Am 4. Juni wollte das Auswärtige Amt (AA) von der Einschätzung, dass Israel in Gaza Völkerrecht bricht, nichts wissen und erklärte, dass man weiterhin prüfe, ob es zu Kriegsverbrechen und Bruch des humanitären Völkerrechts durch Israel gekommen sei. Bislang lägen dazu jedoch keine eigenen Erkenntnisse vor. Bei der Bundespressekonferenz am 11. Juni erklärte das AA erstmals, „dass es im Rahmen der Einsätze im Gazastreifen zu einer Einhaltung des humanitären Völkerrechts kommen muss“. Eine kleine, aber durchaus bedeutende Änderung in der Wortwahl. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, was sich im Verlauf von nur einer Woche geändert hat, dass es zu diesem Wandel im Tonfall und in der Einschätzung gekommen ist. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. Juni 2025
Hinterseher (AA)
Ich habe Ihnen eine Reiseankündigung mitgebracht. Außenminister Wadephuhl reist morgen nach Italien und in den Vatikan. Er wird in Rom zunächst Gespräche mit Vertretern des Heiligen Stuhls führen, bevor er auf Einladung des italienischen Außenministers am sechsten sogenannten Weimar-plus-Treffen teilnimmt. Dabei geht es um ein gemeinsames Außenministertreffen mit Frankreich, Polen, Italien, Spanien sowie der hohen Vertreterin der EU, um über die weitere Unterstützung der Ukraine sowie die Stärkung der europäischen Verteidigung zu beraten. Es handelt sich um ein erweitertes Format. Auch die Außenminister der Ukraine und des Vereinigten Königreichs werden am Treffen teilnehmen. Erstmals ist auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte dabei. Im Anschluss an das Treffen wird der Außenminister seinen italienischen Amtskollegen Antonio Tajani zu einem bilateralen Antrittsbesuch treffen.
Am Donnerstagabend wird er in den Nahen Osten weiterreisen. Dort wird er in Ägypten, Libanon, Jordanien und Israel unter anderem Termine mit seinen jeweiligen Amtskollegen wahrnehmen. Im Zentrum der Reise werden das Nahostthema und insbesondere die Lage in Gaza stehen. Der Außenminister wird mit engen arabischen Partnern darüber sprechen, wie ein Plan für ein friedliches Gaza nach dem Konflikt aussehen kann. Dabei spielt der arabische Wiederaufbauplan eine zentrale Rolle. Der Außenminister würdigt damit auch die wichtige Rolle, die die arabischen Staaten für die Sicherheit in der Region spielen.
Gleichzeitig wird natürlich auch die dramatische humanitäre Situation und Lage im Gazastreifen im Zentrum stehen. Auch in Israel wird es um die Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen gehen. Diese engen und vertrauensvollen Gesprächskanäle – Sie wissen, dass der israelische Außenminister vergangene Woche hier war – sind umso wichtiger, weil wir weiterhin ernsthaft mit der israelischen Regierung sprechen wollen und immer wieder deutlich machen, dass es im Rahmen der Einsätze im Gazastreifen zu einer Einhaltung des humanitären Völkerrechts kommen muss.
Am Sonntagabend reist der Außenminister zurück nach Berlin.
Frage Warweg
Herr Hinterseher, wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, dann haben Sie gerade gesagt, dass es zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts in Gaza kommen müsse. Vergangene Woche hatten wir die Diskussion, in der sich das AA vehement geweigert hat, von einer Verletzung des Völkerrechts durch Israel zu sprechen.
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie im Laufe der letzten sieben Tage zu einer Neueinschätzung der humanitären Situation und des Agierens Israels gekommen sind?
Hinterseher (AA)
Herr Warweg, ich denke, wir haben zu dieser Frage hier des Öfteren Stellung genommen, und zwar ausführlich. Die erheblichen Zweifel wurden wiederholt geltend gemacht. Wir nehmen natürlich die Berichte zur Kenntnis. Das Einzige, was wir hier gesagt haben, ist, dass uns dazu keine eigenen Informationen vorliegen.
Zusatzfrage Warweg
Wenn man sagt, dass es zu einer Einhaltung kommen müsse, so impliziert dies zumindest für mein Verständnis, dass das derzeit nicht der Fall sei. Können Sie dies so bejahen?
Hinterseher (AA)
Ich sage, was ich gerade gesagt habe, dass es bei einem bewaffneten Konflikt, bei einer bewaffneten Auseinandersetzung immer zu einer Einhaltung des humanitären Völkerrechts kommen muss bzw. dass das humanitäre Völkerrecht geachtet werden muss. Darauf drängen wir in all unseren Gesprächen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 11.06.2025
Auswärtiges Amt sieht noch immer keine Verletzung des Völkerrechts durch Israel in Gaza
Verfassungsschutz wertet jüdischen Verein als extremistisch wegen kritischer Haltung zu Israel
„Hat es nicht gegeben …“ – Desinformation von Außenminister Wadephul gegenüber dem Bundestag
Perspektivwechsel: Florian Warweg im Interview zu seiner Zukunft in der Bundespressekonferenz