Uli Masuth: „Überall im Land gibt es Menschen, die unter dem ‚Long-Tagesschau-Symptom‘ leiden“

Uli Masuth: „Überall im Land gibt es Menschen, die unter dem ‚Long-Tagesschau-Symptom‘ leiden“

Uli Masuth: „Überall im Land gibt es Menschen, die unter dem ‚Long-Tagesschau-Symptom‘ leiden“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Einen Kabarettisten zu diffamieren, weil er quer denkt, zeugt von ungefähr so viel Intelligenz, wie einen Bäcker zu diskreditieren, weil er backt.“ Das sagt Uli Masuth im Interview mit den NachDenkSeiten. Wie in Trier hat auch das Kulturamt der Stadt Ettlingen den geplanten Auftritt des Kabarettisten abgesagt. Was sich zugetragen hat, und dass es auch anders laufen kann, darüber spricht Masuth im Interview. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Marcus Klöckner: Herr Masuth, im November des vergangenen Jahres haben wir in einem Interview über das Verhalten der Stadt Trier gesprochen. Als kritischer Künstler waren Sie nicht willkommen. Nun werden Sie bald in Baden-Württemberg auftreten. Und der Wahnsinn scheint munter weiterzugehen. Erzählen Sie bitte unseren Lesern: Was hat sich zugetragen?

Uli Masuth: Das Kulturamt der Stadt Ettlingen hatte mich für ein Gastspiel am 24. Februar 2024 gebucht. Nach der Veröffentlichung des Programms der neuen Theaterspielzeit – das war im Sommer letzten Jahres – schlugen die Badische Neueste Nachrichten (BNN) in Gestalt von Heidi Schulte-Walter Alarm beim dortigen Kulturdezernenten und Bürgermeister. Tenor: Masuth ist Querdenker. Der Mann muss ausgeladen werden.

Was ja stimmt. Sie sind Querdenker, wie Sie mir in unserem letzten Interview gesagt haben.

Ja, ich bin Querdenker. Und das war ich auch schon lange, bevor dieser Begriff zum Totschlag-Argument wurde, um Kritiker mundtot zu machen. Querdenken ist ja im Prinzip eine Arbeitsplatzbeschreibung meines Berufs. Einen Kabarettisten zu diffamieren, weil er quer denkt, zeugt von ungefähr so viel Intelligenz, wie einen Bäcker zu diskreditieren, weil er backt.

Der Plan war also, dass Sie in Ettlingen auftreten. Was passierte dann?

Kulturamtsleiter Michael Bader rief an und sagte den Auftritt ab. Begründung: Durch die BNN habe man erfahren, dass ich die Corona-Maßnahmen kritisch sehe und das in meinem Programm entsprechend abhandeln würde.

Ach, das hat Michael Bader so explizit gesagt? Die Kritik an Corona-Maßnahmen auf der Bühne in Ettlingen ist also nicht erlaubt, oder wie?

An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber meine Kritik an den Corona-Maßnahmen war ein Punkt. Ein anderer, dass Herr Bader befürchtete, dass es in der kommenden Spielzeit dann nur noch um meinen Auftritt gegangen wäre – was ich gut gefunden hätte. Er nicht.

Haben Sie mit dieser Entwicklung gerechnet?

Damit ist leider immer zu rechnen. Schließlich: Überall im Land gibt es Menschen, die unter dem „Long-Tagesschau-Symptom“ leiden.

Was ist das „Long-Tagesschau-Symptom“?

Darunter leiden Menschen, die nicht nur ganz genau wissen, was Demokratie ist, wie viele Geschlechter es gibt, was ich essen und trinken darf, wie ich heizen muss, was rechts ist und böse, was links ist und gut, welche Politiker das Filmfest „Berlinale“ besuchen dürfen und wie guter Journalismus aussieht, sondern auch glauben, darüber entscheiden zu dürfen, was ein Kabarettist sagen darf und was nicht. Jetzt hat Robert Habeck ja kürzlich festgestellt, dass er „von der Wirklichkeit umzingelt ist“. Ich fühle mich zunehmend von Ideologen und Idioten umzingelt, und zwar nicht von Idioten im altgriechischen Verständnis.

Was ist denn guter Journalismus?

Für den sogenannten Mainstream sind das offenbar Artikel, wie sie ein Claas Relotius beim Spiegel abgeliefert hat, eine Frau Föderl-Schmid bei der Süddeutschen Zeitung oder – wie beim Medienunternehmen für investigativen und aufklärenden Journalismus namens Correctiv – ein Jean Peters. Also ein Aktionskünstler, der – wie er selbst sagt – seine Aufgabe darin sieht, „Geschichten zu erfinden“, indem er zum Beispiel ein privates Treffen zum politischen Meinungsaustausch zur Wannsee-Konferenz 2.0 hochjazzt.

Hier ein Zitat eines Artikels der Redakteurin Heidi Schulte-Walter, erschienen in Badische Neueste Nachrichten:

Das Problem: Masuth ist seit Corona aktiv in der Querdenkerszene in Thüringen unterwegs. Auch Veranstalter andernorts haben sich von ihm schon distanziert. Unsere Redaktion hatte Kulturamtsleiter Christoph Bader wenige Tage nach Erscheinen der „Kultur live“-Termine darauf aufmerksam gemacht. „In Absprache mit dem Oberbürgermeister haben wir entschieden, den Termin mit Masuth zu canceln“, sagte Bader am Mittwoch. „Für Kabarett dieser Art sei Ettlingen keine Adresse.“

„Für Kabarett dieser Art …“ Ein bemerkenswerter Satz, wie ich finde. In zweifacher Hinsicht: zum einen, weil nicht ausgeführt wird, was mit „dieser Art“ gemeint ist, und zum anderen, weil Herr Bader nie bei mir im Programm war und von daher auch gar nicht beschreiben könnte, wie meine Art Kabarett aussieht. Das Gleiche gilt auch für Frau Schulte-Walter, die ebenfalls nie bei mir im Programm war.

Haben Sie denn eine Idee, was mit „Kabarett dieser Art“ gemeint sein könnte?

Ich glaube, damit ist das Kabarett gemeint, das uns den berühmten Spiegel vorhält.

Also das, was Kabarett eigentlich macht und ausmacht.

Richtig. Im Grunde genommen geht es darum, das Kabarett abzuschaffen. Und nicht nur das Kabarett, denn das Problem ist größer. Es betrifft alle Künstler, die nicht nachplappern, was uns die Regierung vorschreibt und glauben machen will. Kunst, die sperrig ist, hinterfragt, andere Perspektiven bietet, aufrüttelt und – wie in meinem Fall – zudem auch noch Lachen macht, diese Kunst kann weg. Was bleibt, ist Amüsement und Firlefanz. Wer als Künstler heutzutage nicht stromlinienförmig mitschwimmt, muss in Deckung gehen, und zwar vor Leuten, die sich aufs Revers schreiben, die Demokratie zu verteidigen. Die gegen Hass und Hetze auf die Straße gehen – für die Regierung. (lacht) Wie in DDR-Zeiten, und das mit Plakaten, auf denen dann steht: „Ganz Berlin hasst die AfD“ oder „AfDler töten“. Doppelstandards, wohin man schaut.

Was ist dann passiert?

Ich bekam diverse Mails, in denen Menschen ihren Unmut über das Vorgehen von Frau Schulte-Walter und die Herren Arnold und Bader zum Ausdruck brachten. Die meisten Mails waren von Privatpersonen, aber es waren auch Personen der Öffentlichkeit darunter, wie zum Beispiel ein Dirigent und Vertreter verschiedener Parteien. Und dann passierte etwas Großartiges: Diese Menschen haben sich miteinander vernetzt und eine Privatinitiative gestartet, um meinen Auftritt doch möglich zu machen.

Und nun gibt es einen anderen Veranstaltungsort?

Ja, das Kasino in Ettlingen, wo mein Auftritt am 24. Februar über die Bühne gehen wird. Also genau dem Tag, der in Ettlingen ursprünglich vorgesehen war, bevor Frau Schulte-Walter in die Gestaltung des Kulturprogramms eingriff und Kulturamtsleiter Bader und OB Arnold klarmachte, welche Künstler – ihrer Meinung nach – in Ettlingen die Bühne betreten dürfen und welche nicht. Ähnlich und doch anders läuft es übrigens in der Stadt Pforzheim.

Was ist da passiert?

Dort laufen Martin Müller (Chef der dortigen SPD), die Initiativen #Bündnis Pforzheim nazifrei und #Zusammenhalten in der Gesellschaft Pforzheim im Verbund mit der Evangelischen Kirche gegen einen Auftritt mit mir Sturm, den Stadtrat Andreas Kubisch für den 25. Februar im dortigen CCP organisiert hat. Gefordert wird, dass Stadtverwaltung und CongressCentrum den Mietvertrag auflösen.

Mit Erfolg?

Nein. Wie es dazu kam, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht weil man – anders als die zuvor erwähnte Dame, die genannten Herren und Bündnisse – auf die Idee gekommen ist: He, es gibt doch ein Grundgesetz! Lass´ doch mal nachgucken, was da so steht. Zum Beispiel im Artikel 5, in dem von Kunst- und Meinungsfreiheit die Rede ist und dass Zensur nicht stattfindet. Wie auch immer, jedenfalls hat die Pressestelle eine explizite Anfrage an OB Peter Boch wie folgt beantwortet: „In der Abwägung gilt es zu entscheiden, ob Auftritte mit gegebenenfalls fragwürdigen Aussagen noch als künstlerische Freiheit zu bewerten sind. Beim Kabarettisten Masuth hat sich das CCP entschieden, ebendiesen Aspekt als maßgeblich zu berücksichtigen und somit nicht vom Vermietungsvertrag der Räumlichkeiten zurückzutreten.“

Worüber werden Sie in Ihrem Programm sprechen?

Wie in allen meinen Programmen geht es auch im aktuellen „Lügen und andere Wahrheiten“ darum, politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzuspießen. Und ich könnte mir vorstellen, dass auch die gerade genannten Herrschaften und Bündnisse drin vorkommen. (lacht) Und wenn sie in mein Programm kämen, würde ich mich bei ihnen natürlich dafür bedanken, dass die Veranstaltungen so viel Aufmerksamkeit bekommen haben. (Ettlingen ist ausverkauft, in Pforzheim gibt es noch Restkarten unter: [email protected]) Da ich aber mit deren Erscheinen nicht rechne, sage ich schon einmal hier: Danke! Vielen, vielen Dank für die kostenlose Werbung!

Welche Erfahrungen ziehen Sie aus dem Erlebten?

Cancel-Culture und jede Art von Bashing – egal gegen wen – gehen nach hinten los. Also für die, die es versuchen. Wie gerade auch im Fall Tucker Carlson zu sehen ist. Der Aufschrei der tonangebenden Medien über sein Interview mit Präsident Putin war die beste Werbung für das Interview überhaupt. Und der Fall Ettlingen und Pforzheim zeigt noch etwas: Es gibt Bürgermeister wie Peter Boch, die das Grundgesetz ernst nehmen, und es gibt immer mehr Menschen, die diese Cancel-Versuche, dieses Bashing gegen Kritiker erstens durchschauen und zweitens nicht mehr klaglos hinnehmen, sondern sich bei denjenigen, die canceln, beschweren und dann in Eigeninitiative kommen. Und das ist eine sehr gute Entwicklung.

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