Jetzt bekannt gewordene Pläne der Bundesregierung zeigen: Trotz einem schier unglaublichen Etat für deutsche Aufrüstung in den nächsten Jahren wird die militärische Abhängigkeit von den USA nicht vermindert. Das ist zusätzlich zur ganz prinzipiellen Ablehnung des Rüstungswahnsinns zu kritisieren. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Die Bundesregierung plant laut Medienberichten, in den kommenden Jahren über 377 Milliarden Euro für Rüstung und Militär auszugeben. Einem internen Bericht zufolge, der der US-Tageszeitung Politico vorliegt, geht es dabei um Anschaffungen in den Bereichen Land, Luft, See, Weltraum und Cyber.
Bei dieser Nachricht knallen die Sektkorken nicht nur in den deutschen Rüstungsschmieden, sondern auch bei Geostrategen in den USA: Denn die behalten die Kontrolle über wichtige, von Deutschland genutzte Waffensysteme.
Die exzessive Aufrüstung ist bereits für sich genommen geopolitisch hochgefährlich, sie zieht höchstwahrscheinlich massive soziale Kürzungen nach sich – außerdem sind in Deutschland produzierte Waffen ja nicht moralisch „besser“, weniger zerstörerisch oder in der Folge weniger unsozial. Trotzdem: Dass die Wahnsinns-Beträge dann noch nicht einmal zu einer militärischen Emanzipation von den US-amerikanischen Waffenschmieden und Geopolitikern genutzt werden sollen, kann schon ein zusätzlicher Kritikpunkt sein.
Lockheed Martin, Tomahawk, Boeing …
Denn zwar dominieren laut Medienberichten Aufträge bei deutschen Rüstungsfirmen: Rund 160 Projekte im Wert von etwa 182 Milliarden Euro entfallen demnach auf heimische Anbieter. Rheinmetall wäre gemäß der zitierten Unterlagen der Hauptprofiteur: Der Düsseldorfer Konzern und seine Beteiligungen tauchen in 53 Projektzeilen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 88 Milliarden Euro auf. Der zweitgrößte Gewinner ist Diehl Defence. Der bayerische Lenkwaffenhersteller erscheint in 21 Projektzeilen mit Projekten im Gesamtwert von 17,3 Milliarden Euro.
Aber: Bei sensiblen Bereichen wird weiterhin keine Unabhängigkeit von den USA gesucht – dazu zählt etwa die mögliche Aufstockung um 15 F-35-Kampfjets von Lockheed Martin im Wert von rund 2,5 Milliarden Euro. Beschafft würden sie über das US-System Foreign Military Sales (FMS), so die WELT.
Damit könne Deutschland laut WELT zwar seine Rolle in der „nuklearen Teilhabe“ sichern – würde zugleich aber auch seine Abhängigkeit von amerikanischer Wartung, Software und Einsatzdaten festschreiben. Die Anschaffung sei ein weiteres Signal für die wachsende Orientierung an US-Waffentechnik, während die Spannungen um das französisch-deutsch-spanische Kampfflugzeugprojekt FCAS weiter zunehmen würden.
Laut den Berichten laufen weitere Großprojekte über dasselbe US-System. So plane die Bundeswehr den Kauf von 400 Tomahawk-Marschflugkörpern für rund 1,15 Milliarden Euro sowie von drei Typhon-Abschussrampen im Wert von 220 Millionen Euro. Diese Kombination solle Deutschland eine „Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern“ verschaffen. Hinzu komme der Plan für vier P-8A-Poseidon-Seefernaufklärer von Boeing. Der Gesamtwert läge bei 1,8 Milliarden Euro, ebenfalls finanziert über das FMS-Programm.
„Alle drei Vorhaben binden Deutschland (…) an US-Export- und Wartungskontrolle“
Bei der US-Abhängigkeit geht es weniger um Quantität als um Qualität: Insgesamt umfasst die interne Bundeswehr-Planung rund 25 auslandsverbundene Projekte im Wert von etwa 14 Milliarden Euro – also weniger als fünf Prozent der insgesamt geplanten 377 Milliarden Euro. Aber, so die WELT:
„Alle drei Vorhaben binden Deutschlands künftige Schlag- und Aufklärungsfähigkeiten an US-Export- und Wartungskontrolle. Sie sind zahlenmäßig gering, politisch aber hoch bedeutsam.“
Auch der Focus zieht folgende Bilanz:
„Mit dem geplanten Kauf der Systeme wird auch klar, dass sich die Bundesregierung auch weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit den USA verlässt. Zuletzt hatte es auch in Berlin Überlegungen gegeben, sich mehr auf europäische Systeme zu verlassen, da man eine mögliche Einflussnahme der USA auf europäische politische Entscheidungen fürchtet. Die großzügigen Planungen wischen diese Bedenken offenbar beiseite.“
Deutsche Waffen sind nicht weniger zu verdammen
Wie gesagt: Die geplanten Summen müssen im Kontrast zur knauserigen Debatte um den Sozialstaat hierzulande als geradezu pervers bezeichnet werden. Die exzessive Aufrüstung ist bereits für sich genommen abzulehnen und deutsche Waffen sind nicht weniger zerstörerisch oder weniger zu verdammen als US-amerikanische. Auch stehen viele deutsche Militaristen ihren US-amerikanischen Pendants in Sachen Skrupellosigkeit sicherlich nicht nach.
Aber: Aus geopolitischen Blickwinkeln betrachtet, ist es zusätzlich bedenklich, dass mit den Wahnsinns-Beträgen noch nicht einmal eine Emanzipation vom US-Militär angestrebt wird.
Titelbild: Anelo / Shutterstock






