Chrupalla, Rothfuß, Dagdelen – wie sich die Bilder gleichen
„Nein, dein geheimdienstlich-medialer Komplex ist doch echt nur ein Hirngespenst“, lachte mir kürzlich ein guter Freund entgegen. Und ja, das mag alles nur Einbildung sein. Aber die Koordination jahrzehntelanger Anschläge auf Sozialstaat und grundgesetzliche Friedensvorgaben sollte nicht ohne argwöhnischen Begriff bleiben. (Einige nennen es „tiefen Staat“. Aber das klingt eher nach einer Unkrautwurzel, die mit einem Spatenstich auszuheben wäre.) Von Diether Dehm.
Sind es denn nur Verschwörungstheoretiker, die heute noch an Medien wie BILD erinnern, als diese zunächst jahrelang Sozialminister Norbert Blüm für sein Plädoyer, die staatlich gestützte Rente sei sicherer als eine privatisierte, zum abschussreifen, komischen Vogel umgeschmiert hatten? Bevor dann BILD-Großinserenten wie Allianz, Maschmeyer und Co. im Rahmen der Riester-Rente ihre „Finanzprodukte“ als „zusätzliche Altersversorgung“ vermarkten durften?
Mochten die Geheimdienste damals so noch nicht aktiv gewesen sein: Ohne konspirative Koordination von Medien hätte der Kampagnen-Coup der Renten-Privatisierung so perfekt doch nicht gelingen können.
Wie es auch immer benannt wird: Gingen der jetzigen Ausweitung des NATO-Kriegs gegen Russland nur zufällige Falschmeldungen voraus? Etwa, wie kürzlich, über russische Raketen und Drohnen in NATO-Territorien?
Okay, wir verzichten auf „Geheimdienstlich-Medialer Komplex“ und suchen einen neuen Begriff dafür. Aber irgendwas Koordinierendes muss es doch gewesen sein, das vor dem NATO-Überfall auf Belgrad die Racak-Lüge in Redaktionszimmer flattern ließ. Und vor der Tötung hunderttausender irakischer Kinder die Mär von Saddams Massenvernichtungswaffen.
Waren es nur Medienzufälle, dass in allen Parteien – von der CDU der Vierziger Jahre, über FDP, SPD bis PDS und Linkspartei – NATO-Kritiker zuerst mit Skandalen überzogen wurden, bevor ihnen Funktion und öffentliches Gehör entzogen wurden? Und dafür dann bei den Grünen durch solche „Young Global Leaders“ (damals mittels Klaus Schwabs Davoser „Weltwirtschaftsforum“) ersetzt wurden wie Baerbock. Oder Nouripour, dem Beisteher von Kiesewetter („Das Gesülze von Friedensverhandlungen muss aufhören!“).
Wer früher Bücher von Bernt Engelmann, Erich Schmidt-Eenboom, Andreas von Bülow, Peter Ferdinand Koch und anderen zitiert hat mit Belegen für miese Deals zwischen Geheimdiensten und Medien, für Platzierung von Einflussagenten in der Nähe von Politpromis, für gezielte Einwirkung auf Umfrageinstitute und Parteikarrieren, der bekam von Zeitungskonsumenten den Vogel gezeigt. Wer wollte schon hinter Artikeln seines Lokalblatts konspirative Spindoctoren netzwerken sehen? Oder hinter dem Anheizen von Kriegsbereitschaft mit serbischen, irakischen, libyschen und russischen Gräueltaten im Tremolo seines Lieblings-Talkmasters die Aktienkurse von „Rheinmetall“? Wie der Kampf um die Hoheit über Tränen auch ein Kampf um Börsenkurse ist, hat zuletzt der Dichter Brecht ausgemalt. Dessen und solcherlei Stücke kommen in Deutschland aber heute auf keine öffentlich geförderte Bühne mehr. Wohl auch ein Schuft, der Böses dabei denkt!
Innerhalb von 24 Stunden dieser Wochenmitte kam es nun zu folgenden Ereignissen: Tino Chrupalla – über dessen forsch-forschende Anfragen zur Sprengung von Nordstream 2 sich bereits zuvor Polens Premier Tusk EU-weit echauviert hatte – verteidigte bei Lanz zunächst gewitzt die Russland-Politik seiner AfD („Putin hat mir nichts getan“). Daraufhin fiel BILD („Die schockierendsten Chrupalla-Sätze“) mit NATO-Influencern wie Annabell Schunke („Meine Fresse … widerlichster Whataboutism“) über ihn her, forderten implizit seinen Rücktritt. Acht Stunden später meldete BILD, Alice Weidel wolle jetzt Chrupalla entmachten. Und dann – gleichsam als Bestätigung für BILD – sahen sich Weidel und Chrupalla zu einem gemeinsamen Post veranlasst („ … wir wollen auch künftig gemeinsam …“).
Trotzdem nahmen viele netzwerkkoordinierte Tageszeitungen am Tag darauf den Ball auf und ungewohnt herzlich Partei für Alice Weidel. Und gegen Chrupalla, den sie schon für seinen schlauen Wehrdienst-Kompromiss (Aussetzung, solange Deutschland in der Ukraine mitkämpft) angerempelt hatten. Weidel ginge es in ihrer Auseinandersetzung mit Chrupalla um Regierungs-Option und „Wählbarkeit“ (Fuldaer Zeitung, 14.10.). Wohlgemerkt: Die AfD ist seit Monaten die prozentstärkste Partei. Gleichwohl steht eine ganze Extra-Spalte neben dem dreispaltigen Chrupalla-Weidel-Artikel mit der Überschrift, die CDU sei gerade ein halbes Prozent vor die AfD gerutscht. Nie war Kriegspropaganda homöopathischer als heute!
In einem Roman würde es heißen: zur gleichen Zeit am anderen Ort. Jetzt sagte nämlich gerade der AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Rothfuß aus Bayern seine Reise nach Moskau ab, gegen welche Medien tagelang getrommelt hatten. „Freiwillig“, aber nach Rücksprache mit seiner Fraktionsführung.
Und wieder zur gleichen Zeit, aber in einer ganz anderen Partei: Die BSW-Spitze präsentiert einen personellen Präsidiumsvorschlag, in welchem bisherige Vorstandsmitglieder fehlen, die wegen „prorussischen“ Aussagen medial schon mal angezählt worden waren. Und die für Lieferung von konkurrenzlos billigem Gas aus Russland einstehen und sich folglich geweigert hatten, Putin in Medien „einen Kriegsverbrecher“ zu nennen. Vor allem dröhnt die Lücke dort, wo die nach Wagenknecht an Mikros zweitpopulärste BSW-Frau wirkt: die charismatische Friedensaktivistin Sevim Dagdelen.
Klar, auch das rechtfertigt keinesfalls den Verdacht auf geheimdienstlich-mediale Mitwirkung. Aber schimmert durch die Ereignisse nicht eine akute Ausweitung des NATO-Krieges gegen Russland im Kampf um die Köpfe?
Russengas-Freund und IG-Metaller Alexander Ulrich verzichtete „freiwillig“ auf eine Kampfkandidatur ums BSW-Präsidium. Er will als Vorsitzender von Rheinland-Pfalz die Landtagswahl nicht zusätzlich gefährden. Aber wer – bei allen BSW-Hommagen an mittelständische Erfolgsmänner – vertritt jetzt die Arbeiter? Oskar Lafontaine hatte zwar stets Kleinunternehmer an seiner Seite, aber seine massive Popularität verdankte er der Nähe zu den Stahlarbeitern an der Saar.
Bislang ist Ex-MdB Zaklin Nastic BSW-Vorstandsmitglied. Aber „nach Correctiv-Recherchen“ soll sie einst einen „russischen Nationalisten“ beschäftigt haben, der so indirekt „Zugang zu sicherheitsrelevanten Inhalten, beispielsweise zur Terrorismusbekämpfung oder der Verteidigung von Deutschland im Kriegsfall“ gehabt haben soll. Alles „Correctiv“-Gequatsche löste sich später zwar in Rauch auf. Aber für eine „freiwillige“ erneute Kandidatur für den BSW-Vorstand wurde sie von der Spitze gar nicht erst gefragt.
Andrej Hunko wird medial als besonderer „Kreml-Versteher“ ausgedeutet, seit er mit dem damaligen Linken-Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke eine Spende für ein Kinderkrankenhaus in den Donbass gebracht hatte. Kürzlich sollte er „freiwillig“ auf seine Kandidatur zum NRW-Landesvorsitz des BSW verzichten. Was er nicht tat und im ersten Wahlgang gewählt wurde. Gegen Thomas Geisel, der die Thüringer BSW-Koalitionärin Katja Wolf unterstützt.
Kurze Rückblende: Als es öffentlich geworden war, dass der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, am 23. November 2009 dem damaligen US-Botschafter Philipp D. Murphy versichert hatte, die soeben beschlossene NATO-Ablehnung seiner Fraktion sei nicht so ernst gemeint, gab es scharfe Kritik von Wagenknecht-Leuten. Die allermeisten, die diese damals äußerten, fehlen jetzt auf der Liste für das BSW-Präsidium. Wer schämt sich da seiner Tradition?
Sicher gibt es bei alledem keinerlei evidente Hin- oder gar Beweise für geheimdienstliche Einwirkung, hingegen: für mediale Orchestrierung solcher Parteizerwürfnisse zuhauf! Aus Tolstois „Krieg und Frieden“ stammt der Satz: „Wie sich die Bilder gleichen!“
Klar, ob bei alldem in AfD oder BSW: Die medial eingeforderte – die Friedensbewegung lähmende – Brandmauer und der „Fleischtopf“ „Regierungsbeteiligung“ liefern ja alleine schon Motive genug, um moralisch und charakterlich weich zu werden. Dazu braucht es kein großes Zutun von außen. Und über allem hängt die Medienvorgabe Russenhass. Aber mal anders gefragt: Könnte von diesen Vorgängen in AfD und BSW nicht doch zumindest appetitanregender Duft zu externen BND-Spindoktoren aufsteigen, das eine oder andere Fingerchen an parteiinterne Stellschrauben zu legen?
Ein Wagnis bleibt es, „rechts“ und „links“ jetzt in einem Atemzug anzusprechen. Aber es geht gegen einen dritten Weltkrieg.




