Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Schuldenbremse
  2. Der Sachverständigenrat mit radikalen Plänen gegen Jung und Alt
  3. Eckpunkte für ein souveränes Europa – für die strategische Autonomie der EU
  4. Selenskyjs Parteifreund im Interview: Boris Johnson sagte Ukrainern, sie sollten weiterkämpfen
  5. Ukraine-Krieg: Bittere Realität auf den Kampffeldern
  6. Schuld ohne Sühne
  7. Aufkaufen, ausbeuten, weiterziehen: Wie Finanzinvestoren die Pflege ausschlachten
  8. Wie sich Kanzleramtschef und Scholz-Vertrauter Wolfgang Schmidt für eine IT-Firma einspannen ließ
  9. Comeback der Kinderarbeit in den USA: Nach Schulschluss geht’s ins Kühlhaus
  10. In Gedenken an Henry Kissinger

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Schuldenbremse
    1. Staatsschulden als Ausdruck von Demokratie
      Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zur Schuldenbremse, der EZB-Zinswende und der enormen Zinsbelastung des Bundeshaushalts scheint klar: Die anhaltende Neuverschuldung belastet kommende Generationen und ist eine Gefahr für die Demokratie. Doch gegen diese Schwarzmalerei spricht eine Gegenüberstellung juristischer und ökonomischer Argumente. […]
      Staatsverschuldung wird in der Öffentlichkeit immer als Schuldenstand dargestellt, also die Menge an aufgenommenen Krediten. Gern wird auch die Parallele zu der privaten Verschuldung gezogen.
      Staatsverschuldung ist jedoch nicht mehr als eine statistische Größe. Es werden die aufsummierten staatlichen Defizite beschrieben – also die Differenz aller Staatsausgaben und aller Steuereinnahmen. Staatsausgaben erhöhen die Vermögen des Privatsektors, Steuereinnahmen reduzieren diese. Bei Ausgaben weist der Finanzminister eine Überweisung an und das Zentralkonto des Bundes, welches dem Bundesministerium der Finanzen unterstellt ist, wird belastet. Die Bundesbankkonten von den begünstigten Geschäftsbanken werden hierbei erhöht. Bei Steuereinnahmen werden diese Konten wieder reduziert.
      Bei Staatsausgaben auf Bundesebene kommt es im oben beschriebenen Beispiel zu Geldschöpfung bei der Bundesbank.[7] Die Bundesregierung kann ihr Konto bei der Bundesbank innerhalb eines Geschäftstags „überziehen“. Was das bedeutet, ist technisch entscheidend: Die Bundesregierung gibt erst Geld aus, und bekommt danach ihre Steuererlöse und die Erlöse aus dem Verkauf von Staatsanleihen auf ihr Verrechnungskonto bei der Bundesbank überwiesen.
      Das staatliche Geld ist aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger nichts anderes als ein rechtliches Instrument, um Steuern zu zahlen. Wenn jemand Steuern zahlen möchte, kann er dies nur in staatlicher Währung tun.
      Während sich die schwäbische Hausfrau entschulden kann, indem sie Zahlungen an die Bank tätigt, kann der Staat dies nicht. Seine Zahlungen reduzieren die Staatsverschuldung nicht. Zwecks „Entschuldung“ (also die Begleichung der Steuerschuld) müssen die Bürger Zahlungen an den Staat leisten.
      Quelle: Makroskop
    2. Lackmustest Schuldenbremse – amerikanischer Pragmatismus schlägt europäische Sparideologie
      Die Debatte um europäische Fiskalregeln und speziell um die deutsche Schuldenbremse, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 befeuert worden ist, wird unter juristischen, politischen und ökonomischen Aspekten geführt. Letztere müssen unserer Ansicht nach im Vordergrund stehen. Auch wenn mit einer haushaltspolitischen Entscheidung ein Gesetz juristisch korrekt eingehalten wird, kann diese Entscheidung in ökonomischer Hinsicht falsch sein. Es besteht nämlich die Gefahr, dass falsche Entscheidungen zu noch stärker steigenden Schulden führen, weil die Wirtschaft massiv einbricht.
      Nach Ansicht vieler Finanzwissenschaftler sind Fiskalregeln, darunter die deutsche Schuldenbremse, dazu da zu verhindern, dass Regierungen zur Finanzierung ihrer Ausgabenwünsche immer mehr Staatsschulden zulasten zukünftiger Steuerzahler anhäufen. Die Tragfähigkeit von Staatsschulden sei umso weniger gewährleistet, je höher die Staatsschuldenquote, also das Verhältnis von Staatsschulden zu Wirtschaftskraft eines Landes, sei. Denn wenn die (nominale) Wachstumsrate einer Volkswirtschaft geringer ausfällt als der (nominale) Zinssatz auf die Staatsschulden, wachsen die Steuereinnahmen bei gleichbleibenden Steuersätzen langsamer als die Zinslast. Dann nimmt der Anteil der Staatseinnahmen, der zur Finanzierung der Zinslast aufgewendet werden muss, zu und der fiskalische Gestaltungsspielraum entsprechend ab.
      Um fiskalpolitisch dennoch handlungsfähig zu bleiben, müssten dann irgendwann die Steuern erhöht werden. Mit anderen Worten: Zusätzliche Staatsschulden von heute bergen nach dieser Lesart die Gefahr höherer Steuerbelastungen von morgen in sich. Höhere Steuerlasten bringen jedoch Ineffizienzen und Fehlanreize mit sich und legen sich wie Mehltau über die Privatwirtschaft, deren Innovativkraft dann nachlässt. Das dämpft auf Dauer das Wachstum, so dass die Konstellation „Zinssatz höher als Wachstumsrate“ noch wahrscheinlicher oder gar zementiert wird. Diese Zwickmühle gelte es zu vermeiden, indem dem Ausgabeverhalten von Regierungen durch Fiskalregeln Grenzen gesetzt würden.
      So oder so ungefähr lauten die Warnungen vor hohen Staatsschuldenquoten und die Begründungen für Fiskalregeln. Sie kranken allerdings daran, dass sie sich nicht mit den inhaltlichen Abhängigkeiten von gesamtwirtschaftlicher Wachstumsrate, Zinsniveau und Staatsausgaben beschäftigen, sondern nur mit rechentechnischen Zusammenhängen. Es werden empirische Korrelationen herangezogen und Aussagen wie „Wenn der Zinssatz höher ist als die Wachstumsrate, dann …“ getroffen, ohne die Frage zu klären, wann und warum eine solche Konstellation eingetreten ist oder eintreten kann und wie lang sie angehalten hat oder anhalten kann. Das ist aber entscheidend für die Beurteilung, wie relevant die getroffene Aussage ist und welche wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen aus ihr abgeleitet werden können.
      Quelle: Relevante Ökonomik
    3. Was die Aussetzung der Schuldenbremse jetzt bedeutet
      Viel Jubel um Nichts: Die Ampel rettet ihren Hintern, mehr Geld gibt es aber nicht.
      Pest oder Cholera? Dazwischen musste sich Finanzminister Lindner nach dem Urteil aus Karlsruhe entscheiden. Genauer gesagt: Schuldenbremse aussetzen oder sich Friedrich Merz ausliefern. Kein Wunder also, dass Lindners Pressestatement zur Aussetzung der Schuldenbremse nicht länger als 90 Sekunden dauerte. Nachfragen von Journalisten waren nicht zugelassen. Und die Worte „Notlage“ oder „Schuldenbremse aussetzen“ sind auch nicht gefallen. […]
      Vor allem von links wurde seit dem Urteil lautstark die Aussetzung der Schuldenbremse gefordert. Jubelmeldungen sind allerdings nicht angezeigt. Denn durch die Aussetzung der Schuldenbremse wird 2023 nicht ein einziger Euro mehr ausgegeben als bisher geplant. Nicht einer! Durch die Aussetzung verhindert die Ampel lediglich der CDU eine Steilvorlage zu geben, um noch mal nach Karlsruhe zu ziehen und zu den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ebenfalls als verfassungswidrig einstufen zu lassen.
      Lindner setzt die Schuldenbremse also nicht aus ökonomischer Vernunft erneut aus, sondern aus der reinen Angst, noch einmal von Friedrich Merz und der Union blamiert zu werden. Die Aussetzung der Schuldenbremse ist nicht der Erfolg von progressiven Stimmen aus SPD und Grünen, sondern eine schlichte Verzweiflungstat als Antwort auf Merz. […]
      Die entscheidende Debatte ist ohnehin nicht die um den Haushalt 2023, sondern die um den Haushalt 2024. Die ist aber erst einmal vertagt, der Haushaltsausschuss und die Beratung im Plenum wurden kurzerhand abgesagt. Dass Christian Lindner die Schuldbremse auch 2024 aussetzt, ist allerdings illusorisch.
      Damit würde er seiner (neo-)liberalen Erzählung und den Erwartungen der FDP-Klientel widersprechen. An der FDP-Basis rumort es längst. Der sonst für seine Bitcoin-Shit-Takes bekannte Abgeordnete Frank Schäffler will auf dem NRW-Parteitag der FDP mit einem Dringlichkeitsantrag rote Linien beschließen. Darin soll unter anderem stehen: „Kein Aussetzen der Schuldbremse 2024“.
      Quelle: Maurice Höfgen
    4. »Die Schuldenbremse ist eine Verrücktheit«
      Der dänische Ökonom Jacob Funk Kirkegaard hält den deutschen Staat für viel zu geizig. Wer das Leitbild der schwäbischen Hausfrau predige, habe von Wirtschaft keine Ahnung.
      SPIEGEL: Herr Kirkegaard, hat Deutschland ein Schuldenproblem?
      Kirkegaard: Nein, nein, nein!
      SPIEGEL: Was macht Sie da so sicher?
      Kirkegaard: Entscheidend dafür ist die Frage, ob man sich die Kosten der Kredite leisten kann. Deutschland muss heute zwar etwas höhere Zinsen auf seine Staatsschulden zahlen als noch vor ein paar Jahren, kann das aber locker verkraften. Die Antwort auf Ihre Frage bleibt deshalb ein uneingeschränktes Nein.
      SPIEGEL: Wir fragen, weil sich die Ampelkoalition nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wegen der Schuldenfrage in eine Regierungskrise manövriert hat.
      Kirkegaard: Wunden, die man sich selbst zugefügt hat, sind für Außenstehende besonders schwer nachzuvollziehen. Wie auch andere Ökonomen habe ich seit Jahren davor gewarnt, dass die deutsche Schuldenbremse den Test der Zeit nicht bestehen würde. Jetzt haben wir’s. Wenn die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht beim Wort nimmt, sind alle Sondervermögen mit Ausnahme der Bundeswehr verfassungswidrig. Das hinterlässt im Haushalt ein großes Loch.
      SPIEGEL: Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie die Schuldenbremse auch für das Jahr 2023 aussetzen will. Was würde es für die Wirtschaft bedeuten, wenn Deutschland an der Schuldenbremse festhält?
      Kirkegaard: Wenn man die Schuldenbremse nicht lockert oder frivol einen weiteren Notstand erklärt, würde Deutschland schon bald in eine tiefe Rezession schlittern. Das ist einfache Mathematik. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber eine Regierungspolitik, die willentlich eine Rezession riskiert, fände ich reichlich seltsam, wenn nicht gar verrückt. Von der Signalwirkung für Europa ganz zu schweigen.
      Quelle: DER SPIEGEL
  2. Der Sachverständigenrat mit radikalen Plänen gegen Jung und Alt
    Das am 7. November vorgelegte Jahresgutachten des Sachverständigenrates (1) konzentriert sich auf die Altersversorgung. Die Vorschläge an die Politik sind vielfältig und tiefgreifend. Sie sind samt und sonders nicht neu, sondern bereits durch zahlreiche von den Bundesregierungen eingesetzten Sachverständigenkommissionen und Projektgruppen seit Jahren gefordert. Jede dieser Maßnahmen wäre ein Angriff auf die sozialen Interessen der Jungen und der Alten in diesem Land. Neu ist die Bündelung all dieser Maßnahmen mit der Besonderheit abenteuerlicher bis absurder Versprechungen.
    Die „ergänzende Kapitaldeckung“ schafft das Wunder.
    Auf Seite 350 des Gutachtens wird das Wunder in einer Grafik dargestellt. Wenn ab nächstem Jahr vier Prozent der Bruttoeinkommen an Kapitalmärkten angelegt würde, wüchse das Rentenniveau bis 2080 auf knapp 80 Prozent. Alle anderen Reformoptionen (dazu weiter unten) würden das Rentenniveau deutlich unter 50 Prozent halten. (Basisszenario bedeutet im Folgenden immer, Fortsetzung des jetzigen Rechtstandes).
    Dieses Wunder solle nur möglich sein, wenn der Beitragssatz zur Rentenversicherung sofort um vier Prozent angehoben würde und die kommenden 40 Jahre bei ca. 24 Prozent bliebe. Der sonst von den gleichen Wissenschaftlern ständig behauptete Untergang der deutschen Wirtschaft bei nur wenigen zehntel Prozent Steigerung der Beiträge spielt plötzlich keine Rolle mehr.
    Das ist die Quintessenz des Gutachtens: Die „ergänzende Kapitaldeckung“, in Klardeutsch: Aktienrente, verspricht in der „langen Frist“ ein Wunder. Das ist den „blühenden Landschaften“, die Helmut Kohl 1990 den Neuen Bundesländern versprach, sehr ähnlich. Eigentlich könnten die Gutachter damit das Kapitel Rentenreform abschließen.
    Das macht der Sachverständigenrat jedoch nicht, denn es gibt noch für die kurze und mittlere Frist einige Maßnahmen, welche die Kosten der Altersversorgung deutlich senken können.
    Jede der Einzelmaßnahmen stellt einen Angriff auf die Interessen der Rentenversicherten dar. Das wird im Folgenden nachgewiesen. Danach folgt eine Darstellung der Auslassungen und Ausblendungen von Fakten.
    Quelle: Seniorenaufstand

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein wichtiger Beitrag von Reiner Heyse.

  3. Eckpunkte für ein souveränes Europa – für die strategische Autonomie der EU
    Die Souveränität und strategische Autonomie der EU umschließt sowohl die Ökonomie und die mit ihr verbundenen Bereiche wie Wissenschaft und Technik als auch den der Außen-/Sicherheitspolitik. Die nachstehenden Eckpunkte befassen sich im Wesentlichen mit der Außen- und Sicherheitspolitik.
    Der europäische Kontinent wurde seit Jahrhunderten von Gewalt, Krisen, Kriegen und mehreren Weltkriegen mit ungeheuren Menschenopfern und Zerstörungen durchschüttelt. Nach dem II. Weltkrieg sorgten Entspannungs- und Ostpolitik kurze Zeit für Besinnung. Inzwischen droht der Ukraine-Krieg zum Vorboten neuen Unheils zu werden. Erster und oberster Grundsatz einer realistischen Sicherheitspolitik muss die Kriegsverhinderung sein. Es gilt mehr denn je: Der Frieden ist der Ernstfall. Jedes alternative Sicherheitskonzept hat die Kriegsuntauglichkeit der europäischen Industriegesellschaften in den Mittelpunkt zu stellen, denn im Falle eines großen konventionell oder atomar geführten Krieges werden Industrie und überlebensnotwendige Infrastrukturen größtenteils vernichtet und die Umwelt großflächig vergiftet, zerstört und unbewohnbar. In industriell hoch verdichteten und bewohnten Hightech Regionen ist der völlige Ausfall von Telekommunikationsnetzen zur leitungsgebundenen und drahtlosen Datenübertragung absehbar.
    Nach Auflösung des Warschauer Vertragsstaatensystems und dem Entstehen neuer Staaten in Osteuropa bot Wunsch und Willen für ein Gemeinsames Haus Europa einen Moment lang wieder eine der wenigen historischen Möglichkeiten, endlich und dauerhaft Frieden einkehren zu lassen. Fundament dafür bot die Charta von Paris (1990) als grundlegendes internationales Abkommen zur Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung in Europa. Europas Interessen liegen objektiv nicht nur in einem friedlichen, kooperativen Miteinander der Völker und Staaten auf dem eurasischen Kontinent, sondern auch mit denen Afrikas, Lateinamerikas und Nordamerikas. Nur auf diesem Wege ist der globale Aufbruch in eine multipolare Welt zukunftsfähig und friedlich möglich. Nur so lassen sich Bedrohungslagen verhindern und nicht mehr – wie oft auch ethnische/ religiöse Differenzen – für Krisen und Kriege instrumentalisieren. Dazu wird es nicht nur zu einer völligen Änderung der EU-Außen- und Außenwirtschaftspolitik kommen müssen, sondern auch der von vielen Mitgliedstaaten bis hin zu deren Binnenpolitik. Anders lässt sich global kein Vertrauen aufbauen.
    Die Entwicklung seit der gescheiterten Umsetzung der Charta von Paris zeigt, dass sie trotz Mitunterzeichnung dem globalen Hegemonieanspruch der USA diametral zuwiderlief („Der unipolare Moment“, Krauthammer 1990). Europas Interesse kann nicht verfolgt werden, so lange sich die EU dem amerikanischen unterordnet. Denn „Europas Interessen sind andere als die der USA“ (Klaus v. Dohnanyi). Die Entwicklung seit 1990 mit der NATO-Osterweiterung, der Indo-Pazifik-Strategie, dem NATO-EU Kooperationsabkommen im Januar 2023 mit dem Vorrang der NATO sind schlagende Beweise dafür.
    Quelle: Welt Trends

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein interessanter Text, jedoch einige wenige Bemerkungen zum Inhalt: 1. Das Thema ist ja nicht erst mit Klaus von Dohnanyis Buch aktuell geworden. Es ist ja sozusagen ein Gegenstück oder die Kehrseite zu Feststellungen, wie wir sie auf den NachDenkSeiten 2014 oder 2013 formuliert haben: der Tod kommt aus Amerika. 2. Warum Sie bei der Suche nach der Lösung des Problems auf die EU kommen, verstehe ich nicht. Das ist doch inzwischen eine ziemlich verkorkste Einrichtung. In der EU zum Beispiel einen Konsens darüber zu erreichen, dass wir eine Zusammenarbeit von Lissabon bis Wladiwostok brauchen, wird ja wohl sehr schwierig sein. Zu viele Mitglieder stehen in Abhängigkeit zu den USA. Sie können es daran sehen: wie konnte Frau von der Leyen den Job ergattern, den sie zur Zeit hat?

  4. Selenskyjs Parteifreund im Interview: Boris Johnson sagte Ukrainern, sie sollten weiterkämpfen
    Der Ukraine-Krieg hätte schon wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch beendet sein können, sagt Selenskyjs Parteikollege Dawyd Arachamija.
    In einem TV-Interview, das in der Ukraine ausgestrahlt wurde, beleuchtet der Politiker Dawyd Arachamija, Fraktionsvorsitzender von Wolodymyr Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“, die Rolle des britischen Ex-Premiers Boris Johnson beim Scheitern eines Friedensabkommens zwischen Moskau und Kiew im Frühling 2022. Arachamija war der Chefunterhändler bei den Friedensgesprächen in Istanbul, die wenige Wochen nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im März 2022 stattfanden.
    In dem Interview sagt er, dass die Russen „wirklich fast bis zum letzten Moment gehofft hätten, dass sie uns zwingen könnten, ein solches Abkommen zu unterzeichnen, damit die Ukraine die Neutralität annimmt. Das war das Wichtigste für sie“, sagte Arachamija dem ukrainischen Sender 1+1 in dem am Freitag ausgestrahlten Interview. „Die Russen waren bereit, den Krieg zu beenden, wenn wir – wie einst Finnland – der Neutralität zugestimmt und uns verpflichtet hätten, der Nato nicht beizutreten.“
    Die Ukrainska Pravda berichtet, dass laut Arachamija die Ukraine dem Friedensvorschlag nicht zugestimmt hätte, weil die ukrainische Seite kein Vertrauen in die Russen gehabt hätte. „Um diesem Punkt (der Neutralität und dem Verzicht auf einen Nato-Beitritt, Anm. d. Red.) zuzustimmen, muss zunächst die Verfassung geändert werden. Unser Weg in die Nato ist in der Verfassung festgeschrieben. Zweitens hatte man kein Vertrauen in die Russen (…). Dies könnte nur geschehen (Einwilligung zur Neutralität, Anm. d. Red.), wenn es andere Sicherheitsgarantien geben würde“, so der Abgeordnete.
    Und weiter: „Als wir aus Istanbul zurückkamen, kam Boris Johnson nach Kiew und sagte, dass wir überhaupt nichts unterschreiben und einfach kämpfen sollten“. Arachamija bestritt jedoch, dass die ukrainische Delegation zur Unterzeichnung des Dokuments bereit gewesen wäre oder dass Johnson Kiew zur Nichtunterzeichnung gedrängt hätte.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Die Strategie der Eindämmung
    In Deutschland und in den Vereinigten Staaten wächst der Druck auf Kiew, sich Verhandlungen mit Moskau über einen Waffenstillstand nicht mehr zu verschließen. Die Regierungen beider Länder streben, wie Ende vergangener Woche berichtet wurde, den Übergang zu solchen Verhandlungen an, wünschen aber, dass Kiew sie selbst einleitet, ohne öffentlich dazu aufgefordert zu werden. Eine Aufforderung gäbe die stetige Behauptung des Westens, die Ukraine bestimme eigenständig über ihr Vorgehen, der Lächerlichkeit preis. Der Plan, Gespräche mit Moskau anzubahnen, trägt dem Scheitern nicht nur der Kiewer Gegenoffensive, sondern auch der westlichen Russland-Sanktionen Rechnung: Da es nicht gelingt, den ukrainischen Streitkräften zum Sieg auf dem Schlachtfeld zu verhelfen oder Russland ökonomisch niederzuringen, wird von Experten schon seit einiger Zeit der Übergang zu einer Politik der Eindämmung empfohlen. Diese soll den aktuellen militärischen Stand einfrieren, ohne ukrainische Gebiete formell an Russland abzutreten. Begleitet werden soll sie von einer massiven Aufrüstung der NATO. Für Deutschland fordern Experten einen „Mentalitätswechsel“; Berlin dringt auf „Kriegstüchtigkeit“.
    Quelle: German Foreign Policy

    und: Die Strategie der Eindämmung (II)
    Außenministerin Annalena Baerbock hat auf dem gestern zu Ende gegangenen Treffen mit ihren NATO-Amtskollegen eine erneute ukrainische Militäroffensive in Aussicht gestellt. Man tue „alles dafür“, dass die Ukraine „auch im nächsten Jahr … Dörfer und Städte befreien kann“, bekräftigte Baerbock in Brüssel. Während die Ministerin mit Durchhalteparolen vorpreschte, bezweifeln Militärs im NATO-Hauptquartier, dass die ukrainischen Streitkräfte noch Erfolge gegen die russischen Truppen erzielen könnten: „Von einer Gegenoffensive im nächsten Frühjahr mag niemand sprechen“, bestätigt ein Insider. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg behauptete, die Ukraine habe mit der Rückgewinnung von „50 Prozent des Territoriums, das Russland besetzt hatte“, einen „großen Erfolg“ erzielt – eine für Kiew gesichtswahrende Umschreibung der gescheiterten Gegenoffensive, die geeignet ist, eine Überleitung zum Einfrieren der Front zu begleiten. Für den Übergang vom Versuch, Russland militärisch zurückzuschlagen, zu einer Strategie der Eindämmung sprechen sich erneut US-Experten aus. Kiew könne Sicherheitsgarantien bekommen, heißt es – allerdings nur unverbindliche wie die Philippinen.
    Quelle: German Foreign Policy

  5. Ukraine-Krieg: Bittere Realität auf den Kampffeldern
    Die militärische Lage in der Ukraine spitzt sich zu. Über das Medienbild, die Kämpfe, neue Waffen und die Rolle der Rüstungsindustrie. Eine Einschätzung des Winterkrieges.
    Der Winter hält Einzug über den Kampffeldern der Ukraine, und es könnte der letzte Kriegswinter sein für die Armee Kiews. Die Anzeichen mehren sich, dass der Krieg im Jahre 2024 zu einem Ende kommen könnte.
    Denn die Ukraine verliert in hohem Maße Truppen, Ausrüstung, internationale Unterstützung und – und das wiegt vielleicht am schwersten – sie verliert den Glauben an den Sieg.
    Nur langsam hält eine realitätsnähere Berichtserstattung Einzug in die oft gebührenfinanzierten Mainstream-Medien. So schrieb etwa die Tagesschau noch im September im fettgedruckten Anreißer:
    “Die Angriffe auf der Krim sind verheerend für Russland, erklärt der Militärökonom Keupp im Interview. Die Russen hätten den Angriffen momentan nichts entgegenzusetzen, weil sie logistisch kaum nachkämen.”
    Im Interview mit Marcus Keupp hieß es weiter:

    tagesschau.de: Sie haben bereits im Frühjahr für den Herbst eine entscheidende Wende und gar ein Ende des Krieges prognostiziert. Bleiben sie dabei?

    Keupp: Im März hatte ich gesagt, dass der Krieg im Oktober strategisch verloren sein wird für Russland. Damit war nicht gemeint, dass die Kampfhandlungen aufhören, sondern dass Russland in einer Lage ist, wo es logistisch nicht mehr leistungsfähig ist und vor der Wahl steht: entweder es zieht die Truppen zurück oder es wird langsam aufgerieben.

    Das ist so weit weg von der Realität, dass man sich ernstlich Sorgen machen möchte um den Zustand der Schweizer Armee, denn der Experte ist in die Ausbildung von Schweizer Offizieren involviert.
    Die Niederlage Russlands ab Oktober: Prognosen und Realität
    Marcus Keupp irrlichtert seit Beginn der russischen Intervention in der Ukraine durch die deutschen Medien. Sagte er zu Beginn noch den baldigen wirtschaftlichen Kollaps Russlands voraus, spezialisierte er sich ab etwa Februar dieses Jahres auf die wagemutige Aussage, dass Russland den Krieg ab Oktober verloren haben würde – eine Aussage, die gut ankam, besonders beim ZDF, bei dem er fortan auch die meiste Facetime bekam.
    Auch bei Welt, Focus, Deutschlandfunk, Die Zeit oder der Frankfurter Rundschau durfte er seine wilden Thesen unters Volk bringen – die FR wagte in dieser Woche noch ein Keupp-Zitat.
    Doch langsam mischen sich realistischere Töne in die halluzinogene Propaganda-Kakophonie, zu groß geworden ist das Delta zwischen dem Geschehen an der Front und den wilden Führerbunkerfantasien.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Kriegsmüde Ukrainer: Ohne Begeisterung an die Front
    Selenskyj will härter gegen Bürger vorgehen, die sich dem Kriegsdienst gegen Russland entziehen. Hohe Verluste im Kampf müssen ausgeglichen werden. Was die Ukraine gegen Unwillige unternimmt.
    US-amerikanische Schätzungen gehen davon aus, dass rund 70.000 Ukrainer im Krieg gegen Russland bisher gefallen sind. Der neuste, von Selenskyj selbst bestätigte Bericht spricht von knapp 62.000.
    Gingen zu Beginn des Krieges noch viele ukrainische Soldaten voller Begeisterung in den Abwehrkampf gegen die russische Invasion, hat sich dieses Bild inzwischen geändert und selbst äußerst Ukraine-patriotische deutsche Medien sprechen von einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit.
    Dieser Umstand und die zahlreichen Gefallenen oder schwer Verwundeten im privaten Umfeld vieler Ukrainer führen dazu, dass immer mehr ukrainische Männer nicht kämpfen wollen. Selbst führende Kiewer Militärs geben das zu, wie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Walerij Saluschnyi in der US-Zeitschrift The Economist.
    Er sieht auch die zunehmend begrenzten Möglichkeiten, Fronttruppen mit frischen Einheiten auszuwechseln als Motivationshemmschuh. Daran ändert auch der Kampf mit moderner westlicher Ausrüstung nichts, wenn sie von abgekämpften Einheiten dauerhaft bedient werden müssen.
    Quelle: Telepolis

  6. Schuld ohne Sühne
    In den sozialen Medien kursiert derzeit ein Video von 2010. Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und der Historiker Fritz Stern unterhalten sich über Israel und sind sich einig, dass Merkels Satz von der „Sicherheit Israels als Teil deutscher Staatsräson“ eine nicht zu Ende gedachte deutsche Außenpolitik sei. Es gibt noch mehr, was die älteren Herren in unnachahmlicher Abgeklärtheit reden: Dass die israelische Politik gegen Völkerrecht verstoße und „unmenschlich“ (Stern) sei, dass Deutschland „keine Bündnisverpflichtung gegen Israel“ habe (Schmidt). Beim heutigen Diskussionsstand würde man vermutlich Helmut Schmidt Antisemitismus und Fritz Stern jüdischen Selbsthass vorwerfen. Vielleicht würde sich sogar der Antisemitismusbeauftragte genötigt sehen, Stellung zu beziehen.
    Was israelischer Politik lange nicht gelungen ist, nämlich alle Jüdinnen und Juden der Welt auf Israel einzuschwören, egal, welche Politik es betreibt oder ob es sich zusehends in eine Theokratie verwandelt, ist mittlerweile Herzensangelegenheit deutscher Politik geworden. Wer dachte, die Kämpfe um die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit seien siegreich zu Ende geführt, der reibt sich die Augen über den Pyrrhussieg, den eine kritische westdeutsche Erinnerungspolitik errungen hat. Die Erinnerungskultur, die sich zusehends nur mit der Vergegenwärtigung des jüdischen Leids beschäftigte, hat mit der Übernahme durch die Regierenden mittlerweile jeden kritischen Charakter verloren. Sie schien eigentlich einem weltoffenen, antirassistischen Deutschland die Tür geöffnet zu haben. Heute aber gibt es in Deutschland einen Konsens bis ins äußerte rechte Milieu, dass Antisemitismus vor allen Dingen bei Migrant:innen festzumachen ist. Denken ohne Geländer, diese Arendtsche Metapher, beherrschen hingegen nur noch wenige. Was ist passiert? (…)
    Die Staatsräson meint heute weit mehr als die Sicherheit Israels. Sie ist mit dem verknüpften Antisemitismus-Vorwurf zum zentralen Mittel geworden, Dissens in der Gesellschaft zu delegitimieren.
    Quelle: medico international

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu u.a. auch bzw. erneut:

    1. Der Begriff „Staatsräson“ sollte in unseren Beziehungen zum Staat Israel nicht mehr verwendet werden
    2. „Staatsräson“ – ein schwülstiger und blödsinniger Begriff
    3. „Verehrteste Frau Merkel, Sie sollten auch die Solidarität und Freundschaft mit Russland zum Teil der deutschen Staatsraison erklären!“
  7. Aufkaufen, ausbeuten, weiterziehen: Wie Finanzinvestoren die Pflege ausschlachten
    Finanzinvestor*innen haben Pflegeeinrichtungen ins Visier genommen. Sie kaufen etwa Pflegeheime auf Pump auf und erhöhen den Druck, Rendite zu erzielen. Die Immobilien werden ausgegliedert, die Einrichtungen müssen fortan hohe Mieten zahlen. Aurora Li und Jorim Gerrard von der Bürgerbewegung Finanzwende skizzieren das Vorgehen der Private-Equity-Firmen und zeigen, was die Politik dagegen unternehmen kann. (…)
    In jüngster Vergangenheit drängen immer mehr Kapitalgeber*innen aus dem Finanzsektor auf den Pflegemarkt. Das mag auf den ersten Blick gut sein, weil dadurch öffentliche Kassen entlastet werden. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich die extreme Profitorientierung solcher Investor*innen, vor allem sogenannter Private-Equity-Firmen, schnell als Problem. Die Leidtragenden sind einerseits die Menschen, die gepflegt werden – und deren Bedürfnisse in solchen Fällen nur noch zweitrangig sind. Und andererseits die Beschäftigten der Pflegeheime, die aufgrund von Profiterwartungen und ständiger Insolvenzgefahr immer mehr belastet werden.
    Private-Equity-Firmen bündeln das Geld von Dritten in einem Fonds. Dieses Geld legen sie an. Im Gegenzug versprechen sie ihren Geldgeber*innen, das sind zum Beispiel Pensionsfonds oder reiche Privatpersonen, sehr hohe Renditen von bis zu zwanzig Prozent. Um diese Renditen zu erreichen, kaufen sie Unternehmen und trimmen diese darauf, möglichst schnell möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Davon profitieren allerdings nicht die gekauften Unternehmen, sondern die Private-Equity-Firmen, die einen Großteil der Gelder abschöpfen – für ihre eigenen Geldgeber*innen.
    Was die aufgekauften Unternehmen machen, ist für eine Private-Equity-Firma erst einmal egal. Entscheidend ist, dass es Potenzial für Rendite gibt. Egal ist leider häufig auch, was die neue Gewinnorientierung für ein Unternehmen genau bedeutet – und wer darunter leidet. Denn erfolgreiche Private-Equity-Firmen arbeiten mit verschiedenen Tricks, um ihre teils zweistelligen Renditen zu erreichen.
    Quelle: Gegenblende
  8. Wie sich Kanzleramtschef und Scholz-Vertrauter Wolfgang Schmidt für eine IT-Firma einspannen ließ
    Der Ex-Eigentümer der IT-Sicherheitsfirma Virtual Solution ist wegen Kontakten ins Netzwerk von Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in die Schlagzeilen geraten. Neue Akten zeigen, wie der russlandnahe Investor den Scholz-Vertrauten Wolfgang Schmidt für seine Geschäftsinteressen einsetzte – trotz Beschwerden von Beamten.
    Es war Mitte September, als der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner von merkwürdigen Dingen berichtete. Stegner saß in der Talksendung von Micky Beisenherz auf ntv, eines der Themen war die Affäre um den Rauswurf des BSI-Präsidenten Arne Schönbohm. Den Chef der Cyberabwehrbehörde hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon im Herbst 2022 unter noch immer nicht völlig geklärten Umständen vor die Tür gesetzt. Die Affäre verfolgte Faeser bis in den Wahlkampf in Hessen, wo sie eigentlich Ministerpräsidentin werden wollte.
    In der Talksendung vier Wochen vor der Hessen-Wahl sprang SPD-Mann Stegner seiner Parteifreundin zur Seite – gegen die heftige Kritik aus der Union an Faesers Umgang mit Schönbohm. “Achten Sie darauf, was sich da noch alles tut”, setzte Stegner an und prophezeite: “Da gibt es eine Firma Virtual Solution zum Beispiel, da gibt’s alle möglichen Dinge, die werden noch ans Tageslicht kommen.” Auf den Einwand des Moderators, das klinge reichlich nebulös, entgegnete Stegner: “Da gibt’s eine ganze Menge, Wirecard, ehemalige Manager spielen da eine Rolle.”
    Quelle: stern
  9. Comeback der Kinderarbeit in den USA: Nach Schulschluss geht’s ins Kühlhaus
    Arbeitskräftemangel und die Migration unbegleiteter Minderjähriger lassen illegale Kinderarbeit in den USA boomen. Zugleich lockern viele republikanische Bundesstaaten die Schutzvorschriften für legale Arbeit
    Er liebte es, an seinem Auto herumzuschrauben, ging ins Fitnessstudio und hörte gerne Musik. Duvan Tomas Perez war ein ganz normaler Jugendlicher in Hattiesburg im Süden des US-Bundesstaats Mississippi. Seine Lehrer beschrieben den Migrantensohn aus Guatemala als “freundlich und fleißig”. Doch nach Schulschluss am Nachmittag hatte der 16-Jährige noch einen weiteren Job: Er arbeitete in der örtlichen Geflügelfabrik.
    Am 14. Juli kam der Neuntklässler, der auf Fotos tiefschwarze Haare, wache Augen und ein Piercing unter der Lippe hat, nicht nach Hause. Gegen 19.40 Uhr wurde in der Fabrik ein Alarm ausgelöst: Duvan Tomas Perez war in das Förderband einer Maschine geraten und eingeklemmt. Verzweifelt schrie der Jugendliche um Hilfe. Als die Rettungskräfte eintrafen, konnten sie nur noch seinen Tod feststellen.
    Die Firma gab sich betroffen. Angeblich hatte sie keine Ahnung, dass ein Subunternehmen Minderjährige eingestellt hatte, deren Beschäftigung in gefährlichen Tätigkeiten nach US-Bundesrecht ausdrücklich verboten ist. “Unser Personal ist unser wichtigstes Kapital, und Sicherheit genießt bei uns höchste Priorität”, verkündete der Firmenmanager im zynischen PR-Sprech.
    Das Schicksal von Perez ist kein Einzelfall. Kaum zwei Wochen zuvor war in einem Sägewerk in Wisconsin ein ebenfalls 16-Jähriger ums Leben gekommen. Bei der Inspektion der Lagerhalle eines Onlineversenders in Kentucky stießen staatliche Ermittler im Oktober auf einen Elf- und einen 13-Jährigen, die Gabelstapler fuhren.
    Quelle: der Standard
  10. In Gedenken an Henry Kissinger
    Kissinger, der große Politiker oder nur ein wichtiger? Albrecht Müller, damals leitender Mitarbeiter des SPD-Kanzlers Willy Brandt und seit Jahren Chef der Nachdenkseiten, urteilte vor einiger Zeit: „Kissinger ist alles andere als ein ehrenwerter Politiker und Mensch“. Damit widersprach Müller der ziemlich unterwürfigen Einleitung des ZDF-Journalisten Wulf Schmiese, der ein Interview mit Henry Kissinger mit den Worten angekündigt hatte: „Hier ist der wohl berühmteste Ex-Außenminister der Welt. Guten Abend Henry Kissinger.“ Nun muss man zur Kritik von Albrecht Müller wissen, dass Kissinger ein Gegner der Ost-Politik von Willy Brandt war. Müller wies kürzlich auch darauf hin, dass derselbe Kissinger es bedauert habe, dass Brandt „kein vorzeitiges, von einer Kehlkopfoperation verursachtes Ende“ genommen habe. Dem „Spiegel“ war der Inhalt eines brisanten Telefonats aus dem Jahre 1973 zwischen Nixon und Kissinger zu entnehmen. Demnach habe Kissinger Brandt für naiv gehalten und für einen „Trottel“. Und doch dürfte das Urteil von Schmiese im ZDF-berühmtester Ex-Außenminister- nicht gänzlich umstritten sein.
    Quelle: Blog der Republik

    dazu: Unsere famosen Medien – ein neues Beispiel: das Interview des ZDF mit Kissinger
    Quelle: NachDenkSeiten

    dazu auch: „Er war eine Lichtgestalt“ – Wie medialer und politischer Mainstream den Kriegsverbrecher Henry Kissinger in ihren Nachrufen feiern
    Quelle: NachDenkSeiten

    und: Nachruf auf Henry Kissinger: Der Kriegs-Nobelpreisträger
    Henry Kissinger war nicht nur ein geschickter Stratege der US-Außenpolitik. Für die Interessen seines Landes ging er immer wieder über Leichen.
    Sie werden ihn preisen: Kissinger, der gewiefte Stratege, der Friedensnobelpreisträger, der Staatsmann, der Vermittler in globalen Krisen. Gefragter Interviewpartner von Spiegel bis ZDF, von der FAZ bis zur Zeit, die mit Helmut Schmidt den größten Kissinger-Fan als Herausgeber hatte. Auch Hillary Clinton bewunderte als Präsidentschaftskandidatin seine profunden China-Kenntnisse. Bundespräsident Steinmeier gab anlässlich dessen 95. Geburtstages Kissinger zu Ehren im Juni 2018 ein Essen im Schloss Bellevue, Friede Springer und Joschka Fischer aßen mit. Und auch Mathias Döpfner hing noch im April 2021 für ein großes Welt-Interview an den Lippen des damals bereits fast 98-Jährigen.
    „Er ist doch der Darling des Establishments“, sagte einmal der Historiker Howard Zinn. „All diese Leute, die ihn zum Dinner eingeladen haben – die wollen doch nicht sagen, dass sie mit einem Kriegsverbrecher zu Abend gegessen haben.“ Nur wenige wollten dem Fan-Club nicht angehören: Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders sagte im Februar 2016 in einer Debatte mit Hillary Clinton: „Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass ich nicht mit Henry Kissinger befreundet war.“ Denn der sei „einer der zerstörerischsten Außenminister in der jüngeren Geschichte“ der USA gewesen.
    Quelle: taz

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