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Innere Sicherheit

Orwell war noch zu optimistisch

Unter der Überschrift Er wird, er wird nicht, er wird … berichtet die TAZ vom 24./25. Oktober 2015 über den Einsatz von Algorithmen in der Verbrechensbekämpfung. Auch hierzulande treten statistische Verfahren ihren Siegeszug an und verdrängen andere Ansätze des Umgangs mit Straftätern. Ein Kommentar von Götz Eisenberg[*].

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Regierung im Blindflug – Ein Zwischenruf von Willy Wimmer

Jetzt gibt es also wieder „Protokollstrecken“. Anders kann man die Besuche und ihre Abfolge aus der Staats-und Regierungsspitze in Duisburg-Maxloh, Heidenau und Wilmersdorf nicht bezeichnen. Fein ausgesuchte Volksrepräsentanten, vermutlich vorformulierte Ansichten, gesäuberte Straßen, Bereitschaftspolizei die Menge. So fährt man in ein Aufstandsgebiet. Im Übrigen kennt man diese Protokollstrecken noch von Erich. So weit ist es gekommen.

G7-Proteste: „Die Polizei lügt wie gedruckt“

Elke Steven

Am 7. und 8. Juni 2015 trifft sich die „Gruppe der Sieben“ auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen. Dort wollen die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, der USA, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Kanadas über Außen- und Kriegspolitik, Weltwirtschaft, Klima und „Entwicklung“ beratschlagen und beanspruchen dabei für sich die maßgebliche Steuerung der Geschicke der Welt. Ihre Politik, die für neoliberale Wirtschaftspolitik, Krieg und Militarisierung, Ausbeutung, Armut und Hunger, Umweltzerstörung und Abschottung gegenüber Flüchtenden steht, stößt dabei erwartungsgemäß auf zivilgesellschaftlichen Protest, dem allerdings vor allem mit Repressionen begegnet wird. Jens Wernicke sprach hierzu mit Elke Steven, Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie und Mitherausgeberin des soeben erschienenen Grundrechte-Reports.

Terroralarm

Fast jedes terroristische Attentat führt in Folge unmittelbar zu einem weiteren. Zu einem politischen nämlich, welches auf die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger abzielt, um hierdurch – so wird behauptet – der terroristischen Gefahr besser begegnen zu können. Aber, mal ehrlich: Wenn die Totalüberwachung der Kommunikationswege wirklich vor Terror schützen würde und deswegen nun auch in Deutschland nötig wäre – warum genau hat sie mit diesem Anliegen in Frankreich dann soeben vollends versagt? Und wenn die Einschränkungen der Grundrechte für so genannte „Gefährder“ wirklich und ausschließlich weiteren Terror verhindern sollen – warum verbleibt der Begriff dann so nebulös und werden in Großbritannien inzwischen investigative Journalisten zum Teil als solche überwacht? Und: Schützt ein Bundeswehreinsatz im Inland, wie er nun erneut in die Diskussion gerät, wirklich dabei, Anschläge zu verhindern – und wenn ja, wie und wodurch eigentlich genau? Über die „Antiterror“-Gesetze im Land und ihre bisherigen wie zu erwartenden Wirkungen sprach Jens Wernicke mit Michael Csaszkóczy vom Bundesvorstand der Roten Hilfe.

Der Terror von Paris und die globale Gewaltspirale

Die Morde von Paris haben umgehend nicht nur zu massenweise politischer Instrumentalisierung der Toten, sondern auch zu einem neuen „kollektiven Selbstverständnis“ geführt, das die Gefahr mit sich bringt, „die Barbarei“ im Sinne eines neuen Feindbildes vor allem „im Außen“ und bei „den anderen“ zu verorten, die eigene hingegen zu verschleiern und mehr denn je zu übersehen. Und auch die eigentlichen gesellschaftlichen Konfliktlinien und Sollbruchstellen – beispielsweise eben jene zwischen „Oben“ und „Unten“ – geraten ob dieses neu testierten „Wirs“ rasch aus dem Blick. Dabei stellt ein Nein dazu, sich mit dem Kollektiv aus Angela Merkel, Jens Stoltenberg, Matthias Döpfner, Benjamin Netanjahu, Ahmet Davutoglu und anderen solcher Art zu assoziieren, eben keine Absage an den Kampf gegen Armut, Gewalt und Terror dar, sondern wäre faktisch der erste Schritt hin zur Erkenntnis, die einen wirklichen Kampf hiergegen überhaupt erst möglich macht. Zu den Hintergründen der Morde in Paris sowie zur „Barbarei der Zivilisierten“ sprach Jens Wernicke mit Daniele Ganser [*].

„Mit dem Wissen wächst der Zweifel“

Dieses Zitat von Johann Wolfgang von Goethe gehört zu den Losungen der NachDenkSeiten von Anfang an. Dieser Devise folgt Albrecht Müller mit seinem gestrigen Beitrag „Darf man an Motiv und Hintergrund der Mörder von Paris noch zweifeln“. Selbstverständlich kann man an all dem, was darüber berichtet und vor allem wie über die Hintergründe spekuliert wird, zweifeln und man muss auch zweifeln, was bis jetzt über die mutmaßlichen Täter und deren mutmaßlichen Motive berichtet wird. Das Recht und die Tugend des Zweifelns gilt – zumindest beim gegenwärtigen Stand des Wissens – aber gegenüber sämtlichen Darstellungen und Hypothesen zu den Motiven und Hintergründen der Mörder und der Mordtat. Von Wolfgang Lieb.

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Bundesverdienstkreuz für Tugce A. ist gut, aber besser wäre es, den Verantwortlichen für die hohe Gewaltbereitschaft die Gemeinnützigkeit abzuerkennen – der Bertelsmann Stiftung z.B.

Als ich vom rücksichtslosen tödlichen Schlag eines jungen Mannes gegen eine junge Frau las, musste ich an eine verbale Prügelszene denken, die mir vor gut zehn Jahren ins Haus flimmerte. In einer TV-Sendung eines kommerziellen Senders beschimpften sich Jugendliche, ja eigentlich noch Kinder: Schlampe, Schwein, das war der offensichtlich eingeübte Umgang. Ohne jegliches Mitgefühl. Erschreckend. Das Erlebte entsprach den Vorhersagen der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes zwischen 1978 und 1982; damals haben wir – beide Herausgeber der NachDenkSeiten übrigens – versucht, die vermutlichen Folgen der von CDU und CSU betriebenen Kommerzialisierung des Fernsehens zu ergründen und den damaligen Bundeskanzler davon überzeugt, für diesen erkennbaren Wahnsinn wenigstens kein Geld des Bundes auszugeben. Dieses hatten damals die CDU-CSU-Ministerpräsidenten verlangt. Albrecht Müller.

Bei Polizeiangaben ist Vorsicht geboten – heute in Hamburg wie bei der Erschießung Benno Ohnesorgs in Berlin. Zum Beispiel.

Die bekannt gewordenen „Mogeleien“ der Hamburger Polizei (Siehe Anlage 2) erinnern an die Vorgänge beim Schah-Besuch in Berlin Anfang Juni 1967. Weil der einschlägige Text so vieles zeigt, habe ich die entsprechenden Passagen aus Horst Graberts Autobiografie gescannt. Er war damals Chef der Senatskanzlei, also der oberste Beamte Berlins unter dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz. Sein spannender Bericht – siehe Anlage 1 – zeigt, dass die damalige politische Führung der Stadt und die Öffentlichkeit gleich zweimal von der Berliner Polizeiführung in die Irre geführt – auf Deutsch: belogen – wurde. Von Albrecht Müller

Wochenrückblick auf zwei beachtliche Vorgänge verbunden mit zwei Tipps zu nahe liegenden Themen

Das betrifft den weit unterschätzten rechtsextremen Terror und das weit überschätzte PISA der OECD. Die Tipps gelten Medienterminen zu Willy Brandt und Mollath. Allen vier Vorgängen eigen ist die Tatsache, dass das öffentliche Bild von Ereignissen und Personen sehr viel anders gezeichnet und verzeichnet wird, als es der Wahrheit entspricht. Alle vier Beispiele zeigen, wie sehr Menschen und unsere Gesellschaft davon betroffen sein können. Von Albrecht Müller

Schily als Wahlhelfer für Merkel

Der „rote Sheriff“ macht in einem SPIEGEL-Interview über die Geheimdienstüberwachung Thomas Oppermann, den Mann, der im Wahlkampfteam von Peer Steinbrück für das Amt des Innenministers steht, geradezu lächerlich. Und er hilft Merkel aus der Patsche. Dass die sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler gerade auch Schily 2005 abgewählt haben, hat er offenbar bis heute nicht wahrgenommen. Schilys Versuch, die soziale Verunsicherung durch Schröders Agenda-Politik durch umso mehr Aktivitäten der inneren Sicherheit auszugleichen ist grandios gescheitert. Die SPD ist abgesackt, dafür lässt sich Schily von der Überwachungsindustrie fürstlich entlohnen. Von Wolfgang Lieb.

Dass Deutschland kein souveräner Staat ist, ist nichts Neues

Jetzt wird angesichts der sichtbaren Tätigkeit ausländischer Geheimdienste in unserem Land und angesichts der Überwachung von Internet und Telekommunikation empört darüber gerätselt, was sich US-Amerikaner und die Briten bei uns und in Europa erlauben. Das musste man erwarten, nachdem auch bei den Verträgen zur Deutschen Einheit nicht dafür gesorgt worden ist, dass wir ein souveränes Land werden. Ich habe die Einschränkung der Souveränität als Bundestagsabgeordneter Ende der achtziger Jahre und Anfang der Neunzigerjahre handfest erlebt. Darüber will ich kurz berichten. Albrecht Müller.

Orwell 2.0 – Die totale Überwachung ist längst Realität

Das jüngst bekannt gewordene Internetüberwachungsprogramm Prism ist nur die Spitze des Eisbergs. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird die internationale Kommunikation systematisch von spezialisierten Geheimdiensten abgehört. Mit dem technischen Fortschritt wuchs auch das Ausmaß der Überwachung rasant an. Heute betreibt wohl jedes bedeutende Land ein eigenes Abhörprogramm, gegen das die Stasi wie ein graues Relikt aus der Vorzeit wirkt. Die USA sind in Sachen Überwachung jedoch eine Klasse für sich. Der Staat, der stets so tut, als habe er einen Patent auf den Begriff „Freiheit“, hat heute ein digitales Überwachungssystem, das jeder orwellschen Totalitarismusphantasie Ehre macht. Wer glaubt, es ginge dabei nur um die „Terrorismusbekämpfung“, beleidigt dabei die Geschichte durch einen Mangel an Phantasie. Von Jens Berger.

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NPD-Verbotsantrag: Volker und die starken V-Männer

Kommentar von Jörg Wellbrock

Durch alle Parteien zieht sich die Diskussion darüber, ob ein Verbot der NPD durchsetzbar ist und etwas am politischen Klima in Deutschland ändern würde. Wie geheuchelt diese Debatte sein kann, zeigt ein Blick auf die Aktivitäten von Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten Hessens.

Aus Verzweiflung erbrüteter Sprengstoff

Anmerkungen und Fragen zur Messerattacke im Jobcenter von Neuss.
Man müsste den Neusser Fall zum Gegenstand einer gründlichen Recherche machen. Wir könnten, sollten und müssten aus ihm lernen. Wo sind die Repräsentanten einer engagierten Literatur, die sich eines solchen Geschehens annehmen?
Es geht nicht darum, den Täter zu exkulpieren. Eine Tat verstehbar werden zu lassen, ist etwas anderes, als sie und den Täter zu entschuldigen.
Schon ist davon die Rede, es sollten Barrieren zwischen Mitarbeitern und Kunden errichtet sowie Fluchtwege ausgebaut werden. Auch der Einsatz von qualifiziertem Sicherheitspersonal in “sensiblen” Verwaltungsbereichen wird diskutiert.
Eine Gesellschaft, der es ernst wäre mit dem Gedanken der Prävention, würde jenseits der und unabhängig von den Zwängen und Begrenzungen der juristischen Wahrheitsfindung umgehend ein interdisziplinäres Forschungsprojekt auf den Weg bringen, dessen Aufgabe es wäre, all das auszuleuchten, was vom Gericht als „nicht zur Sache gehörig“ erklärt und außer Acht gelassen wird. Es hätte den gesellschaftlichen Hintergründen und psycho-sozialen Bedingungen der Möglichkeit dieser Tat rückhaltlos auf den Grund zu gehen. Von Götz Eisenberg [*]

Ein weiterer Tabubruch: Bundesverfassungsgericht lässt den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu

Die strikte Trennung von innerer Gefahrenabwehr durch die Polizei und äußerer Gefahrenabwehr durch das Militär war eine bewusste Reaktion der Väter (und Mütter) des Grundgesetzes auf den offenen oder verdeckten Einsatz der Reichswehr im Innern in der Weimarer Republik. Diese Trennung wurde zwar schon mit der Notstandsgesetzgebung im Jahre 1968 gelockert (Einfügung des Art. 87a Abs. 4 GG). Dennoch blieb es bei einer strikten Unterscheidung bei der Regelung des Katastrophen-Notstandes und des Staats-Notstandes. Kampfeinsätze der Bundeswehr im Innern, die auf die Vernichtung des Gegners gerichtet sind, blieben prinzipiell ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht weicht nun mit seiner heutigen Entscheidung die bisherige Trennung von Polizei und Militär weiter auf.
Die Regelungen für den Katastrophenschutz nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG, ließen bisher – auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtes – den Einsatz der Streitkräfte im Innern mit militärischer Waffengewalt nicht zu. Die 16 Richter des Plenums haben nun entschieden, dass die „Verwendung spezifischer militärischen Waffen bei Einsätzen der Streitkräfte nach diesen Vorschriften nicht grundsätzlich“ ausgeschlossen ist. Damit ist ein fundamentales Prinzip unserer Verfassung – unter Umgehung einer Verfassungsänderung durch den Gesetzgeber – durchbrochen. Wenn auch in engen Grenzen, ist damit die Tür für eine weitere Militarisierung im Innern aufgestoßen. Von Wolfgang Lieb