Im Treibsand – oder: Noch immer kein „Endgame“ in Sicht für afghanische Ortskräfte

Im Treibsand – oder: Noch immer kein „Endgame“ in Sicht für afghanische Ortskräfte

Im Treibsand – oder: Noch immer kein „Endgame“ in Sicht für afghanische Ortskräfte

Rainer Werning
Ein Artikel von Rainer Werning

In der Nacht vom 30. auf den 31. August 2021 senkte sich auch der Vorhang für die US-Truppen am Hindukusch. „Ich bin hier, um die Vollendung unseres Abzugs aus Afghanistan zu verkünden“, sagte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führte, in einer Videoschalte mit Journalisten im Pentagon. An Bord des letzten US-Militärflugzeugs, das vom Kabuler Flughafen abhob, befand sich mit Generalmajor Christopher Donahue auch der letzte GI, der das Land nach 20-jährigem Krieg verließ. Einen sicheren Abzug dieser Art hätten sich sehnlichst auch und gerade die afghanischen Ortskräfte der westlichen Truppenverbände gewünscht. Ein Rück- und Ausblick von Rainer Werning.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die deutsche Schande von Kabul“

Ortskräfte, das waren jene afghanischen Frauen und Männer, die bis vor zwei Jahren als Dolmetscher, Übersetzer u.ä. tätig waren, ohne deren Hilfe ausländische Militärs, Botschaftsangehörige, Mitarbeiter von entwicklungspolitischen und Hilfsorganisationen sowie Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) wie orientierungslose Pfadfinder durchs Land getappt wären. Bereits während der aufwühlenden Szenen, die sich in der zweiten Augusthälfte 2021 abspielten, mussten diese Ortskräfte die bittere Erfahrung machen, vampiristisch ausgesaugt worden zu sein.

In der Novemberausgabe 2021 der Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik beschrieb Erik Marquardt, Fotojournalist und Mitglied des Europäischen Parlaments (Greens/EFA), in einem mit „Die deutsche Schande von Kabul“ betitelten Beitrag wenig Schmeichelhaftes über die bundesdeutschen Evakuierungsmaßnahmen am Kabuler Flughafen drei Monate zuvor:

Bei der ‚Kabul Luftbrücke‘ erleben wir täglich, wie die Rettung von Menschen verhindert wird, weil Verfahren aus bürokratischen Gründen verschleppt werden oder niemand zuständig sein möchte. Das hat fatale Folgen: Mehrere Menschen, die auf deutschen Evakuierungslisten stehen, wurden bereits von den Taliban hingerichtet. Obwohl deutsche Stellen öffentlich behauptet haben, dass alle diese Menschen ausgeflogen werden sollen, wurde ihre Rettung praktisch verhindert: Listen wurden nicht weitergeleitet, Busse konnten nicht bezahlt werden, Flugkapazitäten wurden nicht ausgeweitet und die Abstimmung verschiedener Behörden lief so schlecht, dass wir in zahlreichen Gesprächen Informationen von einem ins andere Ministerium tragen mussten.“

Solche Erfahrungen zeigten laut Marquardt:

(…), dass die Bundesregierung mit dem entsprechenden politischen Willen viel mehr Menschen hätte retten können. Doch stattdessen entschied sie sich, die Evakuierung abzubrechen. Wie diese Verschleppung durch deutsche Behörden funktioniert, zeigt sich auch an der Familienzusammenführung: 4.000 Menschen aus Afghanistan stehen laut Recherchen des Magazins ‚Panorama‘ und nach Auskunft des Auswärtigen Amts seit bis zu zwei Jahren auf der Warteliste für einen Termin, um überhaupt die benötigten Unterlagen einreichen zu können. Aufgrund dieser Verzögerungstaktik sind viele Menschen nun unter Taliban-Herrschaft geraten, obwohl sie das Recht auf eine Familienzusammenführung in Deutschland haben. Inzwischen landen auch regelrecht absurde Fälle in unseren Postfächern: So bekam ein allein reisender 10-jähriger Junge im afghanischen Herat die Nachricht, dass er nun nach Deutschland evakuiert werden könnte. Er müsse dazu allerdings zur deutschen Botschaft ins Nachbarland Pakistan gehen. Dass die Grenzen geschlossen sind und man dort nicht hinkommt, sagte ihm jedoch niemand.“

Eineinhalb Jahre später heißt es zu diesem Themenkomplex in einem am 11. Mai 2023 vom Evangelischen Pressedienst (epd) publizierten Bericht:

Bei der Evakuierungsaktion aus Afghanistan im Sommer 2021 sind nach Angaben eines Zeugen im Bundestags-Untersuchungsausschuss aus ungeklärten Gründen nur wenige afghanische Ortskräfte der Bundeswehr ausgeflogen worden. Wie der damals für das Ortskräfteverfahren zuständig Oberstleutnant am Donnerstag (11. Mai 2023 – RW) in Berlin sagte, konnte von allen Beteiligten ihm bis heute niemand stichhaltig erklären, warum nicht mehr Ortskräfte ausgeflogen wurden. Diese Episode lasse ihn ‚ratlos zurück‘.

Unter den mehr als 5.000 ausgeflogenen Menschen seien lediglich 30 Ortskräfte mit ihren Familien gewesen. Dass viele andere Ortskräfte trotz großer Bemühungen aus Deutschland nicht auf das Flughafengelände in Kabul gelangt seien, habe für ‚deutlichen Unmut‘ auf der Leitungsebene des Verteidigungsministeriums geführt. Der Zeuge, dessen Name ungenannt bleiben sollte, war nach eigenen Angaben fast zehn Jahre mit dem Schutz von Ortskräften der Bundeswehr befasst. (…)

Die Bundeswehr sei sich der besonderen Verantwortung für ihre Ortskräfte bewusst, betonte der Oberstleutnant. Doch habe das Verteidigungsministerium die Rolle des ‚Bittstellers‘ gegenüber dem Bundesinnenministerium und dem Außenministerium innegehabt, wenn es um Visa für die Ausreise der afghanischen Mitarbeiter gegangen sei.

Am 16. Juni 2021 hatte die große Koalition aus Union und SPD sich darauf verständigt, in einem vereinfachten Verfahren allen Ortskräften von Bundeswehr und Polizei, die ab 2013 ein Visum für Deutschland angestrebt hatten, dieses zu bewilligen. Da allerdings die Visastelle der deutschen Botschaft in Kabul geschlossen war, mussten Ortskräfte mit ihren Familien für die Visaverfahren zu den deutschen Botschaften nach Pakistan oder Indien reisen.“

Verteidigungs“bereitschaft allerorten – allseits defensiv vis-à-vis Ortskräften

Und das auf eigene Kosten. Das Verteidigungsministerium als „Bittsteller“? Waren es nicht ausgerechnet zwei frühere Bundesminister, Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sowie Außenminister Guido Westerwelle (FDP), die jeweils im weihevollen Brustton der Überzeugung am 11. März 2004 beziehungsweise am 12. April 2013 im Deutschen Bundestag wörtlich erklärt hatten:

Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“ (Struck)

und

In Mali wird auch Europas Freiheit verteidigt“ (Westerwelle)

Mittlerweile gilt Gleiches auch mit Blick auf die Ukraine. Bei so viel „Verteidigungs“bereitschaft allerorten war auffällig, dass insbesondere der für die eigenständige nationale Sicherheit Afghanistans mitverantwortliche Apparat – in diesem Falle die Polizei samt Ortskräfte – die offensichtlich höchsten Hürden zu überwinden hatte. Das betraf vor allem das sogenannte Police Cooperation Project (PCP) der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ – Bonn/Eschborn). In diesem ehemaligen Projekt zur Polizeiausbildung in Afghanistan waren zum Zeitpunkt der neuerlichen Machtübernahme durch die Taliban am 15. August 2021 noch über 1.500 Menschen im Auftrag der GIZ tätig. Diese PCP-Mitarbeiter galten GIZ-intern als „besonders gefährdet durch ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und Zusammenarbeit mit der Polizei.“

Die Crux: Just diese Mitarbeiter verfügten allerdings nur über sogenannte Werkverträge mit der GIZ oder waren von Subunternehmen angeheuert worden. Zwar teilte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit, für ehemalige Mitarbeiter im PCP-Projekt „gelten dieselben Regelungen wie für andere Ortskräfte und Werkvertragsnehmende“. Aus vertraulichen Regierungsdokumenten ging jedoch hervor, dass Beamte bei der Prüfung von Werkvertragsnehmern eine „restriktive Handhabung“ anwenden sollen. In der Folge wurde von mehr als 1.300 PCP-Mitarbeitern, die eine Gefährdung angezeigt hatten, lediglich 56 eine Aufnahmezusage erteilt. Mehr als 1.000 wurden abgelehnt.

Seit August 2021 kamen über 30.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland – darunter mehr als 4.000 Ortskräfte sowie etwa 2.500 gefährdete Personen und deren Familienangehörige. Laut BMZ sind bis dato von 6.600 Gefährdungsanzeigen rund 3.400 Fälle positiv beschieden worden. 2.500 Fälle seien hingegen abgelehnt worden und 700 befänden sich noch in der Prüfung. Insgesamt über 40.000 Personen hat die Bundesregierung eine Aufnahme allein im Rahmen ihres Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) in Aussicht gestellt, wenngleich dieses seit dem Frühjahr stockt. Es werden vorerst nur Personen berücksichtigt, die bereits eine Aufnahmezusage haben oder die schon von einer meldeberechtigten Stelle an die Bundesregierung gemeldet wurden.

Schleppende staatliche Aufklärung

Ein Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages sowie eine eigens von diesem vor einem Jahr eingesetzte Enquete-Kommission sind damit befasst, Lehren aus dem Krieg am Hindukusch für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu ziehen, der vielfach noch immer nur als „Einsatz“ beschrieben wird. Der Leiter der Enquete-Kommission, der SPD-Außenpolitiker Michael Müller, räumte gegenüber Medienvertretern ein, dass Deutschland die Entscheidungsstrukturen in Afghanistan nie wirklich verstanden habe:

Wir sind ja in Afghanistan nicht auf ein Staatsgebilde gestoßen, wie wir es kennen.“

Die Menschen in den ländlichen Regionen Afghanistans hätten sich gar nicht um das gekümmert, was in den großen Städten passiert. Stattdessen hätten dort die Dorfältesten entschieden, konstatierte Müller:

Und wenn man in einem Land etwas aufbauen will, muss man ja die Bevölkerung gewinnen.“

Dazu zählten zuvörderst die wichtigsten Entscheidungsträger vor Ort, was aber nicht gelungen sei. Weitere Probleme, so Müller, resultierten aus der mangelnden Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bundesministerien. Diese hätten sich zwar ausgetauscht, aber letztlich gab es kein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten:

Das waren sechs oder sieben Ressorts, die gefordert waren. Und weder hier in Berlin noch dann in Afghanistan vor Ort wurde es ein koordinierter Einsatz, wo alle an einem Strang gezogen haben.“

Stattdessen habe man der Bundeswehr Aufgaben übertragen, für die sie mitnichten zuständig war – beispielsweise den überaus komplexen Bereich „nation building“.

Dem vom Bundestag am 8. Juli 2022 eingesetzten Afghanistan-Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz von Ralf Stegner (SPD) obliegt die Aufgabe, die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und der Evakuierung des deutschen Personals, der Ortskräfte und anderer betroffener Personen zu analysieren. Betrachtet wird der Zeitraum vom 29. Februar 2020 – dem Abschluss des sogenannten Doha-Abkommens zwischen der US-Regierung unter Ex-Präsident Donald Trump und Vertretern der Taliban – bis zum Ende des Mandats zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan am 30. September 2021.

Was immer auch das Fazit dieses Ausschusses sowie das der Enquete-Kommission ausfallen wird, es bleibt zu bezweifeln, ob jemals ernsthaft das Hauptproblem zur Sprache kommt: Ob nun in Afghanistan, im Irak, in Libyen, Niger, Sudan oder anderswo – die dorthin entsandten militärischen Truppenkontingente samt „entwicklungs“politischem Tross wurden in den jeweiligen Ländern letztlich als Besatzer wahrgenommen! Militärische Interventionen, massive politische Einmischungen und „demokratische Transformationen“ von außen funktionier(t)en nicht nur nicht, im Gegenteil: Sie schür(t)en interne Unruhen und führten geradewegs zu größeren Katastrophen!

Goodwill-Geste mit kargem Resultat & private Hilfsinitiativen

Vor einem Jahr, am 6. September 2022, fand in der Evangelischen Akademie zu Berlin ein erster Kongress zu und mit afghanischen Ortskräften statt, auf dem die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Luise Amtsberg, eine bemerkenswerte Rede hielt. Dort nämlich erklärte sie immerhin:

Es reicht nicht aus, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Es ist nötig, dass wir uns aus der Lehre des Geschehenen heraus auch bei Ihnen entschuldigen.“

Frau Amtsberg äußerte sich bei der Gelegenheit über die noch etwa 14.000 gefährdeten afghanischen Ortskräfte und deren Familien, die aktuell in Afghanistan verharren und nur noch auf Hilfe der Bundesregierung hoffen können. An deren Adresse gerichtet, forderte sie ein für alle Bundesländer zu überarbeitendes Ortskräfteverfahren, das folgende vier Eckpunkte beinhalten soll:

  1. Eine erweiterte Definition des Begriffs Ortskräfte
  2. Erleichterte Antragsverfahren
  3. Die Erweiterung des bisherigen Familienbegriffs
  4. Die dauerhafte finanzielle Förderung der Arbeit der Zivilgesellschaft

In diesem Zusammenhang wies Frau Amtsberg auch darauf hin:

Wenn Deutschland kein zuverlässiger Arbeitgeber, kein zuverlässiger Partner ist, dann laufen all diese Bemühungen zwangsläufig ins Leere.“

Eben. Um wenigstens da gegenzusteuern, haben sich zwischenzeitlich mehrere private Initiativen gebildet, um wirklich unbürokratische Direkthilfen für afghanische Ortskräfte und ihre Familienangehörigen zu organisieren. So zum Beispiel das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V., das u.a. die oben genannte Tagung in der Evangelischen Akademie ausrichtete.

Wir sind den Menschen gegenüber verantwortlich, die uns in Afghanistan unterstützt, geholfen und vertraut haben“,

lautet denn auch das Motto dieses Patenschaftsnetzwerks, das eng mit dem Förderverein PRO ASYL, Stiftung PRO ASYL und dem Deutschen BundeswehrVerband e.V. kooperiert. Anstatt von Regierungsseite tatkräftige Unterstützung zu erhalten, deutet momentan leider vieles darauf hin, dass die Ortskräfte-Debatte ins Räderwerk parteipolitischer Kalküle – zumal in Wahlkampfzeiten – gerät und im Rahmen eines aufgeheizten Streits über den künftigen Asyl- und Migrationskurs schnöde instrumentalisiert wird.

Exorbitante Kosten & grassierendes Elend

Das renommierte Costs of War-Projekt der US-amerikanischen Brown University errechnete, dass allein die USA seit dem Einmarsch in Afghanistan im Jahr 2001 2,313 Billionen Dollar für den Krieg am Hindukusch ausgegeben haben. In dieser Summe sind weder die Mittel enthalten, die Washington für die lebenslange Versorgung der eigenen Kriegsveteranen aufwenden muss, noch die künftigen Zinszahlungen für die zur Finanzierung des Krieges aufgenommenen Gelder. Und: Die 2,313 Billionen Dollar sind nur Teil der insgesamt geschätzten Gesamtkosten in Höhe von acht Billionen US-Dollar für Washingtons Kriege nach 9/11. Acht Billionen US-Dollar – das entspricht der Summe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der BRD für die Jahre 2021 und 2022!

Sämtliche Sozialindikatoren (Armut, Mangel- und Unterernährung, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Kindersterblichkeit u.ä.) weisen das Land am Hindukusch gegenwärtig als ein Land aus, das weitaus schlechter dasteht als zu Beginn des US-geführten „war on terror“! Vor allem in den Städten seien in den vergangenen zwei Jahren immer mehr Menschen in die Armut getrieben worden, berichtete jüngst die Sprecherin der Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC), Samira Sayed Rahman, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Kabul habe sie vor Bäckereien noch nie so viele bettelende Menschen gesehen wie zuletzt, sagte Rahman. Nach Angaben des IRC benötigen 30 Millionen Menschen – drei Viertel der Bevölkerung – dringend humanitäre Hilfe. Die Vereinten Nationen melden, dass vier Millionen Menschen akut unterernährt seien, darunter 3,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren.

Deutsche Bringschuld

Eingedenk einer solch desolaten Lage mehren sich die Stimmen, die auf verstärktes humanitäres Engagement in Afghanistan und dabei auf mögliche partielle Kooperationen mit den Taliban – zumindest Teilen derselben – unterhalb der Ebene einer diplomatischen Anerkennung setzen. Nur wer sich dafür einsetze, so beispielsweise die Argumentation der Deutschen Welthungerhilfe e.V. (Bonn), wenigstens einen Spaltbreit der Tür nach Afghanistan und zu seinen Menschen geöffnet zu halten, verfüge wenigstens über einen – wie eng auch immer bemessenen – Handlungsspielraum. Ein solcher ist gegenwärtig freilich nur seitens engagierter NRO mit Empathie und politisch-diplomatischer Sensibilität zu realisieren. Mit gesinnungsethischem Rigorismus und „feministischer Außenpolitik“, wodurch einzig auf Sanktionismus gepocht und nur innerhalb vom U.S. State Department gesetzter Parameter agiert wird, verharrt man kauernd am Ende einer olivgrünen Sackgasse.

In einer Presseinformation des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 25. August, die mit Afghanistan zwei Jahre nach Abzug der NATO – gegen die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln betitelt ist, heißt es dazu:

Die im Bundesausschuss Friedensratschlag vertretenen Gruppierungen wenden sich entschieden gegen die Politik von Außenministerin Baerbock, die selbst humanitäre Hilfen für Afghanistan von der Einhaltung von Frauenrechten abhängig machen will, und protestieren gegen die Senkung des deutschen Beitrags von bereits mickrigen 330 Millionen Euro im letzten Jahr auf 39 Millionen in diesem.

Sie fordern die Bundesregierung und die Regierungen der übrigen NATO-Staaten auf, ihre Embargomaßnahmen unverzüglich zu beenden und die afghanischen Gelder auf westlichen Konten freizugeben.

Sie dürfen Afghaninnen und Afghanen nicht weiter zur Geisel ihrer Politik machen, sondern müssen ihrer Verantwortung für das durch zwanzig Jahre Krieg und Besatzungspolitik angerichtete Desaster gerecht werden: d.h. Wiedergutmachung leisten für die Opfer des Krieges und die angerichteten Schäden sowie umfassende Hilfe für den Wiederaufbau.“

Wahrlich das Minimalgebot der Stunde: Zu Recht sprechen intime Afghanistankenner wie Thomas Ruttig (Afghanistan Analysts Network) in diesem Zusammenhang von einer „deutschen Bringschuld“.

Die Quellen/Links zum vorliegenden Beitrag finden Sie hier als PDF.

Titelbild: Trent Inness / Shutterstock