Kategorie:
Wahlen

„Und es öffneten sich die großen Alleen…“ – Gabriel Borics Wahl zum neuen Präsidenten Chiles

„Und es öffneten sich die großen Alleen…“ – Gabriel Borics Wahl zum neuen Präsidenten Chiles

Die Wahllokale öffneten um Punkt 8 Uhr morgens, doch die wenigsten von ihnen befanden sich in der Nähe der über Wochen hinweg per Radio, Fernsehen, sozialen Netzwerken und mit Lokaltreffen der beiden Präsidentschaftskandidaten mobilisierten WählerInnen in den Vorstädten und Außenbezirken der 7-Millionen-Metropole Santiago. Hunderttausende wahlbereite BürgerInnen strömten auf die nahezu perfekt funktionierende U-Bahn zu, deren letzte Stationen jedoch nur mit Zubringerbussen zu erreichen sind. In den Nobelvierteln von Santiago Oriente fuhren fast leere Busse mit gelangweilten Fahrern die Avenidas auf und ab. Doch siehe da, in armen Süden der Hauptstadt keine Spur von Bussen an den Haltestellen. Die Wartezeiten dehnten sich auf eineinhalb Stunden aus, die Menschen schwitzten ihre Ungeduld unter mehr als 30 Grad im Schatten aus. Eine Vor-Ort-Reportage von Frederico Füllgraf.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Venezuela – „Mega-Regionalwahlen“ im Zeichen politischer Zersplitterung und wirtschaftlicher Erholung

Venezuela – „Mega-Regionalwahlen“ im Zeichen politischer Zersplitterung und wirtschaftlicher Erholung

Am vergangenen 21. November fanden in Venezuela Regional- und Kommunalwahlen statt, mit denen die Ämter von 23 Gouverneuren, 335 Bürgermeistern und 2.471 Kommunalräten neu besetzt wurden. Für sich allein genommen, ein beeindruckendes Unternehmen, doch die Umschreibung mit „Mega-Wahl“ erhielt bereits volle Bedeutung, als der nationale Wahlrat (CNE) Ende Mai 2021 bekanntgab, dass rund 70.000 Kandidaten aus 111 politischen Parteien und Wählerlisten zugelassen waren; ein im Sinne traditioneller westlicher Demokratien, in denen sich Jahrzehnte lang ein Parteien-Duo an der Macht abwechselt, konfuses Szenario parteipolitischer Zersplitterung. Doch ist es auch der bildhafteste Hinweis darauf, dass bei der Beschreibung des Chavismo als dominierendem politischen Faktor in Venezuela der Begriff „Diktatur“, wie er beliebig von bestimmten Medien und der Politik verwendet wird, wohl doch fehl am Platze ist. Von Frederico Füllgraf.

Berliner Senatsbildung: Zwischen Wählerbetrug und Illusionstheater

Berliner Senatsbildung: Zwischen Wählerbetrug und Illusionstheater

Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin wird weitermachen. Arbeitsgrundlage soll der am Montag vorgestellte Koalitionsvertrag sein. Doch der entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Kompendium der Luftschlösser und Prüfungsvorbehalte. Es wird also weitergewurschtelt. Von Rainer Balcerowiak.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Chiles Taumel zwischen demokratischer Neugründung und autoritärer Regression – Ein Kommentar

Chiles Taumel zwischen demokratischer Neugründung und autoritärer Regression – Ein Kommentar

Meinen vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Chile beendete ich mit einer Allegorie aus der Geschichte der Mythen. Mit der Bildsprache sollten die deutschen LeserInnen das Gemisch von Spannung und Ohnmacht erfassen, das sich seit Wochen im fernen Andenland ausbreitet. Im Schlussabsatz schrieb ich, Chile „taumelt […] zwischen der beunruhigenden Frage des Pilgers und der chiffrierten Antwort der schweigenden Sphinx: Sind die Betroffenen und langjährigen Opfer des Systems selbst bereit, ein demokratisches und sozial gerechteres Regierungsprogramm anzunehmen, oder werden sie dem leichten, aber faulen Ruf nach ´Ordnung´ folgen?”. Von Frederico Füllgraf.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Präsidentschaftswahlen in Chile – Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gabriel Borics progressivem Sozialstaat und J. A. Kasts rechtsextremem Polizeistaat

Am heutigen 21. November werden in Chile ein neuer Präsident, ein neues Parlament und Regionalräte mit einer Amtszeit von je vier Jahren gewählt. Sieben Kandidaten treten für das Präsidentenamt an, darunter ein Unding, nämlich der wegen Nichtzahlung von Alimenten in die USA geflüchtete und deshalb via Internet-Kampagne führende Konservative Franco Parisi. Eines steht indes trotz aller Spekulationen fest: Das Rennen wird nicht am 21. November, sondern erst mit einer unvermeidlichen Stichwahl am 18. Dezember 2021 entschieden, denn keiner, auch die drei Favoriten nicht, besitzt das Wählerpotenzial für einen Sieg im ersten Wahldurchgang. Es sind dies der 35-jährige ehemalige linke Studentenführer Gabriel Boric, der Pinochet-Gefolgsmann und Abgeordnete José Antonio Kast und die progressive Christdemokratin und Senatorin Yasna Provoste. Zusammen vereinen sie zwischen 50 und 60 Prozent der Wahlintentionen auf sich. Von Frederico Füllgraf.

„Wir können einiges von Dänemark lernen“

„Wir können einiges von Dänemark lernen“

Erstmals seit 68 Jahren sitzt mit Stefan Seidler wieder ein Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Bundestag, Als Partei der dänischen Minderheit ist der SSW durch das Wahlgesetz von der Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen befreit. Der SSW muss nur so viele Stimmen erringen, wie bei der Sitzverteilung für die Zuteilung des letzten Mandates notwendig sind. Bei den Bundestagswahlen am 26. September wären das 40.000 Stimmen gewesen, der SSW, der nur in Schleswig-Holstein kandidierte, erhielt über 55.000 Stimmen. Doch was will diese „Dänen-Partei“ eigentlich erreichen und wofür steht sie? Rainer Balcerowiak sprach mit Stefan Seidler.

Ampel-Sondierungsergebnisse – wo bleibt die „linke“ Handschrift?

Ampel-Sondierungsergebnisse – wo bleibt die „linke“ Handschrift?

Der frisch bestätigte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus kommentierte die Sondierungsergebnisse von SPD, Grünen und FDP als „strammste Linksagenda seit Jahrzehnten“. So viel Fehlsichtigkeit ist erstaunlich. Das Sondierungspapier verspricht eine moderne und digitalere Politik, sozialpolitische Akzente sind jedoch Mangelware. Es scheint vielmehr so, als habe sich die FDP hier auf ganzer Linie durchgesetzt. Von den roten Tupfern in den Programmen der SPD und der Grünen ist jedenfalls nicht viel übergeblieben. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Giffey-Move in Berlin: Wie eine kaputte Stadt ihre Regierung gewählt hat

Der Giffey-Move in Berlin: Wie eine kaputte Stadt ihre Regierung gewählt hat

Nicht nur im Bund, sondern auch in Berlin sind bereits die Weichen für die künftigen Regierungskoalitionen gestellt worden. Und das anscheinend auch ziemlich reibungslos. Zuvor hatte sich der seit fünf Jahren amtierende rot-rot-grüne Senat sozusagen stilgerecht mit einem Paukenschlag aus der alten Legislaturperiode verabschiedet. Denn die Wahlen verliefen teilweise irregulär. Wahllokale wurden zeitweilig geschlossen, weil Stimmzettel fehlten, in anderen wurden die falschen ausgegeben oder auch an nicht wahlberechtigte Personen. Auch Wahlbeteiligungen von bis zu 159 Prozent und zunächst auf der Basis von „Schätzungen“ übermittelte Teilergebnisse erinnern eher an autokratische Systeme und Bananenrepubliken, als an den selbsternannten globalen Tugendwächter der Demokratie, als der sich Deutschland gerne aufspielt. Von Rainer Balcerowiak.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Zukunft der Briefwahl

Die Zukunft der Briefwahl

Die Zunahme derer, die sich für die Briefwahl entscheiden, wird von Parteien und Kommentatoren fast wie ein Schicksal hingenommen. Weder wird gefragt, warum immer mehr Menschen die Briefwahl der Abstimmung im Wahllokal vorziehen, noch wird über die Konsequenzen dieser Entwicklung nachgedacht. So kann Briefwahl den Stimmungswahlkampf anfachen, sie schränkt das Wahlgeheimnis ein und sie ist anfällig für Vorwürfe der Manipulation. Von Jörg Phil Friedrich.

Die Linke – ‚für viele einfach nur ein „Paria“‘

Mit dieser Aussage endet eine Passage zur Regierungsbildung in Mecklenburg-Vorpommern des Handelsblatt Morning Briefing. Volles Zitat siehe unten. Diese Einlassung ist interessant. Sie erklärt auch den Niedergang der Linkspartei. Den Mehrheitsmedien und den Politikern der anderen Parteien ist es in den letzten Jahren mit einer vielfältigen und penetranten Stimmungsmache gelungen, alles Linke mit einem unangenehmen Geruch zu verbinden. Deshalb kann das Handelsblatt heute feststellen, für viele seien die Linken nur ein Paria. Das Wort bedeutet in Indien: „der niedersten oder gar keiner Kaste angehörender Inder“ oder bildungssprachlich jemand, der unterprivilegiert, von der Gesellschaft ausgestoßen ist. Albrecht Müller.

Von Gorillas und Hyänen: Ein Ex-Topmanager beleuchtet die Abgründe der neofeudalen Eliten

Von Gorillas und Hyänen: Ein Ex-Topmanager beleuchtet die Abgründe der neofeudalen Eliten

Hans-Christian Lange gehörte selbst einmal zu den einflussreichen Kreisen, die über die Geschicke des Landes und der Welt bestimmen. Um nicht selbst zum Raubtier zu werden, wechselte er die Seiten. Mit seinem neuen Buch liefert er ein Psycho- und Soziogramm der herrschenden Geld- und Politikkaste und postuliert: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Im Interview mit den NachDenkSeiten spricht der Politikaktivist über Raffzähne, die sich in Bunkern verschanzen, verstoßene „Eimermenschen“ sowie neoliberale Ökos und Fundis. Seinen Optimismus bewahrt er sich trotzdem. Mit ihm sprach Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Moskau: Festnahmen von linken Oppositionellen nach Protesten gegen Unregelmäßigkeiten bei der Duma-Wahl

Moskau: Festnahmen von linken Oppositionellen nach Protesten gegen Unregelmäßigkeiten bei der Duma-Wahl

Nach den Duma-Wahlen, bei denen die Regierungspartei Einiges Russland mit 49 Prozent der Stimmen siegte, gab es in Moskau und anderen Städten Proteste gegen mutmaßliche Wahlfälschungen. Über 100 Oppositionelle aus KP und anderen linken Organisationen wurden festgenommen oder wegen „unerlaubter Versammlungen“ zu zehntägigen Haftstrafen verurteilt. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.

Wohin läuft der Hase bei den Koalitionsverhandlungen? Wahrscheinlich nach Jamaika

Wohin läuft der Hase bei den Koalitionsverhandlungen? Wahrscheinlich nach Jamaika

Gestern gab es Äußerungen, die aufhorchen lassen. Der FDP-Generalsekretär formulierte – siehe hier und hier – Bedingungen, Rote Linien: Keine Steuererhöhungen, kein Antasten der Schuldenbremse. Außerdem blitzte in einer Runde, nach meiner Erinnerung bei einer Talkrunde mit dem stellvertretenden Bild-Chefredakteur, die Erwägung auf, die Grünen könnten in einer Koalition unter CDU-Führung ihr Wähler- und Zustimmungspotenzial in der Regierungszeit besser erweitern als in einer Koalition mit der SPD. Diese Erwägung ist nicht falsch. Der Hase liefe also in Richtung Jamaika. Das wäre dann das, was die NDS zu Anfang ihrer Wahlanalyse vom 27. September formuliert hatten. Albrecht Müller.

Die andere Wahlbilanz. Oder: die Menschen sind weiter als „die Politik“.

Die andere Wahlbilanz. Oder: die Menschen sind weiter als „die Politik“.

Am vergangenen Sonntag, dem 26. September 2021, gab es zwei in vielerlei Hinsicht historische Wahlen, über die kaum berichtet wird. An diesem Tag sprachen sich in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland 56 Prozent für eine Enteignung der großen Wohnungskonzerne aus. Und warum gab es diesen Erfolg? Von Winfried Wolf.