Der Weg zur „Bildungsrepublik Deutschland“ ist eine Durststrecke

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In einer Antwort der Bundesregierung vom 25.3.11 [PDF – 325 KB] auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linken finden sich einige interessante Daten zur Entwicklung der „Bildungsrepublik Deutschland“. Fazit: Der Weg zur „Bildungsrepublik Deutschland“ ist nach wie vor eine Durststrecke. Wolfgang Lieb

Im Sommer 2007 verkündete die damalige Familienministerin von der Leyen in der ihr eigenen großspurigen Art einen „Rechtsanspruch“ auf Betreuung für die 3 – 6-jährigen Kinder. Das Angebot an Kinderbetreuung sollte dazu insgesamt bundesweit bis 2013 für 35 Prozent der unter Dreijährigen ausgebaut werden. Im Jahre 2010 sind die westlichen Bundeslänger (ohne) Berlin mit 17,4 Prozent noch weit von dieser Zielmarke entfernt. Umgekehrt ist in den östlichen Bundesländern mit 48,1 Prozent das Soll deutlich erfüllt. Spitzenreiter ist Sachsen-Anhalt mit 56 Prozent. Schlusslicht ist Nordrhein-Westfalen mit 14 Prozent. (Tabelle 1) Auch der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen ist im Osten deutlich günstiger. Auffallend ist, dass in den meisten westlichen Bundesländer die Verbesserung der Betreuungsquote um durchschnittlich 9,5 Prozent von 2006 bis 2010 mit einer Verschlechterung des Personalschlüssels einherging.

Da wird als Erfolg gemeldet, dass sich die jährlichen Landesausgaben pro Schüler/in von 3.600 Euro im Jahre 2003 auf durchschnittlich 3.800 Euro im Jahr 2007 erhöht hat. Das sind rund 5,5 Prozent. Damit wurde jedoch noch nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen. Real sind die Landesausgaben also gesunken. Am meisten investieren die Stadtstaaten, an der Spitze Hamburg mit 6.000 Euro in ihre Schüler/innen. Schlusslichter bilden Schleswig-Holstein und NRW mit jeweils 3.400 Euro, aber auch Bayern liegt mit 3.500 Euro deutlich unter dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Bei den Bildungsausgaben liegt Deutschland im internationalen Vergleich aber nach wie vor im unteren Mittelfeld.

Markant ist die Ausbreitung der Privatschulen. Lager der Anteil der Schüler/innen, die private allgemeine oder berufsbildende Schulen besuchten 1992 noch bei 5,7 Prozent, ist er bis 2009 auf 9,5 Prozent angestiegen. Dabei ist bemerkenswert, dass die Ausweitung der Privatschulen vor allem im Osten geradezu dramatisch zugenommen hat, in Sachsen von 0,8 auf 16,9 Prozent. Auch in Bayern sind Privatschulen mit 12,9 Prozent weit überdurchschnittlich verbreitet.

Der Anteil von Schulabgängerinnen und Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss in der Bundesrepublik ist von 8,5 Prozent im Jahr 2004 auf 7,0 Prozent im Jahr 2009 gesunken. Baden-Württemberg schneidet mit einem Anteil von 5,6 Prozent am besten ab. Besonders hoch ist der Anteil der Schulabbrecher in den östlichen Ländern, darunter mit erschreckenden 15,4 Prozent Mecklenburg-Vorpommern. (Dort kann es gewiss nicht an einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund liegen.)

Die Anteile der Ausgaben (Grundmittel) für Hochschulen in den Länderhaushalten haben sich von 2004 auf 2009 (vorläufiges Ist) in den meisten Ländern kaum erhöht, in Bayern (das ohnehin einen unterdurchschnittlichen Anteil ausweist) sind sie sogar fast um einen Prozentpunkt auf 3,83 Prozent gesunken, auch in Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein ist der Anteil zurückgegangen. Verbessert haben sich vor allem Rheinland-Pfalz, aber auch NRW und Hessen und durchgängig alle Neuen Bundesländer.

Die BAföG-Leistungen haben sich von 2005 auf 2009 von 349 Euro auf 403 Euro im Bundesdurchschnitt erhöht, aber die Gefördertenquote ist in diesem Zeitraum von 25,3 Prozent auf 24,4 Prozent zurückgegangen.

Die Erwerbstätigenquote bei Studierenden im Erststudium während der Vorlesungszeit ist vom Sommersemester 2006 zum Sommersemster 2009 von 63 Prozent auf über zwei Drittel (66 Prozent) angestiegen. Besonders hoch liegt die Erwerbstätigenquote in Berlin, Hamburg, NRW, Bremen, Rheinland-Pfalz und Hessen. Deutlich unter dem Durchschnitt liegt diese Quote in den östlichen Ländern. (Vermutlich weil es dort deutlich weniger Job-Angebote gibt als im Westen.)

Insgesamt lässt sich sagen, dass Deutschland auf dem Weg zur „Bildungsrepublik“ bei der Kinderbetreuung ein Stück weit vorankommt, jedoch weit unter den politischen Zielwerten liegt. Die Schüler weichen mehr und mehr von staatlichen auf Privatschulen aus. Vor allem im Osten erleben private Schulen einen regelrechten Boom.
Erfreulich ist der leichte Rückgang des Anteils der Schüler/innen ohne Hauptschulabschluss.
Insgesamt ist von der vielzitierten Priorität für Bildung aber nicht viel in die praktische Politik eingeflossen. Von einer Verbesserung der Bildungssituation kann nicht die Rede sein. Deutschland hinkt im internationalen Vergleich bei wichtigen Parametern nach wie vor hinterher.

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