Es ist beängstigend

Es ist beängstigend

Es ist beängstigend

Ein Artikel von: Redaktion

Es ist beängstigend, den Fernseher einzuschalten, das Radio anzuschalten und vor allem auf Twitter zu gehen, wo es kaum noch Filter gibt. Es ist beängstigend, wenn man auf weitere Videos, weitere Fotos, weitere Aussagen, weitere politische Erklärungen stößt, die einen innerlich zum Kochen bringen. Und doch will man nicht aufhören, es zu wissen. Es ist die kleine Buße für diejenigen, die informiert sein wollen, diejenigen, die nicht aufgeben, sich von Ungerechtigkeit bewegen zu lassen, diejenigen, die wissen, dass ihr Unbehagen demgegenüber nicht zählt, dass es in Wirklichkeit ein Privileg und fast eine Verpflichtung ist. Von Juanlu Sánchez aus dem Spanischen von Eckart Leiser.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es ist beängstigend zu sehen, wie Israel seine Rache vollstreckt, indem es die Kriegsverbrechen (oder den Terrorismus, wie auch immer man es nennen will) der Hamas zum perfekten Vorwand macht, um eine uneingeschränkte Operation gegen den Gazastreifen zu starten und die Palästinenser mit absolut unverhältnismäßigen Kriegsverbrechen (oder Staatsterrorismus, wie auch immer man es nennen will) zu bestrafen. Die Armee hat den Norden des Streifens bombardiert, mehr als eine Million Menschen aus ihren Häusern vertrieben und dann auch den Süden bombardiert. Es gibt keinen sicheren Ort, nicht einmal in dem versprochenen „Fluchtkorridor“. Mehr als 2.600 Palästinenser sind getötet worden. Hunderte von Kindern. Israel verwüstet den Gazastreifen, bevor es mit Hunderten von Panzern, die bereits an der Grenze stehen, eine Bodeninvasion startet.

Es ist beängstigend zu sehen, dass die Präsidentin der Europäischen Kommission, während eine bevorstehende Barbarei angekündigt wird, in Israel auftritt, um es nicht nur uneingeschränkt zu unterstützen, sondern auch mit einem Satz wie diesem: „Israel hat das Recht und die Pflicht, gegen die Kriegshandlungen der Hamas zurückzuschlagen“. Als ob das Töten von Zivilisten, das Abstellen von Wasser und Strom und die Bombardierung von Wohngebieten eine legitime Reaktion auf einen Angriff wäre.

Es ist beängstigend, sich die Worte des israelischen Regierungssprechers ins Gedächtnis zu rufen, die er vor einer Woche sagte, als die Gräueltaten des Hamas-Angriffs bekannt wurden: „Es ist unser 9/11“. Mit der Zeit könnte sich diese Analogie als sehr zutreffend erweisen: Ein Angriff, der die Welt schockierte, diente als Vorwand für die Schockdoktrin, die ungerechte Kriege voller Lügen und „Kollateralschäden“, Invasionen ohne Rücksicht auf das Völkerrecht und Verstöße aller Art rechtfertigte, die von den großen westlichen Ländern mit lauwarmer Scham in einem kläglichen „heute für dich, morgen für mich“ unterstützt wurden. Und tatsächlich sind die Vereinigten Staaten Israels Hauptsponsor.

Das ist beängstigend. Und ich bin hier, um Dir von diesem Geschehen zu erzählen, nicht, um Dir zu sagen, wie ich über dieses Geschehen denke. Aber da ich mir sicher bin, dass viele von Euch genauso empfinden, voller Wut, voller Scham, innerlich aufgewühlt bis hin zur Übelkeit, belasse ich es dabei. Denn vielleicht hilft es Dir, zu wissen, dass Du offenbar nicht der Einzige bist. Es ist herzzerreißend. Wir haben in mehreren Hauptstädten der Welt, darunter Madrid und Barcelona, Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas erlebt. Aber auch das hatte seine finstere Seite: In Frankreich wurden Kundgebungen verboten, auch in Deutschland, und wir haben Bilder von einer Verhaftung wegen des Tragens eines palästinensischen Kopftuchs gesehen; in Rom endete es mit dem Einsatz von Sondereinheiten der Polizei zur Bekämpfung von Unruhen. Die größten Demonstrationen fanden aber in Großstädten in Jordanien, Irak, Ägypten, Jemen und Syrien statt. All dies wird eines Tages Konseqenzen haben.

Juanlu Sánchez, Al día, eldiario.es 16.10.2023

Titelbild: fizkes/shutterstock.com

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