UN-Resolution zum sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Rolle westlicher Staaten

UN-Resolution zum sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Rolle westlicher Staaten

UN-Resolution zum sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Rolle westlicher Staaten

Ein Artikel von Jürgen Hübschen

Die UN-Vollversammlung hat am 12. Dezember 2023 per Resolution einen sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gazastreifen verlangt. Der von Ägypten eingebrachte Antrag erreichte am Dienstag in New York die notwendige Zweidrittelmehrheit. 152 Länder stimmten dafür, zehn dagegen. 23 Länder enthielten sich. Dabei war das Abstimmungsverhalten der NATO- und auch der EU-Mitgliedsstaaten einmal mehr nicht einheitlich. Von Jürgen Hübschen.

Von diesen Staaten stimmten gegen die Resolution:

Österreich, Tschechien und die USA

Von diesen Staaten stimmten für die Resolution:

Albanien, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Kanada, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Malta, Nordmazedonien, Montenegro, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Türkei

Von diesen Staaten enthielten sich:

Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Litauen, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Ungarn

Das Auswärtige Amt erklärte zum deutschen Abstimmungsverhalten im Rahmen seiner „werteorientierten Außenpolitik“, die Resolution habe Deutschland „vor eine schwere Entscheidung“ gestellt. „Wir wollen das unerträgliche Leid der Menschen beenden – in Israel und in Gaza.“ Die Resolution fordere einen „pauschalen Waffenstillstand, sagt aber nicht, warum Israel gezwungen ist, sich zu verteidigen: „Weil die Hamas Israel am 7.10. barbarisch angegriffen hat. Und weil die Hamas Israel weiterhin vernichten will.“ Deswegen habe Deutschland nicht zustimmen können – aber weil man sich dafür einsetzen wolle, das Leid der Palästinenser zu beenden, habe man auch nicht dagegen stimmen können.

Bewertung des Abstimmungsverhaltens der NATO- und/oder der EU-Mitgliedsstaaten

Weder die NATO noch die EU haben es geschafft, ihre Geschlossenheit durch ein einheitliches Abstimmungsverhalten zu unterstreichen. Ganz offensichtlich ist drei dieser Staaten die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen egal, sodass sie die Resolution abgelehnt haben. Ob das aus Solidarität zu Israel und/oder zu den USA der Fall war oder aus eigener Überzeugung, kann man letztlich nicht beurteilen. Die Staaten, die für einen humanitären Waffenstillstand gestimmt haben, halten die Verbesserung der unerträglichen humanitären Lage der Palästinenser für wichtiger als die Wiederholung der seitens der UNO bereits eindeutig erfolgten Verurteilung des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober 2023.

Die neun Staaten, die sich enthalten haben, waren nicht in der Lage oder vielleicht einfach zu feige, klar Position zu beziehen, ob ihnen das Leiden der Bevölkerung wichtiger war als eine erneute Verurteilung der Hamas, und haben sich deshalb vor einer Entscheidung gedrückt. Dabei ist unklar, ob das aus Überzeugung oder letztlich aus Angst vor möglichen Konsequenzen aus einer Zustimmung oder sogar Ablehnung geschehen ist. Die Aussage des deutschen Außenministeriums, „Wir wollen das unerträgliche Leid der Menschen beenden – in Israel und in Gaza“, ist aus meiner Sicht nicht nur unerklärlich, sondern im Grunde menschenverachtend. Hier werden politischen Prinzipien, nämlich vor allem der Solidarität mit Israel und dem Schulterschluss mit den USA Vorrang eingeräumt vor der Menschlichkeit, die in einer werteorientierten Außenpolitik den höchsten Stellenwert haben müsste. Um diese Tatsache nicht zu deutlich werden zu lassen, hat man sich der Stimme enthalten, einmal mehr nach dem Prinzip: „Wasch’ mich, aber mach’ mich nicht nass.“

Der ehemalige und jetzt verstorbene amerikanische Außenminister Henry Kissinger, dessen Lebenswerk man sicherlich sehr unterschiedlich bewerten kann und aus meiner Sicht auch muss, hat einmal auf die Forderung, die USA müsste ihre Politik mehr mit Europa abstimmen, dem Sinne nach gesagt: „Ich bin bereit dazu, aber nennen Sie mir die Telefonnummer Europas.“ Gemeint war damit, dass Europa nicht mit einer Stimme spricht, und genau das hat die EU durch ihr unterschiedliches Abstimmungsverhalten erneut bewiesen, das sogar in den baltischen Staaten nicht einheitlich war.

Vor diesem Hintergrund, dass noch nicht einmal eine abgestimmte Position zu einem Waffenstillstand möglich war, scheint es ausgeschlossen zu sein, dass es von der EU eine realistische Initiative gibt, um den Nahost-Krieg zu beenden.

Titelbild: Shutterstock / lev radin