Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verschleppt – mittlerweile gesetzeswidrig – die Veröffentlichung wichtiger Studiendaten. Das enorme öffentliche Interesse an einer Freigabe der Daten und zahlreiche weitere Alarmsignale, u.a. eine Antwort des Instituts vom 8. August 2025, veranlassten Rechtsanwältin Dr. Meyer-Hesselbarth zu diesem Schritt. Von Bastian Barucker.
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Die Anwältin Dr. Meyer-Hesselbarth hat am 10. August 2025 ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Darmstadt gegen das Paul-Ehrlich-Institut eingeleitet (AZ: 6 L 3105/25.DA). Sie möchte mit ihrem Eilantrag erreichen, dass die vollständigen Rohdaten der SafeVac2.0-App nunmehr unverzüglich vom PEI zugänglich gemacht werden müssen.
Die Sache hat eine bemerkenswerte Vorgeschichte: Seit Anfang April 2022 ist mit dem gleichen Ziel ein Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) beim Verwaltungsgericht Darmstadt gegen das PEI anhängig (Az: 6 K 716/22.DA). Nach rund 40 Monaten Verfahrensdauer und trotz einer Verzögerungsrüge vom März 2025 gibt es in diesem Verfahren bis heute keinen Termin, so Meyer-Hesselbarth. Eine Anfrage des Journalisten Norbert Häring bei der Pressestelle des Gerichts vom 26. Juni 2025 ergab, „dass derzeit aufgrund einer Vielzahl vordringlich zu bearbeitender Klage- und Eilverfahren nicht absehbar ist, wann mit einer Terminierung des betreffenden Verfahrens gerechnet werden kann“.
Diese Bewertung der Dringlichkeit seitens des Gerichts erstaune sie sehr, sagt Meyer-Hesselbarth. Denn die „Bedeutung der SafeVac2.0-Daten ist so groß, dass ein Abwarten auf eine gerichtliche Hauptsacheentscheidung in unbestimmter Zukunft unter keinen Umständen weiter in Betracht kommt“.
Die SafeVac2.0-App ist eine Anwender-App, mit der das Paul-Ehrlich-Institut ab dem Beginn der Covid19-Impfkampagne aktiv die per Handy-App registrierten Teilnehmer befragte und so Daten über Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe erfasst hat. Sämtliche Daten wurden über die SafeVac2.0-App anonym erhoben, so dass datenschutzrechtliche Gründe einer Zugänglichmachung der Studiendaten offensichtlich nicht im Wege stehen.
Obwohl der Abschlussbericht zur SafeVac2.0-Studie längst fertiggestellt sein müsste, hält sich das PEI auffallend bedeckt. Bis heute, also mehr als 20 Monate nach Beendigung der Studie mit knapp 740.000 Teilnehmern, möchte das PEI nicht mitteilen, wann mit einer Veröffentlichung der Studiendaten gerechnet werden darf. Auf eine Anfrage im Bundestag zur Gesamtzahl der Verdachtsfälle in der SafeVac2.0-App antwortete das PEI nicht bzw. ausweichend, indem es die Zahl der von einer schwerwiegenden Nebenwirkung betroffenen Teilnehmer dieser Studie (3.506 Personen) nannte. Eine Presseanfrage, die ich mit sehr ähnlicher Fragestellung im Juni 2025 an das PEI gerichtet hatte, wurde bis heute in der Sache nicht beantwortet. Mittlerweile läuft wegen dieser Anfrage ein presserechtliches Eilverfahren – ebenfalls beim Verwaltungsgericht in Darmstadt.
Spielt das PEI „auf Zeit“ und verzögert die Veröffentlichung ggf. unliebsamer Studienergebnisse?
Eine solche Bewertung drängt sich bei einem Blick in die Begründung zu dem Eilantrag der Anwältin Meyer-Hesselbarth geradezu auf. So wurde die vom PEI öffentlich mitgeteilte Erweiterung der Studie um die sogenannte Booster-Impfung (3. Dosis) regelwidrig nicht angemeldet. Sie führte zu einer „Verlängerung“ der Studienphase um immerhin neun Monate auf insgesamt ca. 21 Monate, d. h. bis zum 30.09.2022, obwohl die Boosterimpfkampagne per Mitte März 2022 praktisch abgeschlossen war. „Man hätte die SafeVac2.0-Erhebung bei sachgerechter Vorgehensweise spätestens zum Ende des 1. Quartals 2022 schließen müssen“, so Meyer-Hesselbarth. Immer wieder hatte das PEI selbst in der Öffentlichkeit betont, dass eine zeitnahe Erhebung und Auswertung weiterer Daten im Rahmen der sogenannten Post-marketing-Surveillance wichtig sei. Mittlerweile tritt immer deutlicher zutage, dass das PEI diesen Verlautbarungen keine Taten folgen ließ:
Bereits öffentlich bekannt ist der Umstand, dass bis heute die Auswertung der GKV-Daten [GKV: Gesetzliche Krankenversicherung] nach § 13 Abs. 5 IfSG seitens des PEI nicht erfolgt ist. Hinzu kommt jetzt die Nichtveröffentlichung des Berichts zur SafeVac2.0-Studie innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist. Selbst wenn die 9-monatige Verlängerung zugunsten des PEI einberechnet wird, stellt die bisher nicht erfolgte Veröffentlichung des Abschlussberichts einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz dar (§ 67 Abs. 6 S. 7 und S. 8 i. V. m. § 42b Abs. 2 S. 1 AMG).
Der in der Arzneimittelentwicklung tätige Pharmakologe Dr. Christian Wolf stimmt diesbezüglich der Einschätzung von Dr. Meyer-Hesselbarth zu. Er kommentiert die Verspätung auf der Plattform X dergestalt, dass insoweit „in der Tat ein gesicherter Regelverstoß vorliegt“. Zum selben Ergebnis kam auch Prof. Kekulé in einem Focus-online-Beitrag vom 24. Juli 2025. In diesem Beitrag wies er zugleich auf die relativ hohe und alarmierende Quote von 0,5 Prozent der SafeVac2.0-Teilnehmer mit einer schwerwiegenden Nebenwirkung hin, die als Verdachtsfälle gemeldet worden waren (also jeder 210. Teilnehmer). Kekulé forderte die Gesundheitsministerin Nina Warken vor diesem Hintergrund auf, endlich für eine Veröffentlichung der SafeVac2.0-Daten zu sorgen. Er wiederholte diese Forderung in einem am 7. August 2025 ausgestrahlten Interview gegenüber dem MDR.
Angesichts der bereits bestehenden öffentlichen Verunsicherung und eines dringenden Informationsinteresses hatte ich in einer Nachfrage Mitte Juli 2025 das PEI nochmals um konkrete Beantwortung folgender Frage gebeten: „Trifft es zu, dass das Paul-Ehrlich-Institut 56.545 Verdachtsfallmeldungen für Nebenwirkungen (adverse event reports) für Teilnehmer der SafeVac2.0 App an Eudravigilance [europäische Datenbank zu Nebenwirkungsverdachtsfällen] übermittelt hat?“
Am 8. August traf dazu eine erstaunliche Antwort des PEI ein. Das PEI wich der gestellten Frage erneut aus und bestätigte nur, dass „alle gemeldeten unerwünschten Ereignisse, die gemäß § 4 Absatz 13 Arzneimittelgesetz (AMG) als schwerwiegend eingestuft wurden, innerhalb von 15 Tagen als schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis aus einer klinischen Studie an die Eudravigilance-Datenbank der EMA berichtet wurden“. Im Übrigen führte das Institut zum wiederholten Male aus: „Alle Verdachtsfälle mit nicht-schwerwiegenden Ereignissen werden mit Abschluss der Auswertung der klinischen Studie [Markierung durch den Autor] an die Eudravigilance-Datenbank der EMA berichtet.“ Diese Antwort ist aus gleich drei Gründen erstaunlich:
Erstens behauptet das PEI damit, gegen die gesetzliche Meldefrist verstoßen zu haben und Meldungen für 4 bis 4 ½ Jahre ggf. liegengelassen zu haben. § 62 Abs. 3 S. 1 AMG fordert, dass die nicht schwerwiegenden Verdachtsfälle innerhalb von 90 Tagen zu Eudravigilance weitergeleitet werden.
Zweitens hatte das PEI im Juni 2021 dem ZDF gegenüber geäußert, dass es „die Daten der SafeVac2.0-Nutzer selbstverständlich wie alle anderen Verdachtsfallmeldungen bearbeitet“. Diese Aussage wurde vom ZDF im Nachgang zu einem kritischen Bericht mit dem Titel „Paul-Ehrlich-Institut überlastet – Das Datendesaster“ wiedergegeben. Sie ist zwar nicht mehr online abrufbar, befindet sich jedoch in der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens beim Verwaltungsgericht Darmstadt.
Drittens: Das PEI hatte dem Verwaltungsgericht Darmstadt zum Az. 6 K 716/22.DA unmissverständlich mitgeteilt, die Verdachtsfälle für SafeVac2.0-Teilnehmer wie andere Verdachtsfälle auch bearbeitet zu haben:
„Den sich aus § 62 Absatz 2 und 3 AMG ergebenen Verpflichtungen ist die Beklagte selbstverständlich auch bezüglich solcher Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nachgekommen, die im Rahmen der SafeVac-App übermittelt wurden, gerade weil dies ihrer gesetzlichen Verpflichtung entspricht. Diese Informationen sind damit insbesondere in der europäischen UAW-Datenbank EudraVigilance enthalten und sind in die fortlaufende Risikobewertung und -überwachung der Covid-Impfstoffe einbezogen. In diesem Kontext ist auch das von der Klägerin herangezogene Zitat gegenüber dem ZDF heute einzuordnen, wo es heißt, dass die Daten der SafeVac-Nutzer ‚selbstverständlich‘ wie alle anderen Verdachtsfallmeldungen bearbeitet werden. Die Klägerin unterliegt einer Fehlinterpretation, wenn sie hieraus schließt, dass die Auswertungen aus der Pharmakovigilanz und die aus der SafeVac-Studie identisch seien. Nochmals sei in aller Deutlichkeit klargestellt: Die Beklagte ist verpflichtet alle Daten, die ihr über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet werden zu erfassen und an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten. Dabei ist es völlig unerheblich, ob diese Meldungen aus dem Spontan-Meldesystem oder einer wissenschaftlichen Studie generiert werden.“
Doch damit nicht genug. Das PEI schrieb mir auf meine Presseanfrage am 8. August 2025 zudem, die konkrete Zahl der Verdachtsfälle für SafeVac2.0-Teilnehmer könne nicht mehr ohne Weiteres eruiert werden:
„Die Zahl der Verdachtsfallmeldungen kann rückwirkend nicht mehr ohne Weiteres eruiert werden, denn wenn das Paul-Ehrlich-Institut ein Follow-up an die EMA sendet, erscheint bei einer Recherche in der Datenbank des Paul Ehrlich-Instituts nur noch die aktuelle Version des entsprechenden Falls.“
Auf die Idee, in die zur Registrierung von Verdachtsfällen eigens vorgesehene Datenbank Eudravigilance zu sehen, kommt beim PEI offenbar niemand. Oder um es mit den völlig zutreffenden Worten des Vorsitzenden Richters eines Verwaltungsgerichts (der anonym bleiben möchte) zu sagen: „Was machen eigentlich die Mitarbeiter des PEI beruflich? Es gibt zwei Dinge, die einen sprachlos machen: 1. wie das PEI agiert und 2. dass es keinen zu interessieren scheint, weder die Presse, noch die Justiz, noch sonst wen.“
Das Kernanliegen des Informationsfreiheitsgesetzes – mittels Informationszugangs eine wirksame Kontrolle des behördlichen Handelns zu erreichen und ggf. Missstände aufzudecken – notfalls mit Hilfe der Gerichte, wurde in der gegebenen Konstellation bisher weit verfehlt.
Diese Feststellung veranlasste Meyer-Hesselbarth nun zu dem Eilantrag. Die zuletzt bruchstückhaft bekannt gewordenen Informationen, so Meyer-Hesselbarth, „lassen die massive Besorgnis aufkommen, dass die Bundesrepublik Deutschland, die zugunsten der Impfstoffhersteller die Haftung für Impfschäden übernommen hat, in selbstbegünstigender Art und Weise die SafeVac2.0-Daten dauerhaft unterdrücken möchte“. Es liegt jetzt in der Hand des Gerichts, darüber zu entscheiden, ob anhaltende Rechtsbrüche des Paul-Ehrlich-Instituts bis auf Weiteres hinzunehmen oder unverzüglich abzustellen sind.
Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Martin Schwab, Jura-Professor an der Universität Bielefeld, zu dessen Forschungsschwerpunkten seit fünf Jahren die Rechtsfragen rund um die Corona-Krise gehören, kann über das Verhalten des PEI nur noch mit dem Kopf schütteln und teilt auf Anfrage mit:
„Schon in dem Prozess um die Pflicht von Bundeswehrsoldaten zur Duldung der COVID-Impfung, der im Sommer 2022 vor dem Bundesverwaltungsgericht geführt wurde und an dem ich als Prozessbevollmächtigter beteiligt war, wurde deutlich, dass die Chargenprüfung im Hause PEI eine reine Alibi-Veranstaltung ist und dass das PEI mit der Nachverfolgung der unzähligen Impfkomplikationen überhaupt nicht hinterherkommt.“
Schwab habe, wie er weiter ausführt, schon damals nicht nachvollziehen können, warum das Bundesverwaltungsgericht dem PEI die eklatanten Versäumnisse habe durchgehen lassen können, die in diesem Prozess zutage getreten seien:
„Eigentlich hätte dieser Prozess bereits das Ende der COVID-Impfkampagne einläuten müssen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2025 und ich werde nach wie vor den Eindruck nicht los, dass das offensichtliche Überwachungsversagen des PEI und die dort unternommenen Vertuschungsversuche von den Gerichten weiterhin gedeckt werden.“
Und wenn die medizinische Katastrophe dann doch nicht mehr zu leugnen sei, werde sie von den Gerichten auch noch kleingeredet. Schwab berichtet insoweit von einem Impfschadensprozess vor dem OLG Frankfurt, wo die 1.223 Verdachtstodesfälle, die Pfizer allein für Januar und Februar meldete, als „unauffällig“ abgetan werden (Beschluss vom 29. April 2025 – 23 W 25/24). Schwab bereitet diese Entwicklung große Sorgen:
„Wenn die Menschen den Eindruck gewinnen, dass der Staat mit der Pharmaindustrie unter einer Decke steckt und die Gerichte im günstigsten Fall wegschauen, im schlimmsten Fall aber die Aufklärung aktiv behindern, nimmt das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz schwersten Schaden.“
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