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Kampagnen/Tarnworte/Neusprech

Über „fühlen“ und „mitnehmen“: Wie Politik und Medien durch Sprache die Wirklichkeit verschleiern

Sprache ist verräterisch. Zwei Floskeln und Aussagen, die immer wieder auftauchen, wenn Politiker und Journalisten über diejenigen reden, die ihr Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben, fallen seit geraumer Zeit besonders auf. Wann immer Politiker und Medienvertreter davon sprechen, dass sich Menschen „abgehängt fühlen“ oder dass man sie „mitnehmen“ müsse, kommen zwei Formulierungen zum Ausdruck, die beispielhaft dokumentieren: Die herrschende Sprache wirkt oft harmlos, aber sie vermag es, ganze Diskurse zu sabotieren. Eine Analyse von Marcus Klöckner

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Die Antisemitenmacher oder wie Kritik an der Politik Israels verhindert wird

Wer die israelische Politik kritisiert, wird schnell als Antisemit gebrandmarkt. Das gilt auch für eine Vielzahl von Juden. Abraham Melzer zeigt in seinem neuen Buch „Die Antisemitenmacher“, das am Montag im Westend Verlag erscheint, wie der Antisemitismus-Vorwurf missbraucht wurde und wird – und wem das nützt. Michael Kohlstruck vom Zentrum für Antisemitismusforschung bezeichnet das Buch als „einen wichtigen Debattenbeitrag“, und Moshe Zuckermann hat das Vorwort dazu verfasst, das wir vorab exklusiv auf den NachDenkSeiten bringen. Von Moshe Zuckermann[*].

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Ein Zuwanderungsgesetz gegen Fachkräftemangel? Zeit für ein wenig simple Nachhilfe in Sachen Wirtschaftswissenschaften

Jens Berger

Im Wahlkampf war die Zuwanderung ein heiß diskutiertes Thema und auch nach den Wahlen verstummt die Debatte nicht. Vor allem die Wirtschaftslobby meldet sich lautstark zu Wort. Ohne ein Zuwanderungsgesetz sei „Deutschlands Stärke in Gefahr“, so titelte diese Woche die WELT und griff dabei argumentativ vor allem auf die Arbeitgeberlobby „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ zurück. Demnach drohen vor allem der Exportwirtschaft Personalengpässe, wenn die Politik nicht schon bald ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Das ist skurril, denn es gibt mit der „Blauen Karte EU“ doch bereits ein Gesetz für genau dieses Problemfeld, das in Deutschland auch recht aktiv genutzt wird. Gerade die INSM und die Arbeitgeberverbände halten doch sonst so viel von „freien Märkten“. Warum vertraut man hier nicht ausnahmsweise einfach mal den Marktmechanismen? Von Jens Berger.

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Macrons „Weltregierungserklärung“ – auf fehlgeleitetem Aktionismus wird man Europa nicht neu gründen können

Während draußen vor den Toren der altehrwürdigen Sorbonne demonstrierende Gewerkschaftler von der Polizei zusammengeknüppelt wurden, stellte Frankreichs neuer Sonnenkönig Emmanuel Macron vor einer Schar handverlesener Elitestudenten seine Visionen für Europa vor. „Teune de ville“, formelle Straßenkleidung, so stand es auf der Einladung – offensichtlich wollte man vermeiden, dass der Eindruck entsteht, hier stellt ein Sprecher der Eliten dem elitären Nachwuchs sein Konzept für ein neues Europa vor. So war die Rede dann auch vor allem eine Showveranstaltung, die auch inhaltlich Lichtjahre von der visionären Grundsatzrede entfernt war, als die sie auch von den deutschen Medien verkauft wurde. Den aufmerksamen Beobachter beschleicht eher der Verdacht, als wolle Macron seine im Lande verhassten Reformideen und andere unpopuläre Entscheidungen über die europäische Karte ausspielen. Dass man die Menschen mit solchen Taktiken nicht für Europa begeistern kann, sollte klar sein. Von Jens Berger.

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Untenrum freimachen

Florian Horn

Der Wirtschaftswissenschaftler Dani Rodrik hat neulich eine Studie vorgelegt, in der er den Zusammenhang zwischen fortgeschrittener Globalisierung, wachsender gesellschaftlicher Spaltung und dem Erstarken populistischer Parteien untersucht. Laut Rodrik ist die politische Linke dort erfolgreich, wo die soziale Dimension der Globalisierung sichtbar werde und die politische Linke entsprechend Klassenpolitik betreibt. Die politische Rechte hingegen sei dort erfolgreich, wo die kulturellen Auswirkungen der Globalisierung in den Vordergrund rücken und die politische Rechte Identitätspolitik betreibe. Für Ersteres nennt Rodrik Lateinamerika sowie Teile Südeuropas als Beispiele, für Letzteres insbesondere Europa. Unter welchen Vorzeichen die Globalisierungsdebatte in Europa derzeit geführt wird und was das für die politische Linke bedeutet, soll im Folgenden erörtert werden. Von Florian Horn[*].

CDU-Wahlplakat mit der kleinen Angela: Die Umdeutung der Wirklichkeit läuft auf Hochtouren


Wahlplakate haben mit der Wirklichkeit oft wenig bis nichts zu tun – eine simple Erkenntnis. Doch eines der Wahlplakate, das die CDU veröffentlicht hat, besticht durch einen so großen Wirklichkeitsbruch, das ein genauerer Blick lohnt. Unfreiwillig kommt das Gesicht einer Partei zum Vorschein, die nicht einmal davor zurückschreckt, die soziale Wirklichkeit der Kinder, die aus armen Verhältnissen stammen, zu beschönigen. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

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Die Grünen – von der Friedenspartei zur Feindbildpflege

Gestatten Sie eine persönliche Vorbemerkung: Ich gehörte als Sozialdemokrat und Leiter der Planungsabteilung des damaligen Bundeskanzlers schon bei Gründung der Grünen Partei Ende der siebziger Jahre zu den wenigen Befürwortern einer Koalition aus SPD und Grünen. Weil ich an die Substanz und den Charakter der dort versammelten Menschen und an ihr friedenspolitisches Engagement glaubte. Eine große Täuschung. Jetzt schickt mir ein früherer Kollege den Mailwechsel mit der Spitzenkandidatin der Grünen, Frau Göring-Eckardt. Ein vielsagendes Dokument. Hier ist es. Albrecht Müller.

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Nach der UNO-Rede Trumps müsste eigentlich auch dem letzten US-Fan klar sein, dass die Weltmacht USA gefährlich ist …

Albrecht Müller

… und die Entschärfung dieser Gefahr einer der Schwerpunkte der Arbeit der nächsten Bundesregierung sein müsste. Donald Trump hat seine erste Rede vor der UNO gehalten. Hier sind Auszüge aus seiner Rede in deutscher Sprache und die vollständige Fassung in Englisch. Die Rede enthält die Drohung, das koreanische Volk zu vernichten. Und sie eröffnet im Falle Irans einen Konflikt neu, von dem man meinte, ihn durch einen Kompromiss mit Zustimmung der USA entschärft zu haben. Albrecht Müller.

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Campact-Kampagne für Karlchen Überall – das hat schon ein Gschmäckle

Laut eigener Satzung ist die Campaigning-Plattform Campact parteipolitisch strikt neutral. Wie dies mit den aktuellen Kampagnen für die SPD-Politiker Lauterbach und Kelber in Einklang zu bringen ist, fragen auch zahlreiche Campact-Anhänger. Bei Campact versteht man die Kritik nicht. Man werbe ja nicht für eine Partei, sondern unterstütze „progressive Kandidaten“. Warum ausgerechnet Karl Lauterbach ein „progressiver Kandidat“ sein soll, erklärt Campact aber lieber nicht. Das ist auch verständlich, da der Mann mit der Fliege, der parteiintern aufgrund seiner Medienpräsenz auch „Karlchen Überall“ genannt wird, eigentlich eher als strammer Parteisoldat gilt und auch in seinem Fachbereich der Gesundheitspolitik keinesfalls so progressiv ist, wie er es gerne darstellt. Dafür kassierte Lauterbach auch als Aufsichtsrat des privaten Klinikriesen Rhön, für den er von 2001 bis 2013 im Aufsichtsrat saß, ein Salär von rund einer halben Million Euro. Als parteipolitisch neutral wird Campact künftig sicher nicht mehr gelten können. Von Jens Berger.

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Bitte sorgen Sie dafür, dass die AfD nicht auch noch größte Oppositionspartei wird. Anmerkungen zu den Aussichten zehn Tage vor der Wahl.

Eines ist klar, es gibt keine Chance zum politischen Wechsel. Für Merkel ist perfekt Stimmung gemacht; bei uns wie fast überall auf der Welt wird jede fortschrittliche, linke Mehrheitsbildung im Keim erstickt. Die Demokratie ist am Ende. Was uns am 24. September bleibt, ist die Chance, die Linke wenigstens zur größten Oppositionspartei zu machen. – Es folgt zunächst die neueste Übersicht über die Umfrageergebnisse verschiedener Institute:

Quelle: wahlrecht.de
Selbst wenn man skeptisch ist gegenüber Umfragen, kann man an dieser Übersicht einiges ablesen. Albrecht Müller.

Sigmar Gabriel und die Entdeckung der „echten Nazis“ – so viel Geschichtsvergessenheit macht wütend

Es ist Wahlkampf. Da darf man natürlich als Parteipolitiker auch schon mal etwas krachlederner zur Sache gehen und Warnungen vor der AfD sind im Kern ja nie falsch. Aber was Sigmar Gabriel in einem Interview sagt, das er gestern dem Portal t-online gegeben hat, sprengt sämtliche Grenzen von Anstand und Moral. Angesprochen auf den mittlerweile wohl wahrscheinlichen Einzug der AfD in den Bundestag sagt Gabriel, „dann [hätten] wir zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkriegs im deutschen Reichstag wieder echte Nazis“. Das ist geschichtsvergessen und dumm. Gerade in der Nachkriegszeit saßen zahlreiche „echte“ Nazis in den westdeutschen Landesparlamenten und im Bundestag. Das geht vom NS-Juristen, über hohe Beamte, die verantwortlich bei den Deportationen und dem Holocaust mitgemacht haben, waschechten Kriegsverbrechern und ideologischen Vordenkern der kruden NS-Ideologie bis hin zu einem Teilnehmer der zweiten und dritten Wannseekonferenz. Betroffen sind alle alten Parteien – auch die SPD, in deren Reihen ein von den Franzosen in Abwesenheit zum Tode verurteilter SS-Offizier sogar in den Bundesvorstand aufsteigen konnte. Wer derart geschichtsvergessen agiert, stärkt damit am Ende nur die AfD, die sich – diesmal sogar zu Recht – als Opfer einer Kampagne sieht. Von Jens Berger.

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Kanzlerinnensturz durch russische Hacker? Was haben unsere lieben Qualitätsjournalisten nur jetzt schon wieder geraucht?

Zugegeben – wenn man sich den blut- und inhaltsleeren Wahlkampf so anschaut, mag man sich glatt wünschen, dass „der Russe“ endlich mal eingreift und uns mit seiner ominösen Hackermeute und deren Hackerbeute aus dem Halbschlaf reißt. Und wenn das nichts wird, soll doch das Monster von Loch Ness die Kanzlerin verspeisen oder der Yeti als letzte Geheimwaffe der SPD den Schulz-Zug auf der Zielgeraden anschieben. Mythen und Märchen sterben nie, nur dass die „russischen Hacker“ anders als Nessie und der Yeti einen Stammplatz bei SPIEGEL Online und Co. haben. Nachdem die Süddeutsche nun gaaaaaanz vorsichtig entwarnt, „analysiert“ SPIEGEL Online nun in einem kruden Text, der dem Postillion alle Ehre machen würde, ob, wie, wann und warum nicht russische Hacker nun doch oder doch nicht noch die Bundestagswahlen manipulieren. Sogar von einem „Kanzlerinnensturz“ ist da die Rede. Da mag man „dem Russen“ ja beide Daumen drücken, doch wie er schaffen soll, woran nicht nur das Who is Who der ehemaligen Sozialdemokraten, sondern auch die gesamte Riege aufstrebender CDU-Talente wie Wulff, Koch, Wissmann, Oettinger, Jung und Merz sowie das gesamte politische Bayern gescheitert sind, behält SPIEGEL Online leider für sich. Schade. Eine Glosse von Jens Berger.

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Brasilien – Michel Temers Plünderung des Staates und das Schweigen der Medien und “Märkte”

„Fassungslos erlebten wir am vergangenen 2. August 2017 den moralischen Tod Brasiliens. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wurde ein Präsident beim Begehen von Verbrechen ertappt, doch die scheinheiligen Volksvertreter stimmten seinem weiteren, straflosen Verbleib im höchsten Amt der Staatsmacht zu, für dessen Ausübung er nicht die Vollmachten des Volkes erhalten hat. Im Gegenteil, sie ließen ihn im Amt gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Menschen. Seitdem blutet das Land würdelos dahin und die grüngelbe Nationalflagge flattert ergraut vor Scham.“ Von Frederico Füllgraf.

Bizarrer Streit in der Ökonomenzunft – von Laien, Professoren, Weisen und Zwergen

Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten und wenn ökonomischer Sachverstand Mangelware ist, können auch schon einmal aus wirtschaftswissenschaftlichen Zwergen Wirtschaftsweise werden. Wie tief die Sonne der Kultur in den deutschen Wissenschaften heutzutage tatsächlich steht, zeigt eine absurde Replik, mit der die vier neoliberalen Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – umgangssprachlich die „Wirtschaftsweisen“ – auf einen Artikel des fünften Sachverständigen reagieren. Peter Bofinger hatte nämlich in der FAS die Unfehlbarkeit freier Märkte angezweifelt und eine aktivere Industriepolitik des Staates angeregt. Das war für die obersten Hüter des Neoliberalismus zu viel und es überrascht nicht, dass sie Kritik an Bofingers Gedanken übten. Überraschend ist jedoch die Schärfe und die Niveaulosigkeit der Replik. Von Jens Berger.

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Der Mythos von der guten alten Zeit

Frankreich, Holland, Deutschland, Österreich – die Populisten sind in Europa weiterhin auf dem Vormarsch. Und alle anderen agieren, als gäbe es keine Strategien gegen die rechten Volksverführer. Dabei besitzen Rechtspopulisten einen einfachen Kern, nämlich das selbstgestrickte Bild einer gespaltenen Gesellschaft: Hier sind WIR und dort sind die ANDEREN. Dieses Bild erklärt die Sprache, die Taktiken, die innere Organisation und die Eskalationsdynamiken der Rechtspopulisten auf ungemein klare Art. Der Kommunikationsexperte Walter Ötsch und die Journalistin Nina Horaczek entlarven in ihrem Buch Populismus für Anfänger die Tricks und Täuschungsmanöver der Demagogen und entschlüsseln ihre Codes – ein Auszug.

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