Trinkwasser – die nicht privatisierbare Ressource

Jens Berger
Ein Artikel von:

In vielen Ländern der Welt ist sauberes Trinkwasser Luxus. Bakterien, Arsen und andere unerwünschte Inhaltsstoffe sind dort die Regel. Die WHO schätzt, dass täglich 6.000 Kinder an Krankheiten sterben, die durch verschmutztes Trinkwasser verursacht werden. In Industriestaaten und vielen Schwellenländern ist Wasser eine begehrte Handelsware. Nicht etwa das Wasser selbst, sondern die Dienstleistungen rund um das Wasser sind sehr profitabel. Dabei verbietet der gesunde Menschenverstand eigentlich jegliche Privatisierung der Handelsware Wasser. Die Trinkwasserversorgung ist ein natürliches Monopol, das sich nicht für einen Wettbewerb im Markt eignet und Trinkwasser ist ein elementares Lebensgut. Wie Konzerne gigantische Gewinne mit der Ressource Wasser machen, zeigt der Dokumentarfilm „Water Makes Money“, der am heutigen Abend um 20.15 Uhr auf arte ausgestrahlt wird. Die Filmemacher wagen einen Blick hinter die Kulissen des französischen Multis Veolia, der auch auf dem deutschen Markt sehr aktiv ist. Von Jens Berger

Die Versorgung mit Trinkwasser ist eigentlich kein geeignetes Geschäftsfeld für renditeorientierte Konzerne. Um einen Haushalt mit Trinkwasser zu versorgen, sind immense Investitionen in das Verteilungsnetz notwendig. Die laufenden Einnahmen sind verhältnismäßig gering, sodass sich der Neubau eines Wasserversorgungsnetzes aufgrund des sehr langen Abschreibungszeitraums erst nach vielen Jahrzehnten rentiert. In der heutigen Zeit, in der sich Investitionen möglichst schnell rentieren müssen und der Blick auf die Quartalszahlen wichtiger erscheint als langfristige Strategien, sollten solche Geschäftszweige für „modern aufgestellte“ Unternehmen eigentlich unattraktiv sein. Aus diesem Grund haben sich renditeorientierte Wasserversorger auch auf die Betreuung von bereits vorhandenen Wasserversorgungsnetzen verlegt. Diese Netze sind in der Regel vom Steuerzahler finanziert worden und größtenteils bereits abgeschrieben. Der Betreiber hat lediglich für den ordnungsgemäßen Betrieb und die Pflege der Infrastruktur zu sorgen.

Für einen privaten Betreiber ist es natürlich verlockend, auf der einen Seite das Geld der Endkunden zu kassieren, und auf der anderen Seite die notwendigen Investitionen für den Erhalt und die Pflege der Infrastruktur zurückzufahren. Strenggenommen kassieren diese Betreiber Geld für eine Dienstleistung, die sie gar nicht erbringen. Betrachtet man nur den Zeithorizont der nächsten Quartale oder Geschäftsjahre, ist eine vorbildliche Pflege des Trinkwassernetzes betriebswirtschaftlich nun einmal kontraproduktiv. Erst in der langfristigen Betrachtung rentieren sich diese Investitionen.

Warum privatisieren Kommunen eigentlich ihre Wasserversorgung? In den meisten Fällen geht es schlichtweg darum, die öffentlichen Kassen zu sanieren. Ein kompletter Verkauf der öffentlichen Infrastruktur kommt nur sehr selten vor – nicht, weil die öffentliche Hand dies ablehnt, sondern weil die privaten Dienstleistungskonzerne gar kein Interesse daran haben. Nur wenn die Kommunen noch im Boot sind, sind sie erpressbar. Je nach Privatisierungsmodell bekommen die Kommunen stattdessen meist eine einmalige oder jährliche Konzessionsgebühr. Dieses Geld können die chronisch unterfinanzierten Stadtkämmerer sehr gut gebrauchen. Natürlich zahlt im Endeffekt der Bürger dieses Geld über seine Wasserrechnung. Grob vereinfacht sanieren die Kommunen also ihre Kassen bei einer Privatisierung auf Kosten der Bürger. Die privaten Wasserversorger sind Handlanger bei dieser Umverteilung und lassen sich ihre Dienste fürstlich bezahlen.

Die Privatisierung der Wasserversorgung ist jedoch mehr als eine kreative Sonderabgabe, da die privaten Wasserversorger nur dann hohe Konzessionsgebühren zahlen, wenn die Vergabeverträge sie nicht zu stabilen Wasserpreisen und verbindlichen Investitionszusagen verpflichten.

Betreiberverträge, die nach bestimmten Perioden neu ausgeschrieben werden, sind in diesem Zusammenhang besonders problematisch. Der Betreiber hat kein Interesse daran, Investitionen zu tätigen, deren Abschreibungsperiode länger als die vertragliche Nutzungsperiode ist. In der Folge werden dann notwendige Reinvestitionen in die Leitungsnetze unterlassen. Am Ende der Vertragslaufzeit hat der Wasserversorger dann seine Konzessionsabgabe samt satter Rendite auf Kosten der Bürger wieder eingefahren und die Kommune sitzt auf einem maroden Leitungsnetz. Die öffentliche Hand steht dann vor einem Berg nötiger Investitionen, der die eingenommen Konzessionsgebühren wieder aufzehrt. Der einzige Gewinner bei diesem Spiel ist der private Wasserversorger. Solche Dummheiten sind allerdings hausgemacht, die Politik ist dabei nicht das Opfer, sondern der Täter.

Natürlich könnte eine Kommune die Wasserversorgung auch unter sinnvollen Auflagen ausschreiben, die beispielsweise die Wasserpreisentwicklung festlegen und verbindliche Regeln für Reinvestitionen in das Leitungsnetz aufstellen. Dummerweise haben private Wasserversorger jedoch kein Interesse an einer echten Partnerschaft, bei der sie sich im Endeffekt nicht zu Lasten der Bürger bereichern können. Wenn nun Ausschreibungen unter sinnvollen Auflagen aber auf mangelndes Interesse seitens der privaten Wasserversorger stoßen, kann dies nur bedeuten, dass jede Form der Privatisierung der Wasserversorgung den Bürger schlussendlich übervorteilt.

Wer sich ein Bild von falscher Privatisierung machen will, der sollte sich die Erfahrungen Großbritanniens zu Gemüte führen. Dort wurde Ende der 80er Jahre die Wasserversorgung radikal privatisiert. In der Folge stiegen die Wasserpreise inflationsbereinigt binnen zehn Jahren um 46% an. Die Gewinne der Versorger stiegen im gleichen Zeitraum um 142%, einige Unternehmen zahlten ein Viertel der Einnahmen direkt als Dividende an die Aktionäre aus. Gespart wurde allerdings an den Investitionen ins Versorgungsnetz. Nach 10 Jahren privater Bewirtschaftung hatten einige britische Städte ein maroderes Netz als die meisten Drittweltstaaten – in London war das Netz derart heruntergewirtschaftet, dass die Leitungsverluste sich auf 40% summierten, was, neben immensen Schäden durch das auslaufende Wasser, dazu führte, dass ganze Teile Londons nicht mehr mit dem nötigen Wasserdruck versorgt werden konnten. Die Regierung erließ daraufhin neue Gesetze, die den Raubbau am „blauen Gold“ erschwerten und Investitionen in das Netz gesetzlich vorschrieben. Die Privaten verließen daraufhin größtenteils das Spielfeld und die milliardenschweren Investitionen mussten erneut vom Steuerzahler getätigt werden.

Auch in vielen Schwellenländern schlugen internationale Wassermultis auf diese Art und Weise zu. Generell sind Schwellen- und vor allem Entwicklungsländer aber weniger interessant für diese Konzerne. Die Bereitschaft, für Wasser hohe Summen zu bezahlen, ist vielerorts nicht vorhanden. Einem großen Teil der Bevölkerung fehlt es auch schlichtweg am nötigen Geld. Investitionen in Entwicklungsländern haben sich daher auch häufig als Fehlinvestitionen herausgestellt. Als Beispiel hierfür eignet sich Bolivien. Die Weltbank sorgte dort dafür, dass in der Provinz Cochabamba, die von 1,5 Mio. Menschen bewohnt wird, die Wasserversorgung privatisiert wird. Den Zuschlag erhielt das US-Unternehmen Bechtel. Flankiert von Gesetzen, die die Eigenversorgung verboten, führte Bechtels Politik dazu, dass ärmere Familien bis zu einem Drittel ihres Einkommens für Wasser bezahlen sollten. Es kam in der Folge zu gewalttätigen Protesten und die Regierung musste nachgeben. Man widerrief den Vertrag mit Bechtel und wurde daraufhin auf 25 Mio. US$ Schadensersatz verklagt. In der Hauptstadt La Paz erhielt der französische Wassermulti Suez den Zuschlag. Für einen Anschluss an das Wassernetz verlangte Suez rund vier Monatsgehälter. Die Anzahl der Kunden nahm ab, und da Suez vertraglich 12% Rendite zugesichert worden waren, mussten die Preise erhöht werden. Auch in La Paz kam es zu Unruhen und Suez verlor ebenfalls die Konzession. Die Ausflüge westlicher Multis in Entwicklungsländer haben sich meist für niemanden gelohnt, nicht für die Multis, nicht für die Regierungen – und schon gar nicht für die Bevölkerung.

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