Wer Wind sät, wird Sturm ernten – durch das Vogtland fegt ein Sturm der Mietpreiserhöhungen

Wer Wind sät, wird Sturm ernten – durch das Vogtland fegt ein Sturm der Mietpreiserhöhungen

Wer Wind sät, wird Sturm ernten – durch das Vogtland fegt ein Sturm der Mietpreiserhöhungen

Ein Artikel von Frank Blenz

Die Einleitung dieses Artikels stammt von einem NDS-Artikel vom 9. November 2021 und behält zwei Jahre später fortschreitende, bittere Aktualität:
Das Wort Immobilie ist ein besonderes, es ist die Nahrung für eine Spezies (Mensch), die den Hals nicht voll genug bekommt davon, diese zu erwerben, Rendite zu ergaunern, dieses anonyme Eigentum zu mehren und für die Maximierung mit diesen Häusern und ihren Bewohnern kalt und perfekt Schindluder zu treiben. Sie, die nationalen und internationalen Heuschrecken, tob(t)en sich bislang vor aller Augen vorzugsweise nahezu ungehindert von den regierenden Parteien und Entscheidern in den Metropolen aus. Nun beißen sie sich zunehmend bis tief in die Provinz hinein und ordern, ordern, ordern. Schlimmer noch: Sie können sich auch hier bis in die kleinen Kommunen hinein konservativer, auf Eigentum orientierter Unterstützer sicher sein, die öffentlich beschwichtigend behaupten, das Wohl ihrer Bürger im Blick zu haben. Doch: Mitnichten haben diese Politiker das. Sie lassen stattdessen die Heuschrecken gewähren, und sie hegen und pflegen nebenher ihre kleine provinzielle Macht und ihre Kontakte und ihre Positionen.
Inzwischen, 2023, flattern Mietern in der Region zunehmend Briefe ins Haus, die Mieterhöhungen von 20 Prozent (Kaltmieten) zum Inhalt haben. Die Heuschrecken geraten richtig in Fahrt, die Bürger rennen der Verbraucherzentrale die Bude ein. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Beklemmende Berichte in der Presse

Zwei Beiträge der vogtländischen Heimatzeitung Freie Presse Vogtland beschreiben eine aufkommende Katastrophe, die in der Region hausgemacht entstand und gegen die wenig bis nichts unternommen wird. Warum? Kommunale Wohnungen wurden und werden in Größenordnungen verkauft, und zwar an internationale Gesellschaften, die lediglich eines antreibt: mehr und mehr Geld anzuhäufen.

Beispiel die kleine Kommune Schöneck:

In den 2017 verkauften kommunalen Wohnungen sollen zum 1. November 2023 die Mieten steigen. Die Erhöhung fällt saftig aus.
Schöneck. Im Fall der angekündigten Mieterhöhungen in den ehemaligen kommunalen Wohnungen plant Schönecks neuer Bürgermeister Andy Anders (parteilos) ein Treffen mit der RSG Residential Management Gesellschaft, dem Verwalter der 2017 an die „Wir in Sachsen“ verkauften Wohnungen. Das sagte er auf Anfrage von Ronny Hochmuth (Freie Wähler). Anders hat dazu bereits ein Gespräch mit Marlies Hager vom Vogtländischen Mieterverein geführt. Die Mieten sollen zum 1. November um 20 Prozent steigen. Begründet wird dies damit, dass die bisherige Nettokaltmiete nicht mehr dem Mietzins entspreche, der in Schöneck für frei finanzierbaren und nicht preisgebundenen Wohnraum in vergleichbarer Lage, in Art, Ausstattung, Beschaffenheit und Größe gezahlt werde. ™
(Quelle: freiepresse.de)

Beispiel Vogtlandkreis:

20 Prozent Mieterhöhung im Vogtland
Der Verkauf kommunaler Wohnungen an internationale Gesellschaften entfaltet inzwischen seine Wirkung. Der Mieterverein hält viele der jetzt versendeten Schreiben für nicht rechtskonform.
Plauen. Das Vogtland taucht in Bewertungen der deutschen Wohnungswirtschaft immer wieder als Eldorado günstiger Mieten und moderater Immobilienpreise auf. Einerseits. Andererseits nehmen auch im Südwestzipfel Sachsens die Konflikte um Mietpreiserhöhungen zu. Im Jahr 2020 drehten sich 4,5 Prozent der Beratungsgespräche beim Vogtländischen Mieterverein um das Thema. Die Werte steigen seither an und haben sich verdreifacht.
Per Ende September 2023 haben Mieterinnen und Mieter in 14,5 Prozent der Beratungen Hilfe wegen Mietpreiserhöhungen gesucht, wie die Vereinsvorsitzende Marlies Hager in der jüngsten Mieterversammlung erklärte. Hager verweist auf langfristige Auswirkungen der in ihren Augen falschen Entscheidungen zum Verkauf stadteigener Wohnungen. Dennoch macht die Vereinschefin den Mietern Mut. Viele der zurzeit in die Haushalte flatternden Mieterhöhungen um bis zu 20 Prozent seien sachlich und rechtlich unhaltbar und ließen sich abwenden.

Die Zeiten der soliden, anständigen Käufer sind Geschichte

Der Beginn einer drohenden und nun eintretenden Mieterhöhungsorgie war, wie einleitend geschrieben, 2021 Thema auf den NachDenkSeiten. https://www.nachdenkseiten.de/?p=77747 Mitten im Sommer 2021 wurde bekannt, dass die Stadtverwaltung Klingenthal kommunales Wohneigentum verkaufte. Auf gut Deutsch: privatisierte. Wichtig ist zu erwähnen, dass das kein Einzelfall ist. So ein Vorgang passiert im ganzen Land immer wieder und mit intensiver werdender Hachtigkeit (Vogtländisch für: Gier). Der seinerzeit amtierende Bürgermeister von Klingenthal, der inzwischen der Landrat des Vogtlandkreises ist (!), warb für sein Handeln und begründete dies mit wirtschaftlichen Zwängen. Ein Wort fiel: Altschulden. Das Unglück nahm seinen Lauf, der Ausverkauf kommunalen Eigentums zum Schaden der Bürger vogtländischer Kommunen. Was kümmert es den Landrat?

In der Heimatzeitung kommt die Verbraucherschützerin Marlies Hager zu Wort, sie nimmt kein Blatt vor den Mund:

Um die Ursachen der aktuellen Zuspitzung zu erkennen, hilft ein Blick in die Vergangenheit. „Zuerst waren die Käufer solide Anleger mit Anstand und vernünftigem Umgang mit den Mietern“, erklärt Marlies Hager. „Jetzt sind es zunehmend Erwerber aus der ganzen Welt mit ausschließlichem Interesse an der Geldvermehrung.“ Fondsgesellschaften, die auf einen Schlag 265 kommunale Wohnungen in Schöneck, 350 in Klingenthal und zuletzt 600 in Plauen gekauft haben.

Die Bürger mit neuen Vermietern könnten nun eigentlich darauf zählen, dass alles schon seine Ordnung habe, man den eigenen kommunalen Verwaltern, den Kommunalpolitikern und schließlich den neuen Eigentümern vertrauen und darauf bauen könne, dass diese dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ verantwortungsvoll folgen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wind wurde gesät, und jetzt kommt mächtig Sturm auf. Die Mieter bekommen Ärger, und manche machen sich ihrem Ärger inzwischen Luft.

Im Rechenschaftsbericht zählt der Mieterverein allein 128 Konfliktfälle auf, die durch Eigentümerwechsel oder Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ausgelöst worden seien. Das Verdrängen von Altmietern greife von den Metropolen auf Regionen wie das Vogtland über.

Wenn es nicht zum Heulen wäre, könnten die Bürger über eine Nebenepisode lachen: Auch in der Vogtländischen Region können Fans des magischen Spiels ein speziell mit Begriffen aus unserer Heimat versehenes Monopoly-Spiel kaufen. Das Ziel bei Monopoly ist bekanntlich das Anhäufen von Eigentum, Wohnungen, Straßen, Schlossstraßen am besten. Das Spiel macht Laune, sofern man ein wenig der Gier erliegt, man kann seine Kontrahenten mal so richtig über den Tisch ziehen. Am Ende ist man derjenige, der alles hat. Jetzt erleben Bürger das Spiel im richtigen Leben.

Die Katastrophe – ich behaupte, es ist eine – entstand durch bewusste Schritte, die von den Verursachern in Politik und „Immobilienwirtschaft“ getätigt und in allgegenwärtig grassierender positiver Sprache als notwendig und alternativlos verkauft wurden und werden. Seit der Wende und der folgenden Wiedervereinigung wurden leerstehende Wohnungen auch in der idyllischen Heimat Vogtland nicht etwa werterhalten. „Leerstandsenkung“ hieß und heißt stattdessen das Zauberwort, bei dem Wohnungsabbrüche in Größenordnungen erfolgen mit dem Hintergrund, eine Wohnraumverknappung zu erzielen, um den verbleibenden Bestand zu optimieren (sprich höhere Mietzahlungen). Nicht nur das:

Der zur Leerstandsenkung vorgenommene Wohnungsabbruch seit 1990 wirke sich jetzt aus. Besonders problematisch sei der Verkauf ganzer Wohnblöcke und -gebiete an Kapitalgesellschaften. Vogtlandweit gebe es keine gebundenen Sozialwohnungen. „Wir brauchen dringend einen Stop des Verkaufs von öffentlichem Wohneigentum und Grund und Boden“, lautet eine Hauptforderung. Die Bildung von mehr Genossenschaften sei eine gute Alternative.
Aktuell nehme die Anzahl harter Konflikte zu. Nicht bei Genossenschaften oder städtischen Wohnungsfirmen, sondern bei jenen, die Marlies Hager als „Heuschrecken“ bezeichnet. Im Gespräch mit der „Freien Presse“ legt sie anonymisierte Fälle von Mietanstiegen vor, meist in der maximal möglichen Höhe von 20 Prozent.

Was können Mieter tun?

Wohin man in deutschen Vertragskonstrukten schaut, wird man den Eindruck nicht los, dass Vertragspartnerschaften eher nicht so gestaltet sind, dass eine Gleichheit, Fairness für alle Beteiligten besteht. Vielmehr wird der stärkeren Seite mehr „Gleichheit“ zugestanden. Man schaue sich Mietverträge, Arbeitsverträge, Patientenverträge, Verbraucherverträge, Kundenverträge usw. an. Trotz allem darf nicht klein beigegeben werden, wie es hier bei den Mietverträgen und bei dem Treiben der „Heuschrecken“ und ihrer Gefolgschaft von der vogtländischen Verbraucherschützerin Hager gefordert wird. Sie will Mut machen und sagt:

„Mieter, seid wachsam und prüft genau“, erklärt Hager, „es gibt viele Möglichkeiten, gegen eine Mieterhöhung vorzugehen.“
(Quelle: freiepresse.de)

Diese Möglichkeiten reichten dann von Einsprüchen gegen Mietspiegel-Nachweise, die vom Vermieter lediglich und unseriös via Internet-Portale generiert und damit unwirksam seien, oder die Forderung, eine Benennung von Vergleichswohnungen (inklusive Mieten) vorzunehmen. Sicher, man kann ja mutig sein, doch realistisch betrachtet toben sich die Moneymaker im Vogtland wie überall weiter und beinah ungehindert aus…

Von einem Euro Miete gehen 41 Cent als Dividende an die Aktionäre

Die aktuelle Politik stoppt den gegenwärtigen Monopoly-Wahnsinn nicht. Ob in Berlin, München, Dresden, Hamburg oder nun auch in Klingenthal, Schöneck, Plauen: Es gibt für die verlangten Mieten nur eine Richtung – nach oben, und zwar für bestehende Wohnungen. Neue werden wenige gebaut, es lohnt viel mehr, zu verteuern, was den Eigentümern eine Steigerung ihrer Rendite sichert. Dieses Spiel boomt, immer mehr kommunale Wohnungen werden Eigentum von sogenannten Private Equity Fonds, von Family-Offices, Pensionsfonds und von Versicherungskonzernen. In der Wochenzeitung Die Zeit wurde eine Studie von „Finanzwende Recherche“ ausgewertet und eine Zahl veröffentlicht, die die Gier genannter Eigentümer begründet: 41.

Die Untersuchung zeigt auch, dass in Deutschland besonders hohe Ausschüttungen an die Aktionärinnen und Aktionäre erfolgen. Ausgeschüttet werden dabei die Mieteinnahmen. Bei den betrachteten Wohnungsunternehmen lag die Abschöpfungsquote im Jahr 2021 im Durchschnitt bei 41 Prozent. Das heißt, durchschnittlich gingen von einem Euro Mieteinnahmen 41 Cent in Form von Dividenden an die Aktionäre.
(Quelle: zeit.de)

Man muss sich das vorstellen: Von jedem Euro, den ein Mieter zahlt, gehen 41 Cent ohne eine Gegenleistung in die Taschen der Eigentümer…

Ernüchternde Erkenntnis: Der Staat, die Politik könnte gegensteuern, tut es aber nicht

Man könnte diesen entfesselten, inhumanen Markt zügeln. Doch dieses Wort „Regulierung“ ist ja ein böses, marktwirtschaftlich gesehen kontraproduktives. Viel mehr günstigen kommunalen Wohnraum schaffen, um die Knappheit im Markt zu beenden, wäre ein Projekt, doch Wohnkonzerne wie Vonovia und all die anderen cleveren Monopoly-im-echten-Leben-Spieler sind an Neubauten, noch dazu staatlichen, gar nicht interessiert.

Man könnte die Eigentümer zügeln, ihre Gier stoppen, Regeln aufstellen, die besagen, dass Wucher eben eine Straftat ist. Doch was macht der Staat? Unser Staat, unsere Entscheidungsträger, wie ich das mal als allgemeines Wort ausdrücken will, sie spielen mit. Vielfach ist zu lesen, wie wenig gebaut wird und wie z.B. die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben im Bereich Wohnungsbau „hinterher“ ist. Damit aber wird der Wohnraum „verknappt“ gehalten, dieser wird zudem schlicht zunehmend privatisiert. Weil sie damit unter der Fuchtel der Eigentümerseite steht, die tagtäglich beweist, was sie vom Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ hält, gerät dagegen die Seite der Mieter, der Bürger, geraten viele Menschen in diesem Land mehr und mehr in die Situation sozialer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher Not. Dieses entfesselte Monopoly-im-echten-Leben ist zynisch, undemokratisch, kriminell.

Schlimmer noch. Selbst wenn die Bürger protestieren, bleibt dies bisher ohne Folgen. Beispiel Berlin: Vor zwei Jahren war ein Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne in Berlin erfolgreich. Was aber geschah? Nichts, der Entscheid wurde nicht umgesetzt.

Derlei rücksichtsloses Handeln hat seinen Ursprung nebenbei bemerkt in der Ausgestaltung unserer gesetzlichen Grundlagen und daraus folgender ethisch fragwürdiger Ansichten. So steht ein Artikel 13 im Grundgesetz, der ein sogenanntes Freiheitsrecht fixiert, welches besagt, dass jeder Mensch seinen Wohnraum und den Zugang dazu frei gestalten kann. Doch ist in dem Artikel 13 nicht zu lesen, dass man das Recht auf eine Wohnung hat. Fragwürdig ist, dass man kein Recht auf Wohnen hat… Da ist die UN schon weiter, die im sogenannten Sozialpakt festlegt: „(…) Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Menschenrecht auf Wohnen ist Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard…“ (Artikel 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte).

Und sprachlos wird man, wenn folgende Zeilen der Bundesregierung zum selben Thema zu lesen sind, die diese unethischen Ansichten untermauern, vor allem das Wort „explizit“ ist unerträglich:

Einleitung und Fragestellung
Das Grundgesetz kennt kein explizites Recht auf Wohnen. Die Grundrechte aus Art. 13 Grundgesetz (GG) zur Unverletzlichkeit der Wohnung und aus Art. 14 Abs. 1 GG zum Schutz des Eigentums und des Erbrechts knüpfen an den Besitz oder das Eigentum an einer Wohnung an, enthalten selbst aber kein Recht auf Wohnraum.
(Quelle: bundestag.de)

Das Grundgesetz setzt kühle Prioritäten, die in unserer kapitalistischen Gesellschaft Alltag sind: Besitz, Eigentum haben einen höheren Stellenwert als ideelle Menschenrechte wie das Wohnen. Diese Geringschätzung macht erst das ungezügelte Stillen der Profitgier möglich.

Die Situation vieler Menschen in diesem Land in Sachen Wohnen, Miete und Wucher ist eine inakzeptable. Sicher, es gibt auch viele Menschen, die weniger Sorgen damit haben, weil sie ein Haus besitzen, keine Miete zahlen müssen. Diese Bürger haben wieder andere Probleme, die einen eigenen Artikel verdienten.

Wenn man keine anderen Sorgen hat…

Zum Abschluss noch eine Episode, die zeigt, wie sehr doch die Welten der Menschen in diesem Land unterschiedlich sind. So sehr die einen Sorgen haben und Nöte, künftig noch ihre Miete zahlen zu können, haben andere ganz andere Probleme, die sie kreativ und finanzstark lösen…

In den sozialen Medien las ich kürzlich auf einer Sportplattform (den FC Bayern München betreffend) folgende Neuigkeit:

Seit knapp vier Monaten ist Harry Kane nun in Deutschland, doch der Star-Stürmer hat immer noch kein Haus hier gefunden. Deshalb leben er und seine Familie bisher im Münchner Luxushotel „Vier Jahreszeiten Kempinski“. Eine Nacht in der Suite des Hotels kostet ganze 10.000 Euro. Bei einem Gehalt von mindestens 25 Millionen Euro wird die Rechnung kein großes Thema für den Topverdiener der Bayern sein.

Und so jubelt dann der Plauener, Klingenthaler, Schönecker Bayern-Fan ehrlich den herrlich erzielten Toren des englischen Fußballspielers zu, so lange er sich noch die Gebühren für den Bezahl-TV-Kanal und die Miete leisten kann.

Titelbild: aquatarkus/shutterstock.com