NDR cancelt Julia Ruhs – Und gibt ein ganz schwaches Bild ab

NDR cancelt Julia Ruhs – Und gibt ein ganz schwaches Bild ab

NDR cancelt Julia Ruhs – Und gibt ein ganz schwaches Bild ab

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Trennung des NDR von der Moderatorin Julia Ruhs ist Ausdruck einer abzulehnenden Intoleranz und Doppelmoral – auch solche Stimmen müssen ausgehalten werden. Würden die nun zitierten Kriterien der Seriosität auch an andere Beiträge von ARD und ZDF angewendet, wäre das vernichtende Urteil in vielen Fällen voraussehbar. Das Vorgehen gegen Ruhs ist außerdem eine willkommene Steilvorlage für rechte Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Der NDR hat sich von Moderatorin Julia Ruhs getrennt, wie Medien berichten. Künftig soll Ruhs nur noch in Folgen der Diskussionssendung „Klar“ zu sehen sein, die vom Bayerischen Rundfunk produziert werden. Laut einer Pressemitteilung des BR am Mittwoch sucht der NDR nun nach einer neuen Moderatorin. Die Sendung wird im Wechsel von den beiden Sendern produziert.

Eindruck der Intoleranz

Diese Entscheidung (weitere Hintergründe und Reaktionen finden sich etwa in diesem Artikel) hat eine große Diskussion ausgelöst. Der Schritt des NDR macht meiner Meinung nach einen schlechten Eindruck und ist abzulehnen: Auch wenn ich mit den Inhalten von Julia Ruhs persönlich nichts anfangen kann, so finde ich doch, dass auch eine solche Stimme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgehalten werden muss. Ruhs hat sich in dieser Nachricht auf X zu dem Vorgang geäußert.

Das Vorgehen des NDR erfüllt den Vorwurf der Intoleranz und es hinterlässt den Eindruck der inhaltlichen Schwäche, weil man nicht argumentativ arbeitet, sondern mit einer Trennung. Das ist unsympathisch und wird den Ruf alles „Linken“ weiter schädigen, auch wenn das Handeln der NDR-Akteure eigentlich überhaupt nicht als links zu bezeichnen ist – zur Rechts-Links-Begriffsverwirrung siehe hier oder hier oder hier.

Steilvorlage für Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Auch taktisch ist das Verhalten verheerend und ein weiteres Beispiel für den destruktiven Charakter des angeblichen „Kampfes gegen Rechts“, der die Rechten immer stärker macht. Die Trennung von Ruhs ist eine weitere Steilvorlage für Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und er bestätigt scheinbar vieles von dem, was die Rechten dem ÖRR vorwerfen. Ich wünsche mir keine politisch-kulturelle Dominanz durch die Rechten – aber viele pseudo-linke Akteure arbeiten fleißig daran, dass es ihnen gelingt.

Die Nutzung dieser Steilvorlage, etwa durch Unions-Politiker, die nun laut Medien Morgenluft wittern etwa bezüglich ihrer Kritik an der Rundfunkgebühr, ist zurückzuweisen. Die Verteidigung des ÖRR in seinem momentanen inhaltlichen Zustand war wohl noch nie so schwierig wie heutzutage – aber eine Abschaffung des ÖRR und in der Folge ein rein privates Mediensystem kann meiner Meinung nach nicht die Lösung sein, darum würde ich das Prinzip des ÖRR auch heute noch verteidigen.

Doppelte Standards

Wie der NDR bei „unbequemen“ Themen auch schon mal zur Selbstzensur gegriffen hatte, das hat kürzlich Florian Warweg in diesem Artikel beschrieben. Der NDR-Programmchef nennt die aktuellen Cancel-Culture-Vorwürfe von Julia Ruhs übrigens laut Medien „absurd“.

Zugespitzt könnte man zu dem Vorgang sagen: Wer Böhmermann sendet, muss auch Ruhs aushalten. Würden die Kriterien der Seriosität, die nun an Ruhs angelegt werden, an zahlreiche andere Stimmen im ÖRR angelegt, wäre das vernichtende Urteil in vielen Fällen voraussehbar. Aber: Eine Gleichbehandlung gibt es nicht, der „einen Seite“ wird oft viel mehr Toleranz entgegengebracht, sogar bei echten Falschbehauptungen. Der X-Nutzer „Argonerd“ hat diese doppelten Standards in dieser Collage auf X verdeutlicht:

Quelle: Screenshot/Argonerd

Ein Fazit des Vorgangs um den NDR und Julia Ruhs lautet: Gegenseitiges Aushalten muss eingefordert werden – auch in einer Ära der Überempfindlichkeit.

Titelbild: Shutterstock AI / Shutterstock