Neue Normalität: „Wer Regierungshandeln hinterfragt, wird nicht mehr wegdiskutiert, sondern wegdiffamiert“

Neue Normalität: „Wer Regierungshandeln hinterfragt, wird nicht mehr wegdiskutiert, sondern wegdiffamiert“

Neue Normalität: „Wer Regierungshandeln hinterfragt, wird nicht mehr wegdiskutiert, sondern wegdiffamiert“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Staats- und Regierungskritik scheinen in Trier nicht erwünscht – und „Querdenker“ wohl schon gar nicht. Das Vorgehen des Kulturdezernenten der Stadt, Markus Nöhl, lässt tief blicken. Der Kabarettist Uli Masuth und der Liedermacher Jens Fischer Rodrian sollten von einem Friedensfestival ausgeladen werden, doch die Veranstalterin Joya Ghosh gab nicht nach (siehe NachDenkSeiten-Interview mit Ghosh). Nun wird am 2. Dezember Masuth in Trier auftreten. Im Interview mit den NachDenkSeiten spricht der Kabarettist über das Verhalten der Stadt Trier und seine Erfahrungen mit der Cancel-Culture. Bereits im vergangenen Jahr habe ihn die Trierer Kulturfabrik ausgeladen. Auch zur Streichung der Gelder für die Auftritte von ihm und Fischer Rodrian äußert er sich. Pro Veranstaltung zahle Trier 75 Euro. „Für ein Festival, wo es um Frieden, Freiheit und Freude geht“, sei das „beschämend“, so Masuth. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Masuth, Ihr Auftritt beim Friedensfestival steht bevor. Anfang Dezember werden Sie in Trier auf der Bühne stehen. Was sind Ihre Gedanken nach dem Verhalten von Markus Nöhl?

Von wem?

Markus Nöhl.

Kenne ich nicht.

Das ist Triers Kulturdezernent. Der Mann war mit verantwortlich dafür, dass man Sie ausladen wollte.

Ah, richtig. Meine Gedanken zu diesem Verhalten? Tja, solche Leute gibt‘s. Das sind Vertreter einer neuen Kultur namens „Cancel-Culture“. Die sollten sich aber nicht Dezernenten für Kultur schimpfen, sondern Dezernenten für Un-Kultur. Ich versuche, solche Leute „rechts“ liegen zu lassen.

Gehen wir einen Schritt zurück. Wann haben Sie davon erfahren, dass eine Ausladung von Ihnen und dem Liedermacher Jens Fischer Rodrian der Veranstalterin nahegelegt wurde?

Das war Mitte Oktober – durch einen Anruf von Joya Ghosh, der Veranstalterin.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Mal davon abgesehen, dass eine solche Nachricht nicht unbedingt dazu führt, Korken knallen zu lassen, stürzt sie mich aber auch nicht in eine Depression, weil es heute ja fast schon zum guten Ton gehört, kritische Künstler auszuladen. So auch in Trier, wo ich diese Erfahrung übrigens auch schon im letzten Jahr gemacht habe. Da wurde mein Auftritt in der dortigen „Kulturfabrik Tufa“ – wo ich in den Jahren vor Corona schon mehrmals erfolgreich aufgetreten bin – abgesagt. Neue Normalität halt. Wer Regierungshandeln kritisiert oder auch nur vorsichtig hinterfragt, der wird seit über drei Jahren nicht mehr wegdiskutiert, sondern wegdiffamiert – und zwar im Brustton vermeintlich moralischer Überlegenheit. Ob hier ein Zitat von Marshall McLuhan zutrifft, weiß ich nicht. Das Zitat lautet jedenfalls so: „Moralische Empörung ist die Strategie von Idioten, sich selbst Würde zu verleihen.“

Noch mal für die Leser erklärt: Was waren die Vorwürfe?

Die Vorwürfe sind eigentlich immer die gleichen und lassen sich auf einen Satz runterbrechen: Uli Masuth ist Querdenker. Und das stimmt. Ich bin kein Längsdenker, sondern Querdenker. Ich bin sogar Kreuz-und-quer-Denker. Und ich war das schon lange, bevor dieser Begriff zum Totschlagargument wurde. Querdenken gehört bei einem Kabarettisten gewissermaßen zur beruflichen Qualifikation oder um es musikalisch auszudrücken: Querdenken gehört zu mir wie mein Name an der Tür.

Wie blicken Sie auf diese Zeit, wo politisch kritische Geister sehr schnell ausgeladen werden?

Mit Erschrecken. Und – um hier mal einen Satz zu bringen, den man noch nie gehört hat – ich hätte diese Entwicklung nicht für möglich gehalten. Seitdem habe ich einen Satz aus meinem Vokabular gestrichen: Das kann ich mir nicht vorstellen. Während Corona habe ich auch noch gedacht, schlimmer wird‘s nicht. Und siehe da, doch, es wurde schlimmer.

Die Kabarettistin Christine Prayon war lange in der ZDF heute-show.

Christine wer? Nein, Spaß (lacht)! Natürlich kenne ich Christine Prayon. Und ich schätze sie. Ich glaube, es war bei den Kabarett-Tagen in Staufen, wo wir mal einen gemeinsamen Abend gestaltet haben.

Im Sommer dieses Jahres hat sie in einem viel beachteten Interview ihren Ausstieg aus der Sendung bekannt gegeben. In dem Interview sagte Prayon: „Ich habe auch mit den Verantwortlichen dort geredet und betont, dass ich mich nicht daran beteiligen will, Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben. Satire darf sich nicht daran beteiligen, den Diskurs zu verengen. Und jetzt findet genau dies wieder statt beim Krieg in der Ukraine. Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt, und gleichzeitig wird Stimmung gegen Andersdenkende gemacht. Das hat nach meinem Dafürhalten nichts mehr mit Satire zu tun.“

Und weiter: „Ich habe Fragen, ich habe Kritik, ich möchte mich äußern dürfen, ich möchte auch zuhören dürfen, ich möchte auch den hören, der für das Letzte gehalten wird. Ich kann mit Satire, die das verunmöglicht, nichts mehr anfangen. Das ist ein Simulieren von Freiheit. Und seit Stuttgart 21, seit dem Demokratietheater, das ich dort miterlebt habe, sehe ich, dass vieles ausgehöhlt ist. Mir fällt es seitdem schwer, auf das Grundgesetz zu pochen oder den Rechtsstaat.“

Können Sie die Aussagen von Frau Prayon nachvollziehen?

Ja, diese Aussagen kann ich nachvollziehen, und ich kann sie nur unterstreichen.

Zurück zu Trier. Da trifft es Sie und Jens Fischer Rodrian. Da sind die Probleme, über die Prayon und viele andere reden und die sie anprangern, ganz nah.

Stimmt. Ganz nah. Allerdings, dass über diese Probleme „viele andere reden und sie anprangern“, würde ich nicht sagen. Im Gegenteil. Es wird viel zu wenig, eigentlich gar nicht, darüber geredet – jedenfalls im sogenannten „Mainstream“ nicht. Und da muss die Diskussion unbedingt hin. In den sogenannten „Mainstream“, in die tonangebenden Medien. Was aber leider nicht passiert, weil sich im Land eine Kultur der Intoleranz breitgemacht hat. Und leider sind diejenigen, die gebetsmühlenartig Toleranz predigen, oftmals die schlimmsten Vertreter dieser Intoleranz. Also das ist jedenfalls mein Eindruck. Aktuelles Beispiel: Die Ausladung von Patrick Baab in Geilenkirchen – worüber Sie, Herr Klöckner, dankenswerterweise einen Artikel geschrieben haben. Ich kann allen Lesern übrigens nur empfehlen, einen Vortrag von Patrick Baab zu besuchen. Es lohnt sich. Und ich weiß, wovon ich spreche, denn Patrick Baab war der Protagonist bei der letzten Wohnzimmer-Veranstaltung im Hause Masuth.

Haben Sie persönlich mal mit dem Kulturdezernenten Markus Nöhl gesprochen?

Nein. Versuche meinerseits, mich mit Herrn Nöhl telefonisch auszutauschen, liefen leider ins Leere. Ich habe bei seiner Vorzimmerdame um Rückruf gebeten – ohne Erfolg. Wahrscheinlich hat er meine Nummer verlegt (lacht). Ich hoffe, er kommt zu meinem Auftritt und wir können dann ein wenig plaudern, quasi von Partnerstadt zu Partnerstadt.

Von Partnerstadt zu Partnerstadt?

Ja, ich lebe in Weimar, und Weimar und Trier sind Partnerstädte.

Was würden Sie ihm sagen?

Schön, dass Sie gekommen sind. Und ich würde ihn fragen, was genau OB Leibe damit meint, wenn er auf der Internetseite schreibt, dass Trier eine Stadt ist, in der „Toleranz und Offenheit das Miteinander bestimmen“. Und ich würde ihn fragen, ob er – also Herr Nöhl – ob er da die Zukunft von Kultur – speziell seine eigene Zukunft sieht, kritische Künstler zu canceln? Und ich würde ihn fragen, ob er es nicht sinnvoller fände, miteinander als übereinander zu reden? Jedenfalls, wenn wir noch mal so etwas wie ein friedliches, freundliches und respektvolles Miteinander in der Gesellschaft hinbekommen wollen. Und natürlich würde ich mich für die unfreiwillig gute Werbung bedanken. Denn den Effekt haben Cancel-Culture-Versuche immer wieder, die Aufmerksamkeit wird größer – was gewissen Leuten aber offenbar nicht dämmert.

Sie sprechen aus Erfahrung?

Durchaus. Nur ein Beispiel: Ein für 2024 terminierter Auftritt von mir in Ettlingen wurde auf Druck der BNN vom dortigen Kulturamt abgesagt. Vera Lengsfeld hat einen Artikel dazu geschrieben, der vielfach geteilt wurde und zum einen dazu führte, dass ein Festival in Weimar, dass ich organisiert habe (DAS FESTIVAL – Musik & Wort in Weimar) sehr schnell ausverkauft war und sich zum anderen in Ettlingen eine Bürgerinitiative formierte, die meinen von der Stadt abgesagten Auftritt für den gleichen Tag in Eigenregie durchführen wird, nämlich im dortigen Casino, am 24. Februar 2024. Und wenn wir schon bei der Werbung sind, „Das Festival“ wird es auch 2024 geben – und zwar vom 4. bis 6. Oktober. Und wenn Sie mir noch eine abschließende Bemerkung erlauben wollen?

Gerne.

In Veröffentlichungen zu dem Fall wird immer wieder erwähnt, dass „Die Stadt“ der Veranstalterin die volle Fördersumme für das Festival ausbezahlt, lediglich verbunden mit der Auflage, das Geld nicht für die beiden kritisierten Veranstaltungen zu verwenden. Schauen wir uns doch einmal an, um wie viel Geld es hier eigentlich geht: um exakt 1.500 Euro. Das ist die „volle Fördersumme“ – 1.500 Euro. In Worten: eintausendfünfhundert Euro – für 20 Veranstaltungen. Das sind pro Veranstaltung 75 Euro, für ein Festival, wo es um Frieden, Freiheit und Freude geht. Beschämend. Man sieht also deutlich, dass der Stadt Trier diese Themen sehr am Herzen liegen. Um so bewundernswerter die Initiative von Joya Ghosh. Eine Künstlerin, die als Veranstalterin auch dann die Fahne der Kunstfreiheit hochhält, wenn ihr der Wind mächtig ins Gesicht bläst und die nicht einknickt wie so viele. DANKE, Joya!

Titelbild: © privat

Der Auftritt von Uli Masuth auf dem Friedensfestival in Trier ist am 2. Dezember um 19:30 Uhr. Weitere Infos hier.

Anmerkung: Marcus Klöckner hat den Fall auf seinem Substack-Kanal kommentiert.

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