Habeck-Video: Heuchelei und Heiligsprechung

Habeck-Video: Heuchelei und Heiligsprechung

Habeck-Video: Heuchelei und Heiligsprechung

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat einen von vielen Seiten gelobten Beitrag zu Nahostkonflikt und Antisemitismus verfasst – unter anderem zahlreiche deutsche Journalisten liegen ihm nun zu Füßen. Habecks fachfremde Videobotschaft kann aber nur funktionieren, wenn man sie isoliert und im politisch luftleeren Raum betrachtet. Wie gründlich Habecks Rede als emotionale Ablenkung von der realen grünen Politik funktioniert und wie distanzlos sich die Medienlandschaft davon verzaubern lässt, ist interessant. Dazu kommt die große Heuchelei, wenn der Blick geweitet wird: Unter anderem in der Ukraine, in Libyen oder in Syrien hatten die Grünen keine Probleme mit Rechtsradikalen, Islamisten und Antisemiten. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Meine Position zu den Terrorangriffen der Hamas und dass sie scharf und eindeutig zu verurteilen sind, habe ich kürzlich in diesem Artikel beschrieben. Ich stehe dem militanten Islamismus höchst kritisch gegenüber – so wie allen Glaubensfanatikern. Außerdem denke ich, dass Antisemitismus in Deutschland zu Recht stärker problematisiert wird als in anderen Ländern. Diese Positionen bedeuten aber nicht, dass sie als Basis für Heuchelei, Ablenkung oder die Unterdrückung von Meinungen herhalten dürfen.

Der aktuelle Videobeitrag von Robert Habeck findet sich unter diesem Link. Die Rede belegt Habecks darstellerisches Talent: Oberflächlich und nur für sich betrachtet, könnte man fast ebenfalls zu dem Ergebnis kommen wie nun viele Journalisten: dass hier in einer engagierten Botschaft gegen Antisemitismus „der richtige Ton“ getroffen werde. Schaut man aber genauer hin, eröffnen sich zahlreiche Ebenen der Heuchelei, auf die weiter unten eingegangen wird.

Dass Habeck Israel viel Toleranz beim Militäreinsatz entgegenbringt, sollte nicht überraschen. Als eine fragwürdige inhaltliche Behauptung kann etwa diese eindeutige Äußerung Habecks zum „Hauptziel“ der Nazis bezeichnet werden:

„Der Zweite Weltkrieg war ein Vernichtungskrieg gegen Juden, für das Naziregime war die Vernichtung des europäischen Judentums das Hauptziel.“

Wann äußert sich endlich der Landwirtschaftsminister zum Antisemitismus?

Die fachfremde Videobotschaft des Wirtschaftsministers zu Außenpolitik und Antisemitismus kann meiner Meinung nach auch als emotionale PR in eigener Sache betrachtet werden: Hier surft ein Minister auf einem sicheren und mit zahlreichen Gefühlen besetzten Thema, das nicht in seinen Bereich fällt – mutmaßlich auch, um die erschreckende Bilanz der Politik des eigenen Bereiches vergessen zu machen. Außerdem: Wann äußern sich eigentlich endlich der Landwirtschaftsminister oder Karl Lauterbach zu Außenpolitik und Antisemitismus?

Betont werden muss neben der emotionalen Ablenkung von der Wirtschaftspolitik die Heuchelei, die aus Habecks Worten spricht: Etwa in der Ukraine, in Libyen oder in Syrien hatten viele Grüne keine Probleme mit Rechtsradikalen, Islamisten oder Antisemiten und haben sie als „Rebellen“ oder gar als „Opposition“ verniedlicht, solange das in die eigene Ideologie passte und sich gegen die „richtigen“ Staatschefs richtete. Das bedeutet nicht, dass sie nun zum Thema Islamismus für immer schweigen sollten, aber die sehr widersprüchliche Haltung der Grünen zu verschiedenen Islamistengruppen müsste von der Partei dringend aufgeklärt werden, bevor man sich dazu glaubhaft äußern könnte.

Medien: Habeck kurz vor der Heiligsprechung

All diese offensichtlichen Fallstricke in der Betrachtung des Habeck-Videos werden in vielen deutschen Medien nicht betrachtet: Etwa der Mediendienst Berlin.Table kommt aus dem Schwärmen über die angeblich „weitgehend selbst verfasste Rede“ nicht heraus:

„Am Mittwochabend hat Robert Habeck – wie schon einmal vor drei Wochen – mit ein paar Minuten Ansprache Millionen erreicht. Sein Thema: Warum Deutschland an der Seite Israels und der Juden steht; sein Lagerfeuer heißt X, Instagram und Youtube; seine Adressaten sind die Menschen in Deutschland. Ob er mit der weitgehend selbst verfassten Rede ‚Kanzler-tauglich‘ ist, wie T-Online seinen Auftritt einordnet, oder vor allem eine ‚Hammer-Rede‘ gehalten hat, wie Bild formuliert, kann jeder für sich entscheiden. Aber dass dieser Auftritt das Thema in der Hauptstadt ist, steht außer Zweifel. Und dass Habeck damit eine Lücke füllt, die der Kanzler und der Bundespräsident bis heute lassen, ebenso. Lagerfeuer sind selten geworden, aber sie sind möglich.“

Da wollen viele weitere Journalisten nicht nachstehen: Der Tagesspiegel nennt die Rede „einzigartig“, sie sei „mehr als kluge Rhetorik, Gespür, Timing“. Die Allgemeine Zeitung aus Mainz sagt: „Der als Politikdarsteller verunglimpfte Grünen-Politiker hat sich bei den großen Konflikten unserer Zeit als Klartexter entpuppt.“ Der Vizekanzler habe eine kanzlerreife Kür geliefert, bilanziert die Neue Osnabrücker Zeitung: „Seine deutlichen Worte, seine differenzierte Einordnung und sein klarer moralischer Kompass der aktuellen deutschen Verantwortung treffen genau den Ton, den das Land jetzt braucht.“ Die Südwest-Presse aus Ulm meint: „Hier spricht nicht der grüne Klimaminister. Hier spricht ein Staatsmann, der keine Angst davor hat, unbequeme Tatsachen auszusprechen. Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle versucht dem offensichtlichen Verdacht der Profilierung den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Habecks Auftritt mag ihm persönlich nutzen, die Lage ist aber zu ernst für Profilierung. Denn er hat auch als Spitzenpolitiker der Grünen gesprochen.“

Endlich kann man den Robert mal wieder loben

Bedenklich ist, dass ein halbwegs flüssig abgelesenes Skript eine solche ablenkende Wirkung entfalten kann. Man spürt förmlich das erleichterte Aufatmen in vielen Redaktionen: Endlich kann man den Robert mal wieder loben und den Wirtschaftskrieg und die massiven negativen Folgen für die Bürger, die auch er zu verantworten hat, wenigstens kurz vergessen machen. Die verliebte Reaktion vieler Journalisten ist peinlich, aber nachvollziehbar: Man möchte jemanden, den man so hochgeschrieben hat, der dann aber eine für die Bürger zerstörerische Politik entfaltet hat, doch zu gerne auch mal wieder loben können.

Dass es ein fortgesetzter Akt der bewussten Verantwortungslosigkeit ist, jetzt immer noch grün zu wählen, bei dem man sich nicht mehr auf Unwissenheit oder charismatische Verführung berufen kann, habe ich kürzlich in diesem Artikel beschrieben.

Zum Abschluss soll hier auf einen Auftritt der US-amerikanisch-deutschen Schriftstellerin Deborah Feldman bei Markus Lanz hingewiesen werden:

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: © Government Communications Office, Qatar

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