Aussagen des Bundeskanzlers zu Brasilien provozieren Eklat: Doch Merz verweigert jede Form der Entschuldigung

Aussagen des Bundeskanzlers zu Brasilien provozieren Eklat: Doch Merz verweigert jede Form der Entschuldigung

Aussagen des Bundeskanzlers zu Brasilien provozieren Eklat: Doch Merz verweigert jede Form der Entschuldigung

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Friedrich Merz hat mit einer allgemein als abfällig interpretierten Aussage über Brasilien und insbesondere die Amazonas-Metropole Belém einen diplomatischen Eklat bei einem der bisher engsten Partner Deutschlands auf dem südamerikanischen Kontinent ausgelöst. Da Merz keine 20 Stunden bei der Weltklima-Konferenz in Belém verbracht hatte, wollten die NachDenkSeiten wissen, was der amtierende Kanzler denn außer Hotel und Tagungsort überhaupt zu Gesicht bekommen hat, was so sein Missfallen erregt hat, um sich entsprechend öffentlich zu äußern. Zudem kam die Frage auf, ob er plane, der Forderung nach einer Entschuldigung nachzukommen, um die Wogen wieder zu glätten. Von Florian Warweg.

Hintergrund

Kurz nach seiner Rückkehr vom Weltklimagipfel in Belém, einer der wichtigsten Städte im brasilianischen Amazonasgebiet und wegen der vielen Mangobäume in der Innenstadt auch als „cidade das mangueiras“ (Stadt der Mangobäume) bekannt, hielt Bundeskanzler Friedrich Merz am 13. November eine Rede beim Handelskongress in Berlin. Dort sagte er im Wortlaut:

„Meine Damen und Herren, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt. Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allem Dingen (sic!) von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“

Es war, nicht ganz unironisch in diesem Kontext, der staatlich finanzierte deutsche Auslandssender Deutsche Welle, welcher die Aussagen von Merz in Berlin in Brasilien verbreitete, ganz dem offiziellen DW-Auftrag folgend, „Träger der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ zu sein …

Drastische Reaktionen in Brasilien: „Hitlers Vagabunden-Sohn“

„Der Kommentar des Kanzlers war unsensibel. Wenn wir jemanden in unserem Haus empfangen, öffnen wir nicht nur unsere Herzen, sondern auch unseren heiligen Raum.“

Mit diesen Worten zitiert die Tagesschau etwa Ady Kayany, einen bekannten Vertreter vom indigenen Amazonas-Volk der Xukuru.

Brasiliens Präsident Lula da Silva zeigte sich etwas entspannter und riet Merz, Belém und den Bundesstaat Pará doch erst einmal besser kennenzulernen, bevor er sich vorschnell ein Urteil bildet:

„Er hätte in Pará in eine Bar gehen sollen. Er hätte in Pará tanzen sollen. Er hätte die Küche von Pará probieren sollen, dann wäre ihm klar geworden: Berlin hat nicht mal 10 Prozent der Lebensqualität, die Belém und der Bundesstaat Pará zu bieten haben. Ich hab doch allen gesagt, esst ein bisschen Manicoba! (typisches Gericht aus Belém, was rund eine Woche Zubereitungszeit braucht und u.a. aus gemahlenen Maniok-Blättern und Schweinfleisch besteht).

Der Bürgermeister von Belém, Igor Normando, ging härter mit Merz ins Gericht: Dessen Kommentar sei „unglücklich, arrogant und voreingenommen“. Die Mehrheit der Besucher aus aller Welt hätte sich fasziniert von der Stadt gezeigt, „aber jeder gebe eben, was er habe“, so Normando weiter.

Helder Barbalho, der Gouverneur des Bundesstaates Pará, fand ebenfalls deutliche Worte:

„Eine voreingenommene Äußerung offenbart mehr über den, der das sagt, als über das, worüber er spricht.“

Wirklich derb wurde es beim Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes. Dieser bezeichnete Bundeskanzler Merz auf der Plattform X als „Hitlers Vagabunden-Sohn“.

Auch in Deutschland und international sorgte die Aussage des Kanzlers mindestens für Unverständnis. So fordert unter anderem die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Entschuldigung des Bundeskanzlers. „Friedrich Merz muss sich bei der Bevölkerung von Belém entschuldigen“, forderte unter anderem der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Die Vertreter der deutschen Nichtregierungsorganisationen in Belém hätten sich allesamt für den Kanzler fremdgeschämt. Man erlebe eine super organisierte COP und erfahre große Gastfreundschaft von Seiten der Brasilianer.

Ähnlich äußerte sich auch David Ryfisch von Germanwatch und verwies darauf, dass „so ein Kommentar“ der deutschen Verhandlungsdelegation auf dem Klimagipfel „ganz und gar nicht“ helfe. Abschließend erklärte er:

„Ich glaube, Merz versteht nicht, was so ein diplomatischer Affront bedeutet, wie das hier aufgenommen wird – gerade, wo wir auch in die heiße Phase der Verhandlungen gehen.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 19. November 2025

Frage Dr. Rinke (Chefreporter Reuters)
Herr Kornelius, die Äußerungen des Kanzlers auf dem Handelskongress letzte Woche zieht immer weitere Kreise. Auch Präsident Lula hat sich dazu geäußert und Tanzempfehlungen gegeben. Folgt der Kanzler der Aufforderung einiger, sich für die Bemerkung zu entschuldigen? Sehen Sie einen Schaden für Deutschlands Ansehen zumindest in Brasilien?

Regierungssprecher Kornelius
Lassen Sie mich noch einmal den Rahmen ziehen, weil ich eine gewisse Erregungsbereitschaft bei diesem Thema feststelle, die mit den Tatsachen wenig zu tun hat.

Der Bundeskanzler hat während seiner sehr kurzen Reise nach Belém die Klimapolitik der Bundesregierung erläutert. Er hat einen namhaften Beitrag für den Waldfonds in Aussicht gestellt. Er hat ein sehr produktives und vorwärts‑ bzw. zukunftsgewandtes Gespräch mit dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva geführt. Er hat bedauert, dass er aus Zeitgründen keine Möglichkeit hatte, an den Rand des Amazonas zu reisen, wie es der Umweltminister gestern getan hat. Er wollte dort auch die überwältigende Natur der Region besser kennenlernen. Das ging aus Zeitgründen leider nicht. Er hat allerdings dennoch einen kleinen Eindruck von der Dimension der Landschaft erfahren, als er am Abend bei einem Besuch einer kleinen Insel mit einem Schnellboot den Rio Guajará überquert hat. Das ist der große Arm im Mündungsdelta des Amazonas.

In einer Pressekonferenz hat er Brasilien als wichtigstes Partnerland Deutschlands bezeichnet. Ich kann ihn zitieren. Ich kann es Ihnen aus Zeitgründen aber auch gern nachreichen. Insofern glaube ich, dass kein Zweifel daran besteht, dass Brasilien geostrategisch und wirtschaftlich unser wichtigster Partner in Südamerika ist. Wir wollen die Beziehungen zu Brasilien einschließlich der Wirtschaft und des Handels weiter stärken. Dem dient übrigens im kommenden Jahr auch die Hannover Messe, deren Besuch Präsident Lula in Aussicht gestellt hat. Deutschland unterhält eine strategische Partnerschaft mit Brasilien. Die bilaterale Zusammenarbeit ist eng und vertrauensvoll. Insofern war der Eindruck des Bundeskanzlers von dieser sehr kurzen Lateinamerikareise durchaus sehr positiv.

Lassen Sie mich vielleicht noch etwas zu dem Satz, der als inkriminierend dargestellt wird, sagen. Die Bemerkung bezog sich im Kern auf den Wunsch der Delegation, nach einem sehr anstrengenden Nachtflug und einem langen Tag in Belém die Rückreise anzutreten. Wenn der Bundeskanzler sagt, wir lebten in einem der schönsten Länder der Welt, dann heißt das nicht, das andere Länder nicht auch sehr schön sind. Aber ich glaube, dem deutschen Bundeskanzler steht es ganz gut an, wenn er Deutschland auch als eines der schönsten Länder der Welt bezeichnet.

Zusatz Dr. Rinke
Das war noch keine Antwort auf die Frage, ob er sich entschuldigt, wozu er aufgefordert wurde, und ob Sie einen Schaden in den Beziehungen sehen.

Kornelius
Zweimal nein.

Frage Jung
Waren die mitreisenden Minister auch so angewidert von der Stadt? Umweltministerium, Entwicklungsministerium, bitte!

Kornelius
Der Bundeskanzler ist ohne mitreisende Minister nach Brasilien geflogen.

Zusatz Jung
Aber sie waren ja auch da.

Kornelius
Da müssen Sie die ‑ ‑ ‑

Zusatz Jung
Da haben die wahrscheinlich … (akustisch unverständlich)

Kornelius
Außerdem glaube ich, dass Ihre Kategorisierung falsch ist. Sie unterstellen, der Bundeskanzler sei von der Stadt angewidert gewesen. Das ist nicht richtig.

Zusatz Jung
Das ist meine Interpretation.

Kornelius
Das habe ich festgestellt.

Zusatz Jung
Das müssen Sie mir überlassen. Das sagen Sie auch immer, und Sie waren ja auch nicht gefragt.

Kornelius
Sie wollen trotzdem von mir Dinge hören.

Zusatz Jung
Wenn sich jemand abfällig über eine Stadt äußert, dann kann man fragen, ob die anderen Mitglieder der Bundesregierung, die auch vor Ort waren, das ebenso erlebt haben. Dann haben wir vielleicht ein besseres Meinungsbild der Bundesregierung. ‑ Das BMZ auch noch!

Zimmermann (BMUKN)
Ich kann gern etwas für das Bundesumweltministerium sagen, möchte aber vorwegschicken, dass ich das nicht im Kontext des gerade besprochenen Komplexes sehen will. Aber wenn ich die Frage so verstehen darf, dass es darum geht, wie es Bundesumweltminister Schneider und auch insgesamt der deutschen Delegation in Belém gerade geht, dann würde ich sagen: Die Eindrücke und Gespräche vor Ort sind sehr positiv und, soweit ich weiß, in keiner Weise belastet. Die Kooperation mit der brasilianischen COP-Präsidentschaft ist sehr gut. Bundesumweltminister Schneider hat sich kürzlich auch schon selbst geäußert, wie es ihm in Belém im Austausch mit den brasilianischen Partnern und Menschen vor Ort geht.

Schöneck (BMZ)
Ich kann einen ähnlichen Eindruck von Ministerin Alabali Radovan mitteilen. Sie hatte vor Ort sehr interessante und spannende Gespräche, gerade auch mit der indigenen Bevölkerung. Insofern habe ich nichts weiter hinzuzufügen.

Zusatzfrage Jung
Sollte sich der Kanzler aus Sicht der Ministerin entschuldigen? Das könnte ja die Entwicklungszusammenarbeit belasten.

Schöneck (BMZ)
Wie der Regierungssprecher bereits ausgeführt hat, sehen wir keine Belastung der Beziehungen.

Frage Warweg
Der Kanzler hat in Belém keine 20 Stunden verbracht. Vor dem Hintergrund würde mich interessieren, was er außer Hotel und Tagungsort in Belém gesehen hat, das sein Missfallen so provoziert hat, dass er sich entsprechend geäußert hat. War es das allgemeine Stadtbild? Vielleicht könnten Sie das noch konkretisieren.

Kornelius
Ich muss wiederholen, dass sich der Bundeskanzler nicht mit Missfallen geäußert hat. Er hat gesagt, wir lebten in einem der schönsten Länder der Welt. Das hat er auf Deutschland bezogen. Ich kann noch einmal sagen, dass Brasilien sicherlich auch zu den schönsten Ländern der Welt gehört. Aber dass der deutsche Bundeskanzler hierbei eine kleine Hierarchisierung vornimmt, ist, glaube ich, nicht verwerflich.

Was er gesehen hat, habe ich vorhin geschildert. Es war ein sehr kurzer Tag. Er war sehr lange Zeit in dem Konferenzzentrum. Am Abend gab es tatsächlich noch einen kurzen Abstecher über das Amazonasdelta in ein Restaurant, wo er übrigens auch, dem Rat des brasilianischen Präsidenten folgend, brasilianisch gegessen hat. Das war sehr gut.

Zusatzfrage Warweg
Dass Sie das jetzt ein bisschen nonchalant behandeln, ist klar. Aber die Kollegen haben ausgeführt, dass das in Brasilien zu einem veritablen diplomatischen Eklat geführt hat. Lula hat sich noch halbwegs abwägend geäußert, aber es gibt sehr wohl viel kritischere Stimmen, auch aus der Zivilgesellschaft, die ‑ ich greife dieses Thema noch einmal auf ‑ eine Entschuldigung von Herrn Merz gefordert haben. Auch dieses Thema haben Sie bisher umgangen. Das lässt sich ja relativ leicht mit „Ja, er wird sich entschuldigen“ oder „Nein, er wird sich nicht entschuldigen“ beantworten.

Kornelius
Ich habe das Thema vorhin beantwortet. Außerdem denke ich, dass es allen Teilnehmern in dieser Diskussion ganz gut anstünde, den Kontext dieses Zitats zu sehen. Ich habe es mehrfach erklärt und kann es nur noch einmal wiederholen: Dem Bundeskanzler liegt es fern, sich abfällig über Brasilien zu äußern. Er hat sich in einem Vergleich geäußert. Nebenbei hat er diese sehr kurze Reise nach Brasilien sehr intensiv genutzt, um die exzellenten Beziehungen, die Deutschland zu Brasilien hat, zu vertiefen.

Zuruf Warweg
Er hat ja auch noch eine entsprechend konnotierte Frage an die betreffenden Journalisten gestellt.

Titelbild: Screenshot NDS

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