Bei den Zwischenwahlen in Argentinien am 26. Oktober fuhr die Partei „La Libertad Avanza“ von Präsident Javier Milei, der sich selbst als „Anarcho-Kapitalist“ bezeichnet, einen vielbeachteten Sieg ein. Einen Wahlsieg von über 40 Prozent, den in dieser Höhe keine Umfrage vorhergesagt und selbst enge Parteigänger nicht erwartet hatten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Doch neben mehreren internen Faktoren sticht die milliardenschwere Finanzhilfe der US-Regierung wenige Wochen vor der Wahl hervor. Eine finanzielle Unterstützung, deren Fortführung US-Präsident Trump öffentlich an einen Wahlsieg von Milei und dessen Partei knüpfte. Ein handfester Skandal und ein Vorgehen, das eigentlich allen „libertären“ Grundideen widerspricht. Von Florian Warweg.
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Man stelle sich vor, im nächsten Jahr würden Parlamentswahlen in der Ukraine stattfinden und Bundeskanzler Friedrich Merz würde wenige Wochen vor der Wahl öffentlich erklären, dass man die Ukraine mit einem 40-Milliarden-Euro-Paket zur Stabilisierung von Währung und Wirtschaft unterstützt, diese Gelder aber nur fließen werden, wenn bei der Wahl die amtierende Regierungspartei „Diener des Volkes“ von Präsident Wolodymyr Selenskyj als Sieger hervorgeht. Es wäre ein Skandal sondergleichen.
Doch genau dies hat US-Präsident Donald Trump und seine Regierung im Falle der Zwischenwahlen am 26. Oktober zum argentinischen Ober- und Unterhaus (Senat und Abgeordnetenkammer) getan.
40 Milliarden Dollar De-facto-Wahlkampfhilfe aus Washington für Milei
Zunächst stellte Anfang Oktober US-Finanzminister Scott Bessent ein 20 Milliarden Dollar schweres Konjunkturpaket vor, das darauf abzielt, die Devisenreserven Argentiniens aufzustocken und den Peso während einer laufenden Liquiditätskrise zu stabilisieren.
Zusätzlich erwarben die Vereinigten Staaten im Verlauf des Oktobers argentinische Pesos auf den internationalen Finanzmärkten, wodurch sich die angekündigte Gesamtunterstützung Washingtons für Argentinien auf 40 Milliarden Dollar summierte.
Am 14. Oktober, ziemlich genau zwei Wochen vor den Wahlen in Argentinien, lud US-Präsident Trump den argentinischen Präsidenten ins Weiße Haus zu einem bilateralen Treffen ein und erklärte dort vor den laufenden Kameras der anwesenden Journalisten, dass die weitere finanzielle Unterstützung der USA für Argentinien von einem Wahlsieg Mileis abhängig sei:
„Wenn er (Milei) verliert, werden wir gegenüber Argentinien nicht großzügig sein.“
Trump on Milei: "If he loses, we will not be generous with Argentina." pic.twitter.com/DvZzaEDqpG
— Aaron Rupar (@atrupar) October 14, 2025
Im weiteren Verlauf der Pressekonferenz wiederholte der US-Präsident die Drohung, dass das 20-Milliarden-Stützungspaket für Argentinien nur Bestand haben wird, wenn Milei und seine Regierungspartei als Sieger aus den anstehenden Wahlen hervorgehen werden:
„Ich stehe hinter diesem Mann, weil seine Philosophie richtig ist. (…) und wenn er gewinnt, bleiben wir bei ihm, und wenn er nicht gewinnt, sind wir weg.“
Nach dem Wahlerfolg gratulierte Trump seinem wohl engsten politischen Verbündeten in Südamerika umgehend. Mileis Erfolg sei ein „großer Sieg“, eine „großartige Sache“ und Trump erklärte dann abschließend:
„Er hatte viel Hilfe von uns. Er hatte viel Hilfe.“
Die faktenfreien Jubelarien der libertären Blase in Deutschland
Ein Großteil der libertären Blase in Deutschland feierte den Sieg von Milei, als hätte es diese massive politische und finanzielle Wahlkampfhilfe durch die US-Regierung nicht gegeben.
Beispielhaft sei auf Stefan Kooths verwiesen, Leiter des Prognosezentrums am Kieler Institut für Weltwirtschaft und Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft. Dieser zelebrierte den Wahlsieg als „ein Signal an die Welt“ und behauptete (faktenfrei), die Wahlen seien aufgrund eines „klaren marktwirtschaftlichen Kurses im Regierungshandeln“ gewonnen worden:
Rückhalt für Reformen in #Argentinien: Gut für das Land und ein Signal an die Welt. Mit klarem marktwirtschaftlichen Kurs im Regierungshandeln lassen sich Wahlen gewinnen. Eine Ermutigung an alle, die es damit ernst meinen. @apollo_news_dehttps://t.co/XS3y07IMWE
— Stefan Kooths (@StefanKooths) October 27, 2025
Eine Einschätzung, die selbst das Handelsblatt, libertären Ideen gegenüber durchaus aufgeschlossen, nicht teilt. Die Wirtschafts- und Finanzzeitung titelte nach dem Wahlsieg von Milei erstaunlich deutlich: „Trumps Hilfspaket und seine Erpressung verhalfen Milei zu seinem Sieg“.
Die Süddeutsche wiederum erwähnt das Agieren der Trump-Regierung in einem Artikel unter der Überschrift „Javier Milei feiert einen überraschend deutlichen Sieg“ nur en passant, so als sei dies ein völlig normales, nicht zu kritisierendes Vorgehen:
Doch auch argentinische Wahlanalysten kommen zu einem ähnlichen Schluss wie das Handelsblatt. So nennt beispielsweise der renommierte Analyst Jorge Enríquez, neben den internen Aspekten („Überdrüssigkeit gegenüber dem Kirchnerismus (Links-Peronismus), die alltägliche Unsicherheit – insbesondere in den Vororten von Buenos Aires – und die Ermüdung gegenüber einem politischen Modell, das viele als erschöpft empfinden“), die Unterstützung durch Trump einen „entscheidenden Faktor“ bei der aktuellen Wahlentscheidung der Argentinier:
„Ein weiterer entscheidender Faktor war die internationale Unterstützung, insbesondere die politische und finanzielle Unterstützung durch die Vereinigten Staaten. Die Regierung von Donald Trump und das US-Finanzministerium spielten eine wichtige Rolle, indem sie wichtige Finanzhilfen zur Stabilisierung der Reserven und zur Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsprogramms bereitstellten. Diese diskrete, aber konkrete Hilfe ermöglichte es, in kritischen Monaten das außenwirtschaftliche Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, und trug dazu bei, das Gefühl zu vermitteln, dass der Kurs zwar hart, aber machbar sei.“
Titelbild: photofield/ Shutterstock
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