Wie kann man eigentlich jetzt immer noch die Grünen wählen?

Wie kann man eigentlich jetzt immer noch die Grünen wählen?

Wie kann man eigentlich jetzt immer noch die Grünen wählen?

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Grünen haben bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern Stimmen eingebüßt, das ist die gute Nachricht. Die beunruhigende Nachricht ist, dass die treibende Partei des Militarismus und des Wirtschaftskrieges immer noch viel zu viele Wähler anlocken kann. Es wurde verpasst, ein eindeutiges Zeichen gegen Kriegsverlängerung, Sanktionspolitik, Sozialabbau und den Verzicht auf Diplomatie zu setzen. Eine große Partei stellen die politisch heimatlosen Nichtwähler. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ja, die Grünen haben Verluste bei den Landtagswahlen in Bayern (minus 3,2 Prozent) und Hessen (minus 5 Prozent) eingefahren. Als ein beeindruckendes Zeichen dafür, dass selbst bisherige Wähler der Grünen den destruktiven und kriegerischen Kurs der Partei inzwischen entlarven und ablehnen, reichen diese Einbußen aber einfach nicht aus. Denn in beiden Ländern wurden der Partei noch immer Ergebnisse über 14 Prozent beschert. In Bayern führe das dazu, dass sich die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze laut Medien nach ersten Hochrechnungen sogar hochzufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei zeigen konnte:

„Nach den bisherigen Prognosen werden wir unser zweitbestes Ergebnis in der Geschichte der Grünen in Bayern einfahren. Darauf kann man erstmal stolz sein.“

Jetzt immer noch grün zu wählen, ist ein fortgesetzter Akt der bewussten Verantwortungslosigkeit, bei dem man sich nicht mehr auf Unwissenheit oder charismatische Verführung berufen kann. Jede Stimme für die Partei verlängert den aktuellen Zustand einer irrationalen, riskanten, militaristischen und unsozialen Politik. Die Grünen stehen damit in der Bundesregierung nicht allein, aber sie erfüllen die Rolle im Moment am destruktivsten, wie wir weiter unten beschreiben.

Militaristische Lieblinge vieler Medien

Die Grünen sind gute Verkäufer einer schlechten Sache. Außerdem werden sie getragen und abgeschirmt von angepassten Journalisten: Auch in der Berichterstattung nach den Landtagswahlen wurde die Politik der verweigerten Diplomatie und der Kriegsverlängerung, der Wirtschaftskrieg, die Energiepreise, die Inflation und die folgende materielle Schwächung zahlreicher Bürger einmal mehr nicht angemessen behandelt.

Auch wegen dieser starken Unterstützung durch viele etablierte Journalisten war es zwar verstörend, aber nicht wirklich überraschend, dass so viele Bürger dem mit großem stilistischen und medialen Aufwand fabrizierten Charme der grünen Stars Habeck und Baerbock eine Zeit lang erliegen konnten und darüber sogar die Wahrnehmung der eigenen Interessen und die ihrer Kinder verlernt haben.

Aber diese Zeit der Verführung ist vorbei – auch dem größten Fan müsste inzwischen klar sein, dass der Wesenskern grüner Politik momentan der Militarismus und die Erfüllung US-amerikanischer Interessen ist. Dass (unter vielen anderen Unstimmigkeiten) der angeblich angestrebte grüne Klimaschutz auch an der Politik der grünen Kriegsverlängerung und der Förderung von Flüssiggas zerschellt, haben wir im Artikel „Kriegstreiber sind Klimakiller“ beschrieben: Die ganze „grüne“ Folklore ist meiner Meinung nach inzwischen weitgehend zur Fassade verkommen: Sie erscheint großteils als ein ablenkendes Vehikel, um in ihrem Schatten die eigentlich angestrebte Politik voranzutreiben. Dass viele der Probleme, die die Bundesregierung momentan angeblich heldenhaft bekämpft, von ihr selber angerichtet wurden, haben wir gerade hier beschrieben.

Grüne: Rechte Politik hinter pseudolinken Phrasen

Weil sich die Grünen trotz ihrer im Ergebnis rechten Politik (Aufrüstung, Sozialabbau etc.) mit pseudolinken Phrasen tarnen, besteht zusätzlich die Gefahr, dass die grüne Politik als „links“ missverstanden wird und aus einer Ablehnung der Grünen auch eine allgemeine Ablehnung gegenüber „linken“ und sozialen Inhalten entsteht. Davor möchte ich nochmals hier noch einmal warnen: Die Grünen sind nicht links und der Ausdruck „linksgrün“ führt massiv in die Irre, wie wir hier beschrieben haben.

Auch sollte man als Reaktion auf die Ablehnung der als pseudolinks verbrämten Grünen-Politik nicht sein Heil bei den Rechten von CSU, AfD oder Freie Wähler suchen, wie wir hier beschrieben haben. Meiner Meinung nach sollte im Moment dann lieber die vorübergehende politische Heimatlosigkeit akzeptiert werden – in der Hoffnung, dass sie bald durch eine Partei von Sahra Wagenknecht beendet werden könnte.

Dass zur Erfüllung transatlantischer Interessen von der Bundesregierung hierzulande Prioritäten gesetzt werden, die ich als bürgerfeindlich interpretiere, habe ich kürzlich in diesem Artikel beschrieben. Dort wird auch betont, dass die Grünen innerhalb der Bundesregierung zwar als die intensivsten Treiber einer Politik der Militarisierung und des selbstzerstörerischen Wirtschaftskriegs zu identifizieren seien, die nicht nur außenpolitisch, sondern eben auch sozialpolitisch schlimme Folgen haben kann – es sei Heuchelei von grüner Seite, einerseits Militarisierung und Sanktionspolitik zu forcieren, und sich dann über fehlendes Geld für das Familienministerium zu beschweren. Aber:

„Verantwortlich sind alle Parteien der Bundesregierung, die scharfe Kritik sollte auch sie treffen: Die FDP ist, was die (Wirtschafts-)Kriegspolitik angeht, ideologisch fast auf Augenhöhe mit den Grünen, bei der kühlen Inkaufnahme der sozialen Folgen würde sie vielleicht noch weiter gehen. Dass Sozialdemokraten dem (wenn überhaupt) außer einem stets vorübergehenden ‚Zaudern‘ kaum etwas entgegensetzen, macht einerseits fassungslos, kann andererseits aber nicht mehr überraschen.“

Schmerzhafte Entzauberung

Zahlen und Grafiken zur Wahl in Bayern finden sich hier, zur Wahl in Hessen hier. Die Wahlbeteiligung lag in Hessen bei 65,6 Prozent, in Bayern lag sie bei 73,3 Prozent. Die realen Mehrheitsverhältnisse unter Einbeziehung der Nichtwähler hat „Overton“ hier ausgerechnet. Als politisches Signal auch für die Bundespolitik wären massive Verluste der Grünen bei den Landtagswahlen sehr wichtig gewesen – dieses Signal wurde verpasst.

Eine Erklärung für die trotz schmerzhafter Entzauberung noch viel zu hohen Zustimmungswerte für die Grünen könnte einerseits in einer wie zu Popstars gepflegten emotionalen Bindung liegen: Die Realität wird für manche Bürger noch immer von den grünen Charismatikern mit ihren Verkäuferqualitäten überlagert. Das unerschütterliche Stehen zu den Grünen empfinde ich außerdem oft als eine verzweifelte Flucht nach vorne: Eine Abkehr von der Partei würde für die betreffenden Bürger einhergehen mit starker Desillusionierung und mit der peinlichen Erkenntnis, getarnte Militaristen unterstützt zu haben und einer emotionalen Kampagne zum eigenen Nachteil auf den Leim gegangen zu sein.

Zum Abschluss folgen zwei Grafiken (ein Plakat der Grünen aus dem vergangenen Bundestagswahlkampf und ein Netzfund), die die Entwicklung der Grünen gut illustrieren:

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Titelbild: Studio Romantic / Shutterstock