Gekonnt dokumentiert der MDR den Zerfall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vor kurzem gab der Sender bekannt, dass er sich von der Plattform X zurückzieht. Einmal mehr wird deutlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der zur Meinungsvielfalt verpflichtet ist, hat ein Problem mit Ansichten, die ihm politisch nicht schmecken. Der Rückzug von der Plattform X ist ein Akt der Realitätsverweigerung. Das Prinzip dahinter: Wie ein Vogel Strauß den Kopf in den Sand Stecken. Dadurch, das sei dem MDR gesagt, verschwinden die unliebsamen Meinungen nicht. Und die Kritik an der Sendeanstalt wird nicht leiser, sondern lauter. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Nun also auch der MDR. Nachdem bereits der Hessische und der Saarländische Rundfunk ihre Schotten auf der Plattform X dichtgemacht haben, zieht die Sendeanstalt aus dem Osten nach. Folgende Nachricht veröffentlichte der MDR auf X:
„Der MDR zieht sich von X zurück. Wir fokussieren uns publizistisch künftig auf andere Plattformen und freuen uns, wenn ihr uns beispielsweise auf Instagram, Facebook oder LinkedIn folgt.“
So macht man es. 103.000 Followern mal so in drei Zeilen vor den Kopf gestoßen. Der Grund für die Entscheidung liegt auf der Hand: Dem anständigen Haltungsjournalismus unserer Zeit dürfte Elon Musks politische Ausrichtung nicht passen – und auch nicht die Ansichten vieler X-Nutzer.
Anfang 2025 gaben mehr als 60 Hochschulen in Deutschland bekannt, dass sie X den Rücken kehren. Der Grund auch hier: die übliche Litanei. „Hass und Hetze“ würden angeblich unter dem „Deckmantel“ der Meinungsfreiheit freien Lauf gelassen, wie der SWR berichtete.
Die Demokratie gibt es in Deutschland nicht erst seit gestern. Anzunehmen wäre, dass gerade jene Vertreter, die als „Wächter der Demokratie“ bezeichnet werden, ihr „Schutzobjekt“ auch verstanden haben. Meinungsvielfalt gehört zur Demokratie wie das Salz zur Speise. Pluralismus ist ein Kernbestandteil der Demokratie. Ohne Meinungsvielfalt keine Demokratie. Das versteht schon ein Grundschüler. Dass der MDR und andere, die die Plattform X wegen Musk und angeblicher „Hass und Hetze“ verlassen, Pluralismus nicht verstanden haben, ist eher unwahrscheinlich. „Verstehen“ darf bei den vorhandenen Bildungshintergründen ruhig unterstellt werden.
Der Kern des Problems ist: Mit dem zunehmenden Zerfall des politischen Anstands und den damit verbundenen massiven Problemen innerhalb des Landes machen immer mehr Bürger ihren Mund auf, um die Zustände und die verantwortliche Politik zu kritisieren. Wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht, dokumentiert er durch seine Positionierung selbst. So nahe wie Hochschulen sich im Kreise der vorherrschenden Politik positionieren, so agiert auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Vom Grundsatz her sollen die Öffentlich-Rechtlichen als publizistische Säule der Demokratie agieren. Ihre Auftrag ist: Politik mit einem kritischen Auge zu überwachen – nicht ihr in den Allerwertesten zu kriechen.
Jeder, der das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender verfolgt, weiß: In der Realität sind die Anstalten in weiten Teilen ein publizistisches Machtinstrument in den Händen der Politik. Wer das für übertrieben hält: Abends Illner und Co einschalten und sehen, wie fünf Stühle und eine Meinung aussieht. Das abgebildete „Meinungsspektrum“ spiegelt nicht den Meinungsstand von Gesellschaft und Expertenkreisen wider. Und die Auswahl der Gäste lässt sich auch nicht journalistisch sauber begründet nachvollziehen.
Bei Lichte betrachtet ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk der publizistische Schutzmantel, der um die jeweils vorherrschende Politik gelegt wird.
In dem mit immer härter werdenden Bandagen geführten Kampf um die Definitionshoheit platziert sich nun eben auch der MDR so, wie es von ihm politisch zu erwarten ist. Anstatt sich der Kritik auf X an der eigenen Berichterstattung und der Politik zu stellen und konstruktiv im Sinne einer echten demokratischen Debattenkultur mit ihr umzugehen, zieht der Sender seinen Schwanz ein. Der MDR steckt den Kopf in den Sand – ganz so, als ob sich dadurch die Realität verändern ließe und sich unliebsame Meinungen auflösten. Das Verhalten des Senders ist so realitätsgestört wie weite Teile seiner politischen Berichterstattung.
Deutlich wird: Der Rückzug ist letztlich die Kapitulation vor einer stringenten Argumentation. Lägen die Kritiker mit ihrer Sicht falsch: Es sollte ein Leichtes sein, sie öffentlich mit der Kraft von wohlabgewogenen und durchdachten Argumenten zu widerlegen. Doch das dürfte – erwartungsgemäß – der MDR anders sehen. Vermutlich wird es heißen: „Hass und Hetze“ könne man nicht mit Argumenten begegnen.
Da ist er – der Superjoker! So sieht ideologische Selbstimmunisierung aus. Da bleibt dann nur noch, dem Sender zu wünschen: Bon Voyage! Möge er sich noch tiefer in seine eigene Wirklichkeitsbubble zurückziehen und noch weiter in seine ideologische Sinn-Enklave verkriechen. Verständlich: Im Kreise politisch Gleichgesinnter gibt es keine „unbotmäßige“ politische Kritik. In Nordkorea sieht man das wahrscheinlich ähnlich.
Titelbild: Shaurya_Nigam / Shutterstock