Presse- und Medienfreiheit ist die Freiheit einiger weniger reichen Leute, die ihre wirtschaftlichen Interessen mit ihrer Medienmacht verteidigen und politisch durchsetzen.

Der Kauf der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG wird in vielen Medien, die nicht zum Springer Verlag gehören, wie etwa in der „Zeit“, der „Berliner Zeitung“, der „FAZ“, der „Hamburger Morgenpost“ und auch von der ARD und dem ZDF, als besorgniserregende Medienkonzentration und Gefahr für die Meinungsvielfalt kritisiert.

Der CDU-Medienexperte Günter Nooke sieht in der Fusion allerdings eine „Stärkung des Medienstandorts Deutschland“ und aus der Provinzperspektive der „klugen Bayern“ spricht Ministerpräsident Stoiber von einer „Stärkung des Medienstandortes Bayern“. Selbst die FDP sieht in dem Zusammenschluss aber einen „ordnungspolitischen Sündenfall“, die Grünen wollen die kartellrechtlichen Regelungen überprüfen und SPD-Fraktionsvize Stiegler hofft, dass die weitere Zusammenballung von Meinungsmacht von den Kartellbehörden untersagt wird. (Man hätte allerdings bei Rot-Grün erst gar nicht auf das Kartellamt zu setzen brauchen, wenn der Wirtschaftsminister, statt solche Fusionen im Interesse des Medienstandortes zu begrüßen, eindeutige gesetzliche Regelungen ins Parlament eingebracht hätte.) Sauer sind auch einige Verlagswettbewerber, wie der Holtzbrinck-Verlag – das aber vor allem deshalb, weil diesem Mit-Oligopolisten von der Kartellbehörde der Besitz zweier Berliner Zeitungen, nämlich dem „Tagesspiegel“ und der „Berliner Zeitung“, bisher verweigert wurde. Ähnliche Motive treiben auch das Kölner Haus Neven Du Mont oder den Süddeutschen Verlag um. Möglicherweise auch deswegen, dürfen in deren verlagseigenen Blättern auch kritische Töne laut werden. Auffallend zurückhaltend reagieren Bertelsmann, Bauer, Burda oder die WAZ-Gruppe, dort fühlt man sich wohl im Glashaus sitzend und wagt deshalb nicht, Steine zu werfen.

Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem Bundeskartellamt, dessen Präsident Ulf Böge eine intensive Prüfung verspricht. Kann man sich also unbesorgt zurücklehnen und abwarten?

Das Kartellrecht kann allenfalls die wettbewerbsrechtlichen Aspekte überprüfen, also ob es durch die Fusion zu einer wirtschaftlichen, das Marktgeschehen beeinträchtigenden ökonomischen Übermachtstellung kommt. Ökonomischer Wettbewerb auf dem Medienmarkt ist zwar – wie auf jedem Markt – gut und schön, völlig ausgeblendet bleiben bei dieser kartellrechtlichen Prüfung jedoch die Aspekte des öffentlichen Interesses, also die Gewährleistung der Meinungsvielfalt als grundlegende Voraussetzung für eine offene, breite und vielfältige Interessen berücksichtigende demokratische Meinungsbildung.
Und gerade die Vielfalt der Meinungen in den Medien, die liegt – mit oder ohne den Sprung Springers ins TV-BILD – schon längst im Argen.
Das gilt in ganz besonderer Weise, wenn es um wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitische Themen geht. Wir haben auf den NachDenkSeiten schon häufig beklagt, dass sich die veröffentlichte Meinung, etwa wenn es um die Reform des Sozialstaats oder wenn es um die Ankurbelung der Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen geht, auf einem eindimensionalen Mainstream bewegt. Im Gegensatz zu ausländischen Medien herrscht bei uns in Deutschland eine einseitige „angebotsorientierte“ Betrachtungsweise, die eine Lösung aller Probleme vor allem in einer Verbesserung der unternehmensseitigen Angebotsbedingungen sieht. Unisono wird verlangt, die Unternehmenssteuern zu senken, die Lohnnebenkosten zu senken, die Staatsquote zu senken, die Arbeitnehmerrechte einzuschränken usw.usf.

Da mögen die Verleger noch so sehr die publizistische Vielfalt in Deutschland rühmen, nichts führt an der Tatsache vorbei, dass die vier Großkonzerne Bertelsmann, Springer, Bauer und Burda die veröffentlichte Meinung in Deutschland beherrschen.

Aus der konservativen Grundhaltung des Springer-Konzerns macht der Verlag selbst keinen Hehl und davon kann man sich auf seinem Flagschiff, der BILD-Zeitung, täglich überzeugen. Der Hauptanteilseignerin Friede Springer wird ein freundschaftliches Verhältnis zu Angela Merkel nachgesagt, kein Wunder, dass eindeutig für die Union oder für Schwarz-Gelb Partei ergriffen wird.
Die Axel Springer Verlag AG, der größte Zeitungsverlag Europas mit zuletzt 2,4 Milliarden Euro Umsatz, ist Herausgeber der auflagenstärksten

  • überregionalen Boulevardzeitung (“Bild-Zeitung”),
  • Mittagszeitung (“Hamburger Abendblatt”),
  • Sonntagszeitungen (“Bild am Sonntag, “Welt am Sonntag”),
  • Hörfunk- und Fernsehzeitschrift (“Hör zu”).

Zum Springer-Konzern gehören ferner unter anderem die Tageszeitungen “Berliner Morgenpost”, “Die Welt”, “BZ”, “Elmshorner Nachrichten” und die “Bergedorfer Zeitung” sowie die Zeitschriften “Funk Uhr”, “Bildwoche”, “Auto-Bild”, “Bild der Frau”, “Sport-Bild”, “Journal für die Frau”, “TV neu”, “Allegra” und “Computer Bild”. Hinzu kommen Anzeigenblätter. Außerdem besitzt der Konzern Kapitalanteile an Zeitungen wie der “Volkszeitung” (Leipzig), der “Ostsee-Zeitung” (Rostock), den “Harburger Anzeigen und Nachrichten”, den “Kieler Nachrichten” und den “Lübecker Nachrichten”. Der Marktanteil der Springerschen Tageszeitungen liegt bei etwa einem Viertel.

Jenseits des Schröderschen Agenda-Kurses ist in den Springer-Blättern wirtschaftspolitisch kaum Raum.

Welche Linie die Bertelsmann-AG wirtschaftspolitisch vertritt, unterliegt auch kaum einem Zweifel. Der mit Abstand größte Medienkonzern in Europa aus Gütersloh mit einem Umsatz von 17 Milliarden Euro (davon 30% in Deutschland) begann mit Büchern und Schallplatten, baute Leseringe auf (unter anderem Deutsche Buchgemeinschaft), kaufte Großdruckereien und Verlage und stieg ins Funk-, Fernseh- und Filmgeschäft ein (unter anderem UFA Filmproduktion, RTL Group). Bertelsmann ist mehrheitlich am Hamburger Zeitschriften-Großverlag Gruner + Jahr beteiligt. Der Bertelsmann AG gehört auch die US-Verlagsgruppe Random House, dem bedeutendsten englischsprachigen Buchverlag der Welt. Mit BMG in New York ist Bertelsmann stark in der internationalen Musikvermarktung vertreten und mit dem Gütersloher Unternehmensbereich Arvato im Druck-, Dienstleistungs- und Onlinegeschäft.

Bertelsmann ergreift zwar nicht so offensichtlich und durchgängig Partei für die CDU wie Springer. Liz Mohn, der Vorsitzenden der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft und stellvertretenden Vorsitzende des Vorstands der Bertelsmann Stiftung werden allerdings, wie Friede Springer Sympathien für die Kanzlerkandidatin der CDU nachgesagt. Weil sich der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident für die Belange des Konzerns stark machte, galten RTL und VOX in der Öffentlichkeit oft als das eher sozialdemokratisches Pendant zu der bis zur Insolvenz vom Kohl-Freund Leo Kirch gelenkten privaten Fernseh- und Filmrechte-Gruppe mit Premiere, Pro Sieben oder vor allem Sat1 in Bayern. Aber selbst der als „linksliberal“ geltende „Stern“ aus dem Verlag Gruner + Jahr, der wiederum gleichfalls mehrheitlich Bertelsmann gehört, folgt – jedenfalls wenn es um die Wirtschaftspolitik geht – überwiegend der Linie des Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn, die sich wie folgt beschreiben lässt: Privatisierung der Politik, Eigeninitiative statt Sozialstaat, Wettbewerb statt politischer (demokratischer) Gestaltung, betriebswirtschaftliche Effizienz in allen Lebensbereichen, vom Kindergarten, über die Schulen, in die Hochschulen bis hinein in die staatliche Verwaltung.

Mit einem Umsatz von knapp 1,7 Milliarden Euro ist die Bauer-Verlagsgruppe der drittgrößte Oligopolist im Bunde. Der Bauer-Verlag verdient zwar sein Geld im Wesentlichen mit sog. Yellow-Press-Produkten wie „Bravo“, „Neue Revue“ oder „Neue Post“. 35 Zeitschriften hat der Verlag in Deutschland – mit einer Gesamtauflage von rund 17 Millionen Heften. Zusammen mit Bauers Töchtern sind es noch wesentlich mehr: Allein der Pabel-Moewig-Verlag aus dem badischen Rastatt hat noch mal 41 Titel im Programm. Jeder zweite Deutsche liest ein Bauer-Blatt, sagt der Bauer-Verlag von sich. Auch beim Rundfunk ist Bauer mit dabei: 31,2 Prozent halten die Hamburger am Fernsehsender RTL II, 25 Prozent an Radio Hamburg.
Bauer ist Marktführer bei Klatsch und Tratsch, vordergründig „unpolitisch“ aber hintergründig sehr politisch, etwa bei der Vermittlung eines stockkonservativen Frauen- und Familienbildes und eines gesellschaftlichen „Zaungast“ – Bewusstseins gegen über den wirtschaftlich- und gesellschaftlich Mächtigen.

Der Burda-Verlag mit einem Umsatz von gleichfalls etwa 1,7 Milliarden Euro ist Marktführer bei den Publikumszeitschriften mit einem Anteil von über 20 Prozent; die Programmzeitschriften kommen zu über der Hälfte aller Blätter aus diesem Hause. Mit seinen wichtigsten Zeitschriften “Bunte”, “Focus”, “Freundin” oder “Super Illu” ist das Haus Burda politisch und wirtschaftspolitisch gleichfalls konservativ verortet. Dazu braucht man nur einmal den Focus-Chefredakteur Helmut Markwort in einer Talk-Show erleben. Vom marktradikalen „Focus Money“ braucht man erst gar nicht zu reden.

Neben diesen „Elefanten“ in der Medienlandschaft gibt es noch andere „große Tiere“. So etwa die Georg von Holtzbrinck GmbH mit einem Umsatz von über 2 Milliarden Euro (allerdings überwiegend im Ausland). Die Gesellschaft besitzt Buchverlage, Tageszeitungen wie das “Handelsblatt” und Regionalblätter wie die “Lausitzer Rundschau” (Cottbus), die “Main-Post” (Würzburg), die “Saarbrücker Zeitung”, den “Tagesspiegel” (Berlin) und den “Südkurier” (Konstanz) sowie Wochenzeitungen und -magazine (“Die Zeit” und “Wirtschaftswoche”). Das Stuttgarter Unternehmen ist ferner an verschiedenen Fernseh- und Hörfunkveranstaltern beteiligt, vor allem in Ostdeutschland. Die politische Bandbreite im zunehmend heranwachsenden Holtzbrinck-Imperium ist zwar etwas breiter als bei den vier Größten, im „Tagesspiegel“ oder in der „Zeit“ kann man schon hin und wieder liberale oder sogar links-liberale Töne hören, doch in der Grundrichtung wird der neoliberale „Reformkurs“ unterstützt und wie in der „Wirtschaftswoche“ sogar militant vertreten.

Der größte Regionalzeitungsoligopolist ist der Konzern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitungsverlagsgesellschaft. Die vom CDU-Mann Jakob Funke und vom Sozialdemokraten Erich Brost gegründete WAZ-Gruppe galt lange Zeit als eher sozialdemokratisch. Die „Westfälische Rundschau“ oder die „Neue Ruhrzeitung“ sind das wohl auch heute noch, wobei sie entsprechend der konservativen Ausrichtung der Ruhrgebiets-SPD natürlich dem Kanzlerkurs folgen. Das Essener Stammblatt, die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, erlebt wohl derzeit – sicherlich nicht ohne Einfluss des Konzern-Vorstandsmitgliedes und Kanzler-Freundes Bodo Hombach – eine Vorwegnahme einergroßen Koalition, indem von der CDU-nahen christlich-konservativen Rheinischen Post der Chefredakteur Ulrich Reitz abgeworben wurde. Ansonsten kaufte die WAZ alles auf, was Geld bringt, von der pechschwarzen „Westfalenpost“ bis zur Wiener „Neuen Kronen-Zeitung“, der schon mal antisemitische Untertöne nachgesagt werden.

Man könnte im weiteren die größeren Regionalverleger hintereinander durchgehen, wie etwa das Kölner Zeitungshaus Neven Du Mont, das mit dem „Express“, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der (formell unabhängigen aber wirtschaftlich abhängigen) „Kölnischen Rundschau“ ein regionales Monopol besitzt. In diesem Zeitungen kann man nur selten etwas zu Wirtschaftsthemen lesen, was vom Kurs ihres Verlegers und ehemaligen Industrie- und Handelskammer-Präsidenten Alfred Neven Du Mont abweicht.

Wenn die Verlegerverbände immer wieder die publizistische Vielfalt in Deutschland feiern, dann deshalb, weil es noch eine ganze Reihe kleiner, ja sogar kleinster Zeitungsverlage wie etwa „Die Glocke“ mit einer Auflage von gerade mal etwas über sechzig Tausend Exemplaren im ostwestfälischen Warendorf gibt. Was den Jubel aber trübt, ist, dass es in über 60 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte nur noch eine einzige Zeitung gibt, d.h. in weit mehr als der Hälfte des Landes gibt es Zeitungsmonopole.

Kleinverlage auf der bundesrepublikanischen Zeitungslandkarte bedeuten aber noch lange nicht Meinungsvielfalt, denn typisch für diese Kleinzeitungen ist eine „Versippung“ von Verlegern oder Chefredakteuren mit den örtlichen Eliten und das ist gleichbedeutend mit der Ausrichtung an mittelständischen oder „korporatistischen“ Interessen vor Ort.

Ach ja, da gibt es ja noch die Medienholding DDGV der SPD, die CDU/CSU immer so gerne als Ausbund von parteipolitischer Meinungsmacht anprangert und die der finanziell angeschlagenen „Frankfurter Rundschau“ unter die Arme gegriffen hat. Zu hundert Prozent gehört dieser sprichwörtlichen Holding nur die „Frankenpost“, mit über fünfzig Prozent die „Neue Westfälische“ in Bielfeld, ansonsten ist sie hauptsächlich über die hannoversche Verlagsgesellschaft Madsack an so meinungsprägenden Zeitungen wie etwa dem „Gandersheimer Kreisblatt“ beteiligt (siehe www.medienmaerkte.de).

Die „Frankfurter Rundschau“ mit einer verkauften Auflage von um die 180.000 Exemplaren ist ohne Zweifel (noch) eine der wenigen bedeutsameren Zeitungen, in der man auch Kritisches zum wirtschaftspolitischen Mainstream lesen kann. Ansonsten dürfte die Bandbreite der Kritik der Zeitungen, an denen die SPD-Holding beteiligt ist, am Kurs der Bundesregierung wohl kaum weit über die des Parteiorgans „Vorwärts“ hinausgehen. Die „Leipziger Volkszeitung“ vielleicht ausgenommen, die aber meist eher von „rechts“ attackiert.

Lassen wir, von der „FR“ einmal abgesehen, noch einmal gesondert die anderen überregionalen Zeitungen Revue passieren, dann kann die Verortung von Springers „Welt“ – mit über 222.000 verkaufter Auflage – im konservativen Lager oder bei den ökonomischen „Neocons“ als unbestritten gelten.

Die Linie der „FAZ“ mit einer verkauften Auflage von über 375.000 hat der ehemalige Leiter der innenpolitischen Redaktion Friedrich Karl Fromme einmal treffend mit schwarz-rot-gold beschrieben: Schwarz für die konservative Politikredaktion, rot für das oftmals durchaus kritische Feuilleton und gold für den äußerst wirtschaftsliberalen Wirtschaftsteil.

Die Süddeutsche Zeitung als mit über 444.000 Exemplaren auflagenstärkste Tageszeitung hat zwar in der Innen- und Rechtspolitik vor allem mit Heribert Prantl kräftige, jedenfalls heute als links-liberal geltende Tupfer. Der Leiter der Wirtschaftsredaktion, Nikolaus Piper führt als Mitglied der Mont Pèlerin Gesellschaft nicht nur seine Redaktionskollegen auf strammem wirtschaftsliberalen Kurs, sondern für ihn scheint es nahezu keine wirtschafts- oder gesellschaftspolitische Wirklichkeit zu geben, die nicht unter sein starres neoliberales Dogmengebäude subsumiert würde (siehe NachDenkSeiten).

Das holtzbrincksche „Handelsblatt“ (verkaufte Auflage über 143.000) ist auf die Wirtschaft abonniert und ihr Chefredakteur Bernd Ziesemer spielt sich in den Talk-Shows geradezu wie der Papst der neoliberalen Ökonomenzunft auf. Da ist die in Hamburg ansässige, börsentäglich erscheinende Wirtschaftszeitung „Financial Times Deutschland“(verkaufte Auflage um die 100.000), die vom Verlag Gruner + Jahr und dem englischen Pearson Verlag (Financial Times) publiziert wird, dogmatisch etwas offener und einige Leitartikler löcken öfters mal wider den Stachel der uniform gewordenen deutschen ökonomischen Lehre. Aber die Grundrichtung orientiert sich gleichfalls am angebotsorientierten Wirtschaftsdogma.

Letztlich bleibt noch die ständig am Existenzminimum krebsende „taz“ mit einer verkauften Auflage von 60.000 Exemplaren. Die taz-Genossenschaft, getragen von einigen tausend taz-LeserInnen, bei der auch die monatliche deutsche Ausgabe von Le Monde Diplomatique erscheint, hat schon allein mit ihrem „Atlas der Globalisierung“ aufklärendes geleistet. Der Wirtschaftsteil der taz ist jedoch arg unterentwickelt und seit die „Grünen“, denen die Zeitung mit den witzigen Überschriften nahe steht, zu den Promotoren des neoliberalen wirtschaftlichen „Reformkurses“ gehören, dümpelt die taz in einer Bandbreite zwischen Attac und den Positionen der Grünen Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt, die sich die Hartz-Reformen oder die Senkung der Lohnnebenkosten aufs Panier geschrieben hat.

Bei den Magazinen gilt für Viele immer noch der SPIEGEL (mit einer Auflage von 1,1 Millionen) als kritisches Intellektuellen-Blatt (die BILD-Zeitung für Intellektuelle), das sich gegen den Strom stellt. „Seit Rudolf Augstein tot ist, hat der SPIEGEL noch weniger Meinung. Gleichzeitig ist er Meinungsführer geblieben“, schreibt Oliver Gehrs in seinem neuen Buch der „SPIEGEL-Komlex“. Das Magazin passe in eine Zeit, wo links fast rechts sei und klare Haltungen schnell unter Ideologieverdacht stünden. Der neue Chefredakteur Stefan Aust wendete das Blatt für sich. Aust der zur Zeit nicht einmal mehr einen Herausgeber über sich hat, schiele vor allem auf die Auflage und handele meistens, bevor er nachdenke. Die Spiegel-Redakteure die einen Anteil von 50% am Verlag besitzen, ließen sich ihr schlechtes journalistisches Gewissen und ihren sachlichen Widerstand durch die hohen Gewinnbeteiligungen abkaufen oder aber sie verließen das Haus. Aust hat sich mit dem bertelsmannschen Gruner + Jahr Verlag arrangiert und den Schulterschluss mit Springer gefunden. Austs Kronprinz, Gabor Steingart, der Leiter des Hauptstadtbüros habe sich schon 1998 eine große Koalition gewünscht und sei dafür bekannt, „dass er die Globalisierung liebt und den Sozialstaat abschaffen will – zugunsten von möglichst viel Freiheit für die Arbeitgeber“. Steingarts Buch „Deutschland – der Abstieg eines Superstars“ ist der beredte Beweis dafür. Dass Aust und Steingart nicht nur im Spiegel das Sagen haben, sondern auch schon das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit ihrem Credo missionieren dürfen, beweist die vor kurzem ausgestrahlte und groß aufgemotzte dreiteilige ZDF-Serie der „Fall Deutschland“. Das im SPIEGEL-Haus erscheinende „Manager-Magazin“ gibt schon mit seinem Namen die wirtschaftspolitische Richtung an.

Der Focus (verkaufte Auflage knapp 800.000) versteht sich selbst als das konservative Gegengewicht zum angeblich „links-liberalen“ Spiegel. Damit ist nachdem, was vom SPIEGEL zu halten ist, nach rechts hin eigentlich alles offen. Auf die politische Rolle des Chefredakteurs und Stoiber-Freundes Markwort wurde schon hingewiesen. Focus Money interessiert sich wesentlich fürs Geld-Verdienen und für die, die Geld verdienen.

Als Hort der Pluralität der Meinungen und der kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik und dem Meinungsmainstream blieben also die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme. Ohne Zweifel sind ARD, ZDF, die dritten Programme, Arte, 3-Sat oder Phoenix noch die „ausgewogensten“ elektronischen Medien bei der Bildung der öffentlichen Meinung. Vor allem auch in den ARD-Hörfunksendern oder im Deutschlandfunk bzw. Deutschlandradio gibt es noch Programmketten, die man kritisch bezeichnen kann und die sich wohltuend vom Einheitsbrei abheben. Allein schon deshalb gilt es, die einzigen nicht von Privateigentümern beherrschten Medien zu hüten wie einen Augapfel.

Schaut man sich allerdings, die die politische Meinung prägenden Sendungen einmal genauer an, so wird man leider zunehmend eines Schlechteren belehrt. Nehmen wir als Beispiel einmal den Quotenbringer Sabine Christiansen, so geht es an unseren Sonntagabenden ganz überwiegend nicht um eine ernsthafte Debatte über kontroverse Konzepte, sondern es geht einer „großen Koalition der Systemüberwinder“ durch pausenloses Wiederholen um das Eintrichtern der These, dass es „unserer“ Wirtschaft besser gehe, wenn es „der“ Wirtschaft wieder gut geht und wenn es „der“ Wirtschaft gut gehe, es auch „uns“ wieder gut gehe (siehe NachDenkSeiten). Im sonntäglichen Presse Club dürfen sich die gleichen Chefredakteure oder Leitkommentatoren einmal ins Bild setzen, deren Kommentare wir schon die ganze Woche über lesen mussten. Und Plasberg fragt in „Hart aber fair“ zwar hart und fair, aber auch nicht etwa nach den Begründungen für die „Reformen“ oder gar danach warum sie keine Erfolge zeitigen, sondern allenfalls warum sie handwerklich so schlecht gemacht würden.
Die „Anchor-Men and Women“, also die Moderatoren in den täglichen Nachrichtensendungen und Nachrichtenmagazinen plappern munter die Schlagzeilen nach, die sie tagsüber in den einschlägigen Zeitungen oder Agenturmeldungen gelesen haben oder sie stellen ihren Interviewpartnern nicht etwa Sachfragen, sondern Fragen, die von den anderen Medien aufgeworfen wurden. Es wird nur selten nachgehakt und schon gar nicht werden „abweichende“ Frage gestellt. Durch die Niederlagen der SPD bei den Landtagswahlen in den letzten Jahren, gibt es in den Aufsichtsgremien des ZDF inzwischen eine klare konservative Mehrheit und liberale oder gar links-liberale oder wenigsten gegenüber politischem Druck standfeste Intendanten bei den ARD-Anstalten sind rar geworden. Der Programmdirektor Günter Struwe hat ostentativ der SPD den Rücken gekehrt.
Die Polit-Magazine sollen nach einer Programmreform auf eine halbe Stunde gekürzt werden. Das Bedauern hält sich aber in Grenzen, wenn, wie gerade im laufenden Vorwahlkampf zu beobachten, in den sich selbst immer noch kritisch bezeichnenden Sendungen wie etwa „Panorama“ oder „Monitor“ Werbekampagnen für die Hartz-Reformen und für die Senkung von Sozialleistungen aufgelegt werden.

Der neue Programm-Geschäftsführer beim Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix war langjähriger Redakteur des CSU-Kampfblattes „Bayernkurier“. Phoenix war sich z.B. auch nicht zu schade, ohne weitere Kommentierung die Verleihung des von der neoliberalen PR-Agentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ausgelobten Titels des „Reformers des Jahres“ zu „dokumentieren“. Dennoch: Ein Glück, dass es Phoenix gibt, dann ist man wenigstens etwa bei Parteitagen oder Pressekonferenzen nicht ausschließlich auf die Eine-Minute-Dreißig-Kompressionen der elektronischen Medien oder auf die Zitatglaubereien in den Tageszeitungen angewiesen.

Letztlich bilden ARD – manchmal etwas links von der Mitte – und ZDF – meistens eher rechts von der Mitte – das Meinungsspektrum der etablierten Parteien ab und da es in wirtschaftspolitischen Fragen eine Allparteienkoalition für eine neoliberale Grundausrichtung gibt, kann man Kritisches zum wirtschaftspolitischen Mainstream im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur selten hören und noch viel weniger sehen – schon gar nicht in den sog. Wirtschaftsmagazinen. Den Gipfelpunkt an regelrechter neoliberaler Propaganda hat das ZDF mit der Ausstrahlung des Dreiteilers „Der Fall Deutschland“ erreicht, in dem der SPIEGEL-Chef Aust das Credo seines Kronprinzen Gabor Steingart verfilmen durfte, dass es mit Deutschland seit und wegen Adenauers Einführung von sozialen Sicherungssystemen, wie etwa der gesetzlichen Rente, wirtschaftlich nur noch bergab gehe.

Fazit: Bis auf einzelne Beiträge und Dokumente in der „Frankfurter Rundschau“, einige Features und Analysen in Minderheiten-Hörfunkketten, manchmal noch die Aufdeckung von Skandalen und Skandälchen in Fernsehmagazinen, bis auf einige Gastbeiträge in der „Süddeutschen Zeitung“ und bis auf einzelne Autoren in der „Financial Times Deutschland“, in der „Berliner Zeitung“ oder manchmal auch in der „Zeit“ und nur noch ganz versprengt im „SPIEGEL“ gibt es in Deutschland allenfalls noch ein paar linke Randgruppenzeitungen (z.B. „Junge Welt“) und eine Reihe eher ein Minderheitenpublikum erreichende Zeitschriften, wie etwa den „Freitag“ oder die „Blätter für deutsche und internationale Politik“, ansonsten gibt es aber kaum ein relevantes und schon gar kein massenwirksames Medium mehr, in dem es wenigstens eine streitige Debatte um die Grundlinien der derzeitigen Wirtschaftspolitik gibt, geschweige denn, dass es eine vernehmbare Stimme gibt, die etwa einen „nachfrageorientierten“ oder keynesianischen ökonomischen Ansatz vertritt.

Es hat sich eine freiwillige Gleichschaltung der gesellschafts- sozial- oder wirtschaftspolitischen veröffentlichten Meinung eingestellt und diese Konzentration oder Verengung der Meinungen ist gravierender als die kartellrechtliche Frage nach der weiteren Konzentration der ökonomischen Macht im Medienbereich oder der Blick auf den Wettbewerb im Medienmarkt.

Wir haben endgültig einen Zustand der Pressefreiheit erreicht, den der wortmächtige Paul Sethe, Ressortchef der Springer-Zeitung „Die Welt“, schon1965 in einem Leserbrief an den SPIEGEL so prägnant beschrieben hat:

Im Grundgesetz stehen wunderschöne Bestimmungen über die Freiheit der Presse. Wie so häufig, ist die Verfassungswirklichkeit ganz anders als die geschriebene Verfassung. Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, finden sie immer. Ich kenne in der Bundesrepublik keinen Kollegen, der sich oder seine Meinung verkauft hätte. Aber wer nun anders denkt, hat der nicht auch das Recht, seine Meinung auszudrücken? Die Verfassung gibt ihm das Recht, die ökonomische Wirklichkeit zerstört es. Frei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx, sondern von Paul Sethe. Aber richtig ist es trotzdem. Und da Journalisten nicht reich sind, sind sie auch nicht frei (jene wenigen Oasenbewohner ausgenommen).


Quelle: Erinnerung an Paul Sethe

Sethe hat vor 40 Jahren noch von zweihundert reichen Leuten geschrieben, inzwischen ist allenfalls noch ein gutes Dutzend reicher Leute übrig geblieben, die die Pressefreiheit ausüben können. Und diese reichen Leute verteidigen ihre ökonomischen Interesse mit aller geballten und konzentrierten Meinungsmacht, die sie haben.

Bis die Netzzeitungen als Faktor und Medium der Meinungsfreiheit diese Meinungsmacht wieder von unten und demokratisch aufbrechen können, wird es leider noch längere Zeit dauern. Aber immerhin das Medium dazu wäre da.