Unterstützt Deutschland die chinesische Initiative zur UN-Vollmitgliedschaft von Palästina?

Unterstützt Deutschland die chinesische Initiative zur UN-Vollmitgliedschaft von Palästina?

Unterstützt Deutschland die chinesische Initiative zur UN-Vollmitgliedschaft von Palästina?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 23. Januar hatte Chinas UN-Botschafter, Zhang Jun, im UN-Sicherheitsrat erklärt, es sei „höchste Zeit, die Zwei-Staaten-Lösung mit konkreten Schritten umzusetzen“. In diesem Zusammenhang forderte er als ersten konkreten Schritt und zugleich als „unmissverständliches Signal“ an Israel, „so schnell wie möglich die Vollmitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen“. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung diese Initiative Chinas unterstützt. Eigentlich sollte man denken, eine leicht zu beantwortende Frage. Zudem war just an dem Tag eine chinesische Delegation in der BPK. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Schon die Eingangsbehauptung der Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) in Bezug auf die Frage der NachDenkSeiten, ob die Bundesregierung die chinesische Initiative bezüglich einer UN-Vollmitgliedschaft Palästinas unterstützt („Herr Warweg, wir haben das hier am Montag ausführlich besprochen“) ist nachweislich nicht korrekt. Dies belegt zum einen das Protokoll zur Regierungspressekonferenz vom 22. Januar, welches auch öffentlich auf der Seite des AA einsehbar ist und wo mit keinem Wort von dieser chinesischen Initiative die Rede ist. Zum anderen gibt es aber noch einen unumstößlich faktischen Grund: Bisher verfügt das AA nach allgemeinem Wissenstand noch nicht über die Möglichkeit von Reisen in die Zukunft. Denn zum Zeitpunkt, als der chinesische Vertreter seine entsprechenden Aussagen beim Treffen des UN-Sicherheitsrates in New York tätigte, war die Bundespressekonferenz schon mindestens neun Stunden vorbei.

Die Bundespressekonferenz begann am Montag, den 22. Januar um 11.30 Uhr und endete laut BPK-Protokoll um 12.19 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt war es in New York, derzeit sechs Stunden Zeitunterschied, 6.19 Uhr in der Früh. Vielleicht waren da schon Putzkolonnen in den Räumen des Sicherheitsrates tätig, aber mit Sicherheit keine staatlichen Vertreter des UN-Sicherheitsrates. Das erste Treffen des Sicherheitsrates war an diesem Tag für 15 Uhr New Yorker Zeit aufgesetzt, folglich 21 Uhr deutscher Zeit.

Zu dieser schon nächtlichen Stunde war Frau Deschauer vielleicht noch auf einen Absacker mit Kollegen in der TownBar – aber eine Stellungnahme zur chinesischen Initiative bezüglich einer palästinensischen UN-Vollmitgliedschaft in der BPK war unmöglich zu bewerkstelligen, Raum-Zeit-Kontinuum und so …

Davon abgesehen kennt der Autor dieser Zeilen zur Genüge den taktischen Ansatz vieler Ministeriensprecher bei der BPK, die regelmäßig darauf verweisen, dass man Thema XY doch schon zur Genüge bei der vorherigen BPK behandelt hätte und der entsprechend fragende Journalist doch bitte das Protokoll lesen sollte, verbunden mit der mindestens impliziten Unterstellung, der jeweilige Journalist hätte dies nicht getan. Das funktioniert oft genug auch tatsächlich, weil scheinbar nur wenige Kollegen in Vorbereitung der jeweiligen BPK die Protokolle der verpassten Regierungspressekonferenzen vorher durchlesen und sich dann entsprechend verunsichern lassen. Manchmal ist der Einwand zudem auch gerechtfertigt und das Thema war tatsächlich schon ausführlich besprochen worden. Da der Autor dieser Zeilen aber zum einen um den Ansatz weiß und sich zum anderen auch bewusst ist, dass man wohl gerade ihn gerne in die „Protokoll-Falle“ laufen lassen will, ist er seit Beginn seiner Tätigkeit in der BPK zu einem sehr treuen Leser der BPK-Protokolle herangewachsen …

Auszug aus dem Protokoll der Regierungspressekonferenz vom 24. Januar 2024

Frage Warweg
Am 23. Januar hat der Vertreter Chinas vor den Vereinten Nationen, Zhang Jun, öffentlich erklärt, dass er von der internationalen Staatengemeinschaft mehr diplomatisches Engagement hin zu einer Umsetzung der Zweistaatenlösung einfordert. Er hat dafür sowohl die Einsetzung einer internationalen Konferenz gefordert als auch – ich zitiere – so schnell wie möglich die Vollmitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen. Da würde mich interessieren: Unterstützt Deutschland diese Forderung Chinas?

Deschauer (AA)
Herr Warweg, wir haben das hier am Montag ausführlich besprochen, weil diese Frage auch am Montag hier Thema war. Da ging es ausführlich um die Zweistaatenlösung als Perspektive, als aus unserer Sicht einzig mögliche Perspektive für ein friedliches Zusammenleben von Palästinenserinnen und Palästinensern sowie Israelis Seite an Seite. Ich habe hier erläutert, dass sich die Außenministerinnen und Außenminister am Montag auch mit dieser Frage intensiv befasst haben. Die Außenministerin hat sich dazu eingelassen – insofern würde ich vielleicht vorschlagen, dass Sie das Protokoll von Montag noch einmal nachlesen, weil wir uns dazu hier intensiv ausgetauscht haben -, dass dies aus Sicht der Bundesregierung der einzig zielführende Weg ist. Sie können darauf vertrauen, dass die Bundesregierung mit aller Kraft daran arbeitet.

Zusatzfrage Warweg
Als braves Fast-Mitglied der BPK habe ich selbstverständlich das Protokoll vom Montag durchgelesen. Darin kam sicherlich das Thema der Zweistaatenlösung vor. Aber das Thema, das vom chinesischen Vertreter aufgebracht wurde, eine schnellstmögliche Vollmitgliedschaft der Vereinten Nationen, war nicht Teil, zumindest nicht des protokollarisch hinterlegten Teils. Könnten Sie mir den Teil noch beantworten?

Deschauer (AA)
Ich selber habe die Aussagen, die Sie hier vorgetragen haben, nicht direkt im Ohr. Insofern würde ich das gerne noch einmal selbst nachlesen wollen. Aber im Grundsatz ist es so, Herr Warweg: An unserer Position, dass wir die Zweistaatenlösung für die einzig zielführende und friedliche Lösung in der Region halten, hat sich nichts geändert. Das haben wir hier mehrfach vorgetragen. Insofern habe ich dem nichts hinzuzufügen.

Zusatz Warweg
Vollmitgliedschaft!

Deschauer (AA)
Ich wüsste nicht, dass sich die Frage jetzt hier aktuell stellt. Sie kennen unsere Position. Wir müssen erst einmal auf die aktuelle Situation blicken. Es ist eine unglaublich schwierige Lage. Seit dem 7. Oktober wird Israel von der Hamas kontinuierlich angegriffen und wehrt sich dagegen im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts. Gleichzeitig ist die Lage der Palästinenserinnen und Palästinenser höchst dramatisch. Wir sind bestrebt, zur Linderung dieser Lage beizutragen. All die Gespräche, die Regierungsvertreter dieser Bundesregierung, die Außenministerin, in der Region führen, streben dieses Ziel an. Das beinhaltet natürlich auch, die Perspektive einer Zweistaatenlösung grundsätzlich im Blick zu halten, so schwierig die Lage auch ist.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz, 24.01.2024