Wer glaubt, dass den allgegenwärtigen Kriegstreibern das Vokabular ausgeht, irrt. Hier eine neue Schöpfung: „Verteidigungsmarkt“

Wer glaubt, dass den allgegenwärtigen Kriegstreibern das Vokabular ausgeht, irrt. Hier eine neue Schöpfung: „Verteidigungsmarkt“

Wer glaubt, dass den allgegenwärtigen Kriegstreibern das Vokabular ausgeht, irrt. Hier eine neue Schöpfung: „Verteidigungsmarkt“

Ein Artikel von Frank Blenz

In allen Bereichen unserer Gesellschaft bringen sich Akteure des wilden Aufrüstens in Stellung – nein, nicht in Schützengräben, die bleiben dem Fußvolk vorbehalten. Beispiele des Trends „Lerne, wie mit Krieg Profit generiert wird“ stellen nun auch Angebote für Führungskräfte dar, welche im Handelsblatt (Rubrik „Handelsblatt Management Campus“) schick und zivil als Sommer-Bildungskurse angeboten werden. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lerne, mit Krieg Profite zu generieren, auf dem Markt der Märkte

Beim Lesen von neuen Bildungsangeboten im Handelsblatt kam mir der Gedanke: „Lerne, wie mit Krieg Profit generiert wird“, denn die Aufforderung der Gazette klang in Wahrheit verräterisch und aggressiv: „Think Defense: So sichern Sie sich Zugang zu einem komplexen Zukunftsmarkt.“ Übersetzt: Beeilen Sie sich, um beim Aufrüsten, Ausrüsten und Absahnen, bei milliardenschweren Investitionen fern der Zivilwirtschaft mit von der Partie zu sein. Doch dazu braucht es auch Wissen und Strategie. Wer will da „nein“ sagen, wenn eine smarte Dame, Professorin der Bundeswehr-Universität München, als kompetente Referentin bereitsteht, kriegstüchtige Manager in ihrer Masterclass (via Internet und Modulservice) für die längst eingeläuteten, leider, leider unfriedlichen Zeiten fit zu machen – fit und gierig für diesen ganz besonderen Markt, den fantasievolle Autoren „Verteidigungsmarkt“ nennen. Verteidigungsmarkt – was für eine irre Wortschöpfung.

Das lesen Führungskräfte und Olaf Scholz weint – Peace war gestern

So geht auch das seriöse Handelsblatt, eine Art Wirtschaftszeitung für bessere Kreise, mit der Zeit als Teil dieses Marktes. Zum Auftakt wird der Leserschaft aus den Chefetagen und den weiteren Interessierten noch schön was aufgetischt, um das Sommerloch zu stopfen. Die Redaktion empfiehlt für den Urlaub und den Kopf Bücher, die Spitzenkräfte inspirieren. Aha. Sehr zum Schmunzeln: Olaf Scholz kamen laut Handelsblatt bei J. D. Vance‘ Debütroman die Tränen. Warum Bücher so viel Einfluss auf Macher und Mächtige haben, weiß das Blatt auch. Ach, würden die lieber nur Bücher zum Thema Frieden lesen. Aber Peace war gestern.

Bereit, neue Wege zu gehen

Nun wird es ernster: Sind Sie bereit, neue Wege zu gehen? Welche waren die alten? Das Handelsblatt wirbt für seinen Management Campus, statt Sommerloch Sommer-Bildung. Wer sich schnell anmeldet, bekommt Sommer-Rabatt. 30 Prozent, na wenn das nichts ist. Um was geht es? Nicht um normale Marktwirtschaft, nein. Ein besonderer Markt ist zu erobern, dessen von Natur aus aggressive Seite (Rüstung, Provokation, Eskalation, Feindbildpflege, Militarisierung der Gesellschaft, Verachtung des Zivilen usw.) geschickt und feige mit Worthülsen wie aus der PR-Abteilung eines Propagandaministeriums umkurvt wird. Im Schreiben, gerichtet an Handelsblatt-Abonnenten, klingt das dann so:

Sehr geehrte Damen und Herren, der Verteidigungsmarkt wandelt sich rasant. Neue sicherheitspolitische Prioritäten, milliardenschwere Investitionen und technologische Entwicklungen schaffen ein dynamisches Umfeld für Unternehmen, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Doch der Einstieg in diese hoch regulierte Branche erfordert fundiertes Wissen, strategisches Geschick und ein klares Verständnis der Akteure, Prozesse und Rahmenbedingungen.“

Und wie es sich gehört: Die Teilnehmer der Masterclass erhalten ein Bildungspaket der Extra-Klasse, um dann auf dem Verteidigungsmarkt in den Angriffsmodus schalten zu können, aus sicheren Chefetagen, versteht sich:

Die Masterclass Think Defense – Zugang, Struktur, Geschäftspotenzial liefert Ihnen praxisnahes Know-how rund um Marktmechanismen, Beschaffungssysteme und Innovationspotenziale im Verteidigungssektor. Sie erfahren, wie Unternehmen aus Branchen wie IT, Automotive oder Robotik künftig eine Rolle im sicherheitsrelevanten Umfeld spielen können sowie wie sich neue Chancen sicher und verantwortungsvoll erschließen lassen.“

Führungskräfte lernen tatsächlich was: ordentlich mitzumischen und eine saubere Wortwahl

Das Lesen der Sätze über den Inhalt der Kurse wäre kein Problem, würden die dabei gewählten Ausdrücke welche von zivilen Aktivitäten und Akteuren sein, von Dingen und Prozessen, die Teilnehmer einer Masterclass in einem und für ein friedliches Umfeld lernen. Doch schmettern die schneidigen Worte den Leser auf die Bretter, auch, weil dem Leser das Zwischen-den-Zeilen-Lesen nicht unbekannt ist. Denn es geht eben nicht um Friedenswirtschaft, es geht nur um die konsequente Militarisierung der Gesellschaft und deren ausschließliche wirtschaftliche und überaus gewinnträchtige Verwertung, um groß und nachhaltig Kasse zu machen:

…einen kompakten Überblick über Akteurslandschaften, Entscheidungswege und strategische Prioritäten im Verteidigungsmarkt.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Bundeswehr, dem BAAINBw (1) und zivil-militärischen Schnittstellen. Sie lernen, wie sicherheitspolitische Entwicklungen wirtschaftliche Dynamiken beeinflussen und welche technologischen Trends zukünftig besonders gefragt sind. Vertieft werden außerdem die Anforderungen an Compliance, Ausschreibungsprozesse und unternehmerische Resilienz sowie konkrete Strategien für Markteintritt, Partnerschaften und Positionierung in einem politisch sensiblen Umfeld.“
Quelle: Handelsblatt
(1): BAAINBw steht für: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.

Das Grauen wird smart verkauft

Das Grauen wird smart und zynisch verkauft. Offene Worte werden dagegen gemieden – ziemlich feige, wie ich finde. Man muss sich das einfach noch mal auf der Zunge zergehen lassen, was diese Verteidigungsmarkt-Teilnehmer und Freunde so sagen: Akteurslandschaften, Entscheidungswege, strategische Prioritäten, Verteidigungsmarkt, zivil-militärische Schnittstellen, Positionierung in einem politisch sensiblen Umfeld. Leo Ensel hat auf NachDenkSeiten das Wörterbuch der Kriegstüchtigkeit veröffentlicht. „Verteidigungsmarkt“ wird er sicher darin aufnehmen.

Titelbild: Igorajnen / Shutterstock

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